AfD verliert in Umfrage erstmals seit März an Zustimmung – CDU und SPD legen zu

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Der Höhenflug der Partei in Umfragen ist offenbar zunächst gestoppt.

(Foto: dpa)

Berlin Erstmals seit vier Monaten hat die AfD in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa an Zuspruch verloren. Die Partei kommt im „Sonntagstrend“ des Instituts im Auftrag der „Bild am Sonntag“ auf 21 Prozent – einen Punkt weniger als in der Vorwoche. Dies ist den Angaben zufolge der erste Rückgang für die AfD in der wöchentlichen Umfrage seit dem 25. März.

Die AfD ist seit Wochen im Umfragehoch – in Deutschland, noch mehr in Ostdeutschland. Die Partei wird bundesweit vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft und beobachtet.

Die Union gewinnt in der Insa-Umfrage einen Punkt hinzu und liegt bei 27 Prozent. Die SPD steigert sich ebenfalls um einen Punkt auf 19 Prozent. Die Grünen bleiben bei 14 Prozent, die FDP bei sieben Prozent und die Linke bei fünf Prozent.

Angesichts der hohen Umfragewerte für die AfD haben Vertreterinnen und Vertreter der Ampel-Koalition zu mehr Geschlossenheit und einer besseren Kommunikation der Regierung aufgerufen. „Wir müssen stärker als bisher herausstellen, dass unsere Politik den Menschen konkret hilft“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken dem Magazin „Spiegel“. „Wohngeld, Kinderzuschlag, Gas- und Strompreisbremse: All das drang kaum durch im Lärm der Empörung“, sagte Esken.

Sie verwies auf das thüringische Sonneberg, wo Ende Juni mit Robert Sesselmann zum ersten Mal ein AfD-Landrat gewählt wurde. „44 Prozent der Menschen in Sonneberg haben von der Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro profitiert. Offenbar hat ihnen niemand gesagt, wer dafür gesorgt hat“, sagte Esken.

Grünen-Chefin fordert von Ampel mehr Geschlossenheit

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang rief die Koalition zu mehr Geschlossenheit auf. „Wir müssen als gesamte Regierung mehr Sicherheit ausstrahlen, uns aufs Wesentliche konzentrieren, an Lösungen arbeiten und entsprechend handeln“, sagt sie dem Magazin. Die Aufgabe sei jetzt, die Wirtschaft zu stabilisieren und soziale Themen in den Fokus zu nehmen.

Konstantin Kuhle, Vize-Fraktionsvorsitzender der FDP, forderte, die Ampel müsse mehr über die realen Probleme der Menschen reden und sie lösen. „Steuerentlastungen und Investitionserleichterungen sind ein Ansatz. Damit kriegt man die AfD nicht unter fünf Prozent, aber vielleicht ja unter 15.“

„Ich finde es einfach falsch, dass nur noch über die AfD geredet, gesendet und geschrieben wird. In der Zwischenzeit scheint Sachpolitik kaum noch stattzufinden.“ Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen

Im ARD-„Deutschlandtrend“ von Donnerstag erzielte sie mit 21 Prozent einen neuen Höchstwert. Das Meinungsforschungsinstitut Yougov sieht die Zustimmung für die Partei bundesweit derzeit gar bei 23 Prozent. Im Thüringer Kreis Sonneberg stellt die AfD seit einigen Wochen ihren ersten Landrat bundesweit.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow beklagt mit Blick auf den Höhenflug der Partei einen Alarmismus in der politischen Debatte, von der vor allem die AfD profitiere. Die Dauerdebatte über die AfD in Deutschland sei demokratiegefährdend. „Ich finde es einfach falsch, dass nur noch über die AfD geredet, gesendet und geschrieben wird. In der Zwischenzeit scheint Sachpolitik kaum noch stattzufinden“, sagte der Linken-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt.

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„Wenn es nur noch darum geht, ,Wie hältst du es mit der AfD?’, erleben wir meiner Meinung nach eine gefährliche Entpolitisierung“, sagte Ramelow weiter. Das sei auch mit Blick auf die drei Landtagswahlen 2024 in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ein Problem.

Bodo Ramelow

„Ich mache den Alarmismus um die AfD einfach nicht mehr mit.“

(Foto: dpa)

In den ostdeutschen Bundesländern kommt die AfD in Umfragen auf Werte von bis zu 30 Prozent. In Thüringen, wo die Partei mit ihrem Landesvorsitzenden Björn Höcke als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft ist, waren es im Juli bei Infratest dimap für den MDR 34 Prozent.

„Ich mache den Alarmismus um die AfD einfach nicht mehr mit“, sagte Ramelow. Er führe dazu, dass die Partei keine Erklärungen mehr abgeben müsse zu dem, was sie wirklich wolle.

Nach Einschätzung von Ramelow „zieht die AfD magisch die Unzufriedenen an“. Das gelte für West- wie Ostdeutschland. Die höheren Umfragewerte im Osten hätten auch etwas damit zu tun, „dass die materielle Einheit ganz gut gelungen ist, die psychologische Einheit aber eine Katastrophe ist.“

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Viele Ostdeutsche seien inzwischen der Meinung, dass es Aufmerksamkeit dann gebe, wenn sie etwas täten, „was in Westdeutschland für Empörung sorgt“. Hohe Umfragewerte für die AfD sind nach Einschätzung von Ramelow damit auch eine Art Trotzreaktion, „keine bockige, sondern eine permanente“. Sie seien Ausdruck einer Überforderung durch Nichtverstehen oder Nichtanerkennen, was in Ostdeutschland in den vergangenen Jahrzehnten geleistet worden sei.

Wahlumfragen sind generell mit Unsicherheiten behaftet. So erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten. Das Institut Insa gibt für seine jüngste Umfrage eine statistische Fehlertoleranz von 2,9 Prozentpunkten an. Grundsätzlich spiegeln Umfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen für den Wahlausgang.

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