Acht Streamingtipps für die Ostertage

Es gibt so viele Serien auf dem Markt, dass es nicht leicht ist, den Überblick zu behalten. Gute Serien zu finden, die sich mit Themen aus Wirtschaft und Politik beschäftigen, ist noch schwieriger. Spielen sie doch oft platt mit Vorurteilen und Klischees. Das Handelsblatt hat deshalb acht Tipps für eine Auszeit aus dem Alltag zusammengestellt – Serie, Drama, Doku, Comedy.

Mediengeschäft ist Familiensache. Vor allem in den USA, wo geltungsbewusste Dynastien wie die Hearsts, Sulzbergers oder Grahams die Branche prägten. Hinter der Glitzerwelt der Großverlage und TV-Konglomerate verbergen sich dabei häufig selbst nachrichtenträchtige Dramen, nicht selten mit einem alternden Patriarchen in der Hauptrolle.

Willkommen in der Welt von „Succession“. Die mehrfach preisgekrönte Serie, die in der mittlerweile vierten Staffel auf „Sky Wow“ läuft, erzählt den Nachfolgekonflikt um das fiktive Medienimperium Waystar Royco dabei so mitreißend, interessant und skurril, dass man sich ihrem Sog bald nicht mehr entziehen kann.

Die Geschichte oszilliert um den selbstbewussten Unternehmensgründer Logan Roy und seine vier Kinder. Die bilden wechselnde Allianzen, intrigieren, kämpfen und weinen um den Thron, den ihr Vater mit diabolischer Härte verteidigt.

„Succession“ gelingt es dabei, gleichzeitig authentisch und überzeichnet zu wirken. Geht es in Manhattans Elite wirklich so zynisch zu? Der finster-geniale Rupert Murdoch und seine News Corp. (Sky, Wall Street Journal), die der Serie als Vorbild dienten, nehmen einem da schnell die Zweifel.

Viele Charaktere sind grandios besetzt, allen voran die der Söhne Kendall (Jeremy Strong) und Roman (Kieran Culkin). Strong musste wie sein Alter Ego Jahrzehnte auf berufliche Anerkennung warten. Nun spielt er den Primus Kendall derart besessen, dass er seinen Set-Kollegen offenbar auch zwischen den Drehs als Roy-Spross gegenübertritt. Der Lohn war ein „Golden Globe“ für die beste Serienhauptrolle.

The Good Mothers: Loyalität – oder Tod

The Good Mothers
Disney +
6 Folgen, à 45 Minuten

„Du weißt nichts über mein Leben“, entgegnet Giuseppa Pesce der Staatsanwältin Anna Colace, die sie überzeugen will, ins Zeugenschutzprogramm der italienischen Polizei einzusteigen. „Sie werden mich finden, egal wo ich bin.“ Giuseppa spricht von einer Welt, in der Väter ihre Töchter und Ehemänner ihre Frauen ermorden, wenn diese sich nicht an die Regeln des Kollektivs halten.

Das Kollektiv: die ’Ndrangheta, die mächtigste Mafia-Organisation der Welt. Innerhalb der patriarchalischen Strukturen erfahren die Frauen brutale Gewalt und Unterdrückung oder werden von ihren Familien gefangen gehalten. Drei mutige Frauen entscheiden sich in „The Good Mother“, das auf wahren Begebenheiten beruht, dem ein Ende zu bereiten und das brutale System von innen zu zerstören: Lea Garofalo, Maria Concetta Cacciola und Giuseppina Pesce.

Sie wollen mit Staatsanwältin Colace zusammenarbeiten und ihr Kollektiv verraten, um sich und ihre Kinder zu schützen. Doch wer sich gegen die ’Ndrangheta stellt, muss um sein Leben fürchten. Und ihre Familien, die alle Mitglieder der ’Ndrangheta in Kalabrien sind, setzen die Frauen mithilfe ihrer Kinder unter Druck.

Die Serie gibt den Zuschauern ausreichend Zeit, um mit den Protagonistinnen vertraut zu werden, und stellt durch die realistische Darstellung eine besondere Nähe zu den Personen her. Bis zum letzten Moment zittert man mit jeder der drei Frauen mit, spürt ihre Verzweiflung und ihre innere Zerrissenheit.

„The Good Mothers“ zeigt den lebensgefährlichen Alltag innerhalb der Mafia erstmals aus einem weiblichen Blickwinkel. Auf der Berlinale gewann die Serie dafür den erstmals verliehenen Serienpreis – zu Recht. Diese Serie bewegt, bedrückt und wühlt auf.

Bad Banks: Geld, Macht und Tränen

Bad Banks
ZDF Mediathek
2 Staffeln
6 Folgen je ca. 50 Minuten

Es gibt Serien, die wirken optisch etwas in die Jahre gekommen. Im Fall von „Bad Banks“ zeigt sich das an den Handys (iPhone 7), den Dienstwagen ( alles Verbrenner) und den allzu gespreizten Haifischkragen der männlichen Darsteller. Doch „Bad Banks“ erzählt eine zeitlose Geschichte – die der Gier nach Macht und Geld. Angesichts der Beinahepleite der Credit Suisse ist die Serie wieder höchst aktuell.

Was ist die Geschichte der beiden Sechsteiler? Eine junge Investmentbankerin, deren Herkunft nie wirklich geklärt wird, außer dass Feinde sie als eine, die „aus dem Nichts“ gekommen ist, bezeichnen, wird zur Marionette einer alternden Karrierefrau. Die Ältere, großartig gespielt von Désirée Nosbusch, sieht sich zu Höherem berufen, als „nur“ das Investmentbanking einer luxemburgischen Bank zu leiten, und geht sprichwörtlich über Leichen. Die Jüngere, gespielt von Paula Beer, ist durchtriebener, als ihr Auftreten zunächst vermuten lässt.

Beide Frauen schaffen es, in der testosterongeschwängerten Luft der vollklimatisierten Handelssäle und Hinterzimmer Kerle vorzuführen, die ihrerseits nach immer mehr Macht und Geld streben. In der ersten Staffel geht es um verbriefte Schrottpapiere – Lehman lässt grüßen –, in der zweiten um ein Fintech und Nachhaltigkeit.

Wer die Serie für bare Münze nimmt, wird sofort sein Geld von seinem Girokonto holen und sein Depot versilbern wollen. Mit etwas Abstand betrachtet, haben die beiden Staffeln, die 2018 und 2020 bei Arte und ZDF gezeigt wurden und nun kostenlos in der ZDF Mediathek abrufbar sind, das Zeug zum Klassiker. Eine dritte Staffel ist zwar aktuell nicht in Sicht, Stoff gäbe es aber sicher genug.

Beef: Tragikomik des Lebens

Beef
Netflix
10 Folgen à 30 Minuten

Zwei Autofahrer geraten im Straßenverkehr aneinander, schaukeln sich hoch, ein Streit entbrennt. Eine Situation, die wohl jeder schon mal (mit)erlebt hat. In der Regel ist es eine Angelegenheit von wenigen Minuten. Nicht so bei Danny Cho, erfolgloser Bauunternehmer, und Amy Lau, Selfmade-Unternehmerin.

Die beiden Protagonisten steigern sich so in die Auseinandersetzung hinein, dass sie Stoff für eine ganze Netflix-Staffel bietet. „Beef“ heißt die Comedy-Serie, die am 6. April startet. „Beef“ steht im Hip-Hop-Jargon für eine aggressive Auseinandersetzung zwischen zwei Rappern, der offen über die Medien oder die Musikveröffentlichungen beider Parteien ausgetragen wird.

Und auch im Netflix-„Beef“ geben sich die beiden Streithähne gar keine Mühe, ihren Zwist ruhig auszutragen oder gar beizulegen. Da wird geschrien, gestritten gedroht, geweint – und gelacht. „Dark Comedy“ heißt das Genre, das hier wunderbar bedient wird.

Er, der das Gefühl hat, sich sein Leben lang abzurackern nur dafür, dass es doch nichts bringt. Sie, die ein vermeintliches Bilderbuchleben als Mutter und Unternehmerin führt, das jedoch nach und nach zerbröckelt.

Die beiden Hauptrollen sind prominent besetzt mit Steven Yeun, den viele noch als ehemaligen Pizzaboten Glenn aus „The Walking Dead“ kennen dürften, und Stand-up-Comedienne Ali Wong, die für ihr Drehbuch zu „Don Wong“ 2022 für einen Emmy nominiert war. Beide fungieren in „Beef“ auch als Co-Produzenten und haben an der Entwicklung ihrer Rollen mitgearbeitet. Sie leben die Figuren schwarzhumorig und bewegend zugleich aus. Die Quintessenz: Nicht nur im Auto sollten sie auf die Bremse treten.

Fauda: Eigentlich ist alles schwarz

Fauda
Netflix
4. Staffel
10 Folgen à 40 Minuten

Ganz langsam nähert sich der Rettungswagen der Stadt Jenin. Es ist früher Morgen, noch ist kaum jemand auf den Straßen. Die Sonne geht gerade auf über der palästinensischen Stadt im Westjordanland. Doch hier soll niemand gerettet werden, zumindest nicht in erster Linie. In dem Wagen befindet sich ein Teil einer israelischen Spezialeinheit – es handelt sich um einen Anti-Terror-Einsatz.

Die Szene aus der neuen Netflix-Staffel von „Fauda“ ist so realistisch, dass es Angst machen kann. Fast zeitgleich mit Beginn der vierten Staffel lief solch ein Militäreinsatz in einem palästinensischen Flüchtlingslager in Jenin schief. Unter den Toten waren auch Zivilisten.

Es folgte ein Anschlag in Jerusalem. Die Hamas sprach von Vergeltung. Fast nächtlich kommt es derzeit zu solchen Razzien im Westjordanland. Es ist eine Spirale der Gewalt, die scheinbar nicht zu durchbrechen ist. Und weil es in der Serie kein Hell und kein Dunkel gibt, wird sie von der Kritik hoch gelobt. Eigentlich ist alles schwarz. Das muss man aushalten können.

Hauptcharakter Doron Kabillio (Lior Raz) hat die Einheit bereits mehrfach verlassen, kann aber auch nicht ohne. Wie eigentlich alle in der Serie hat er bereits alles verloren, woran er je geglaubt hat. Und gerade darin besteht die Kunst der Serie, die wenig erklärt, dafür aber nah an den Personen ist.

Die vierte Staffel führt Doron über die Grenzen des Nahen Ostens heraus – ausgerechnet nach Brüssel, deren Stadtteil Molenbeek schon häufiger aufgefallen ist, weil dort Terroranschläge in Europa ihren Ursprung hatten. „Molenbeek ist Gaza in zehn Gebäude gequetscht“, heißt es einmal. Und plötzlich ist der Nahe Osten ganz nah. Und mit ihm der Terror.

The Playlist: Der Aufstieg von Spotify

The Playlist
Netflix
6 Folgen à 45 Minuten

Es ist eine Streamingserie über einen Streamingdienst: In der sechsteiligen Mini-Serie „The Playlist“ erzählt Netflix die Gründungsgeschichte von Spotify – und zwar aus sechs sehr unterschiedlichen Blickwinkeln. In jeder Folge steht ein anderer Protagonist im Fokus, der für sich proklamiert, den entscheidenden Beitrag zum Erfolg des Tech-Unternehmens geleistet zu haben.

Die erste Folge haben Regisseur Per-Olav Sørensen und die Autoren Sofie und Tove Forsman dem Visionär Daniel Ek gewidmet. Ek – wie alle anderen auch in der Serie von Schauspielern verkörpert – erzählt, wie er Spotify 2006 gründete und mit seiner Idee des Streamingdienstes die Musikbranche revolutionierte. Am Ende der Episode spricht Per Sundin, Chef von Sony Schweden, die Zuschauer direkt an: „So hat es sich nicht zugetragen.“

In der zweiten Folge erzählt Sundin dann seine Version der Geschichte. So geht das vier weitere Male, die Chefjuristin, der Programmierer, der Geldgeber und eine Musikerin stehen dann im Zentrum. Immer wieder begegnet der Zuschauer Szenen, die er zumindest so ähnlich schon einmal gesehen hat. Doch jeder erinnert sich anders an Gespräche, lässt Details weg oder bringt andere Argumente.

„The Playlist“ erzählt die Geschichte vom Aufstieg von Spotify, von der Dickköpfigkeit seines Gründers und dessen Kampf gegen die alte und mächtige Musikindustrie – von 2006 bis in die Zukunft hinein. Und mit Kritik an der oftmals schlechten Bezahlung von Künstlern wird auch nicht gespart. Das Dokudrama ist schon wegen der sechs verschiedenen Perspektiven sehenswert. Und der Erfolg von Spotify beruht am Ende wohl auf den Fähigkeiten aller Beteiligten.

The Consultant: Bitterböse Büro-Satire

The Consultant
Amazon Prime Video
8 Folgen à 35 Minuten

Die Geschichte beginnt mit einem Mord. Sang Woo, Inhaber einer Videospielfirma, gerade mal 20 Jahre alt, liegt erschossen in seinem Büro. Der Täter ist klar: Geschossen hat ein Grundschulkind, das, die Waffe noch in der Hand haltend, nach seiner Mama verlangt.

Während die Belegschaft überlegt, wie es mit ihr weitergeht, erscheint ein unbekannter Berater auf der Bildfläche, der sich als Regus Patoff vorstellt. Es bleibt unklar, woher der Consultant kommt oder was seine genauen Absichten sind. Man weiß nur, dass er vom toten Sang Woo angeheuert wurde, um das verschuldete Videospiel-Unternehmen wieder profitabel zu machen.

Dabei bedient Patoff sich ungewöhnlicher Methoden. Er feuert Mitarbeiter, weil sie es innerhalb einer Stunde aus dem Homeoffice nicht ins Büro schaffen oder weil er sie schlicht nicht riechen kann. Er lässt seine Angestellten nachts um drei Uhr im Büro antanzen oder stellt eine nackte Statue des verstorbenen Sang Woo auf.

Die Belegschaft reagiert zunächst angewidert und irritiert, macht jedoch bald bei Patoffs Spielchen mit. Aus Freundschaft wird Konkurrenz. Man prügelt sich um das beste Büro. Selbst die beiden anderen Hauptfiguren Elaine und Craig lassen sich trotz Skepsis von Patoff einlullen.

Gespielt wird der Consultant in der achtteiligen Serie, die auf Amazon Prime Video läuft, vom zweifachen Oscar-Gewinner Christoph Waltz – der mit seinen bösartigen Gesichtsausdrücken und seinem süffisanten Grinsen perfekt den Soziopathen mimt. Insgesamt ist die Serie, die auf dem gleichnamigen Buch von Bentley Little basiert, eine bitterböse und gleichzeitig unterhaltsame Satire über Chefs und das Arbeitsleben – nur das Ende lässt ein wenig ratlos zurück.

Bernie Madoff: Nichts ist, wie es scheint

Bernie Madoff
Netflix
4 Folgen à ca. 60 Minuten

Ein Lügner sein? Ja, besser als ein Loser. Mit dieser Entscheidung beginnt der einzigartige Aufstieg des Aktienhändlers Bernie Madoff zum „Gott der Finanzwelt“ an der Wall Street – rund zwei Jahrzehnte vor der Weltwirtschaftskrise 2008. Als junger Mann wollte er nicht scheitern wie seine Eltern. Durch den Zusammenbruch der Märkte flog jedoch das kriminelle Geschäftsgebaren des extravaganten Beraters auf – er wurde zum „Gesicht der Finanzkrise“.

Eine Dokuserie über Madoff konnte zu keinem passenderen Zeitpunkt bei Netflix anlaufen als jetzt. In nachgespielten Szenen und dokumentarischen Rückblicken zeigt sie, wie die Ikone Madoff mit einem Schneeballsystem 19 Milliarden Dollar real vernichtete.

Er zerstörte Leben, Stiftungen und den Ruf von Unternehmen und Hedgefonds. Der fiktive Schaden durch seine Fake-Anlagen betrug 64 Milliarden Dollar. Jordan Belfort, der „Wolf of Wallstreet“, war nichts gegen ihn: Der Börsenhai hatte bei Anlegern einen Schaden von „nur“ 200 Millionen Dollar verursacht und musste dafür vier Jahre in Haft. Madoff kassierte 150 Jahre – ein symbolisches Urteil für einen 70-Jährigen.
Zwei Geschäftsmodelle hatte er parallel betrieben: ein seriöses Handelsgeschäft auf dem außerbörslichen Markt und eine geheime Anlageberatungsfirma, die nicht bei der Börsenaufsicht SEC registriert war. Möglich war das nur aufgrund der Gier – Madoffs eigener und der seiner Klienten.

Das System der großen Banken und Regulierungsbehörden versagte völlig. „In dieser Branche ist nichts, wie es scheint, darum funktioniert sie“, heißt es in der Doku. Ein spannender Vierteiler – eingebettet in die US-Historie, ihren Mittelstand und die Geschichte der Börse ab den 1960er-Jahren.

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