„Wir sehen große Chancen in Deutschland“

Berlin Der Finanzinvestor KKR will in Digitalisierung und Energiewende investieren. Trotz struktureller Schwächen bleibt die Bundesrepublik nach Einschätzung von Joe Bae, Co-Chef des Finanzinvestors KKR, ein attraktiver Investitionsstandort. „Wir sehen große Chancen in Deutschland“, sagte der Manager im Interview mit dem Handelsblatt. Das gelte vor allem in den Bereichen Digitalisierung und Energiewende.

Bae ist einer der weltweit mächtigsten Private-Equity-Manager. Mit KKR ist er schon länger in Deutschland aktiv. Seit 2019 hält KKR eine Minderheitsbeteiligung an der Mediengruppe Axel Springer. Angesprochen auf die Diskussionen um den Machtmissbrauch bei „Bild“ und umstrittene Äußerungen von Konzernchef Mathias Döpfner betonte Bae, dass man bei Investments auf ethische Unternehmensführung achte. „Axel Springer ist ein gutes Investment“, sagte Bae. Die Umsetzung der vereinbarten Pläne sei bisher gut verlaufen. Zu weiteren Details einzelner Investitionen wollte sich der Co-Chef des Finanzinvestors aber nicht äußern.

Die größten Risiken für die Weltwirtschaft sieht Bae in den geopolitischen Spannungen. Bei allen Beteiligungen stehe das Thema Sicherheit im Mittelpunkt – „egal, ob es um die Sicherheit der Lieferketten geht, um Cybersicherheit oder um Energiesicherheit“.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Bae, Sie haben gerade einen acht Milliarden Dollar schweren Beteiligungsfonds für Europa aufgelegt. Wenn wir mit Unternehmern, Bankern und Politikern sprechen, hören wir Klagen über die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Europas und Deutschlands – und teils düstere Prognosen. Wie schätzen Sie Europas Zukunft ein?
Als der Ukrainekrieg begann, gab es aus makroökonomischer Sicht vor allem Sorgen rund um die Energiepreise und die Energiepolitik. Jetzt sind die meisten globalen Investoren positiv überrascht, wie gut Europa mit der Situation zurechtgekommen ist und dass die Energiepreise sich wieder entspannen.

Aber Energiesicherheit ist längst nicht das einzige Risiko.
Das stimmt, es gibt weitere strukturelle Sorgen rund um den Fachkräftemangel und darum, wie man die Inflation – die in Europa noch höher liegt als in den USA – in den Griff bekommt. In Deutschland dreht sich die Diskussion unter Unternehmern um hohe Energie- und Personalkosten sowie um Steuern. Wenn es um das Thema Wettbewerbsfähigkeit geht, fordern viele Firmen Entlastungen im Bereich der Energieregulierung.

Vieles davon ist nicht neu, die Forderungen sind teils Jahre alt. Doch es ändert sich nichts. Hat es sich Deutschland zu bequem gemacht? Lebt dieses Land zu sehr von den Erfolgen der Vergangenheit?
Eines der aufregenden Dinge in Deutschland und Europa ist, dass sich die Ausgangssituation in Bezug auf den Technologiesektor deutlich unterscheidet. Es gibt hier keine Technologieriesen wie Google, Microsoft oder Amazon. Aber in Sachen Innovation hat sich jede Menge getan. Schauen Sie sich eine Stadt wie Berlin an, in der sich eine extrem lebendige Start-up- und Innovationskultur entwickelt hat…

…die auch internationale Investoren anlockt. Wird KKR verstärkt investieren?
Wir sehen große Chancen in Deutschland, wenn es um Megatrends wie die Digitalisierung oder die Energiewende geht. Wenn man sich anschaut, wo wir in letzter Zeit in Deutschland investiert haben, dann sind viele dieser Branchen wirklich auf Technologie, Wachstum und Innovation ausgerichtet. Ein Beispiel ist Körber Supply Chain Software, eine Firma, die Software für die Steuerung von Lieferketten entwickelt. Durch das Streben nach Sicherheit in den Lieferketten sind diese heutzutage sehr komplex geworden. Diese Komplexität wird zu einem großen Teil durch Software gelöst.

Können solche Firmen in Deutschland und Europa sich entwickeln und wachsen, zum Beispiel durch Börsengänge? Oder sind sie dazu verurteilt, irgendwann von Tech-Konzernen oder Beteiligungsgesellschaften wie KKR aus anderen Regionen der Welt übernommen zu werden?
An Europas Börsen, an denen reichlich Liquidität vorhanden ist, gibt es eine enorme Nachfrage nach solchen Wachstumsgeschichten. Die amerikanischen Indizes sind viel stärker auf große innovative Wachstumsunternehmen, Softwarefirmen und Technologieunternehmen ausgerichtet. Ich denke, dass Investoren großes Interesse an dieser Ausrichtung in Europa haben.

Welches sind für KKR die spannendsten Branchen in Deutschland?
Zu Deutschlands klassischen Stärken gehört die Ingenieurskunst, egal ob es um die Automobilbranche geht oder die Industrie insgesamt. Gerade der Automobilsektor erlebt einen enormen Innovationsschub. Alles rund um das Thema Batterietechnik und Energiespeicherung ist eine große Chance, nicht nur für Deutschland, sondern für alle westlichen Länder. Die Energiewende ist eine große Chance, und Europa hat bei Überlegungen zu Klimawandel und Energiewende einen deutlichen Vorsprung gegenüber anderen Regionen der Welt.

Auch wenn Sie in Deutschland vor allem Chancen zu sehen scheinen, gibt es doch Beteiligungen, die für weniger positive Nachrichten sorgen. Seit 2019 hält KKR eine Minderheitsbeteiligung an der Mediengruppe Axel Springer. Zuletzt gab es heftige Diskussionen um Machtmissbrauch bei „Bild“ und um umstrittene Chat-Zitate von Konzernchef Mathias Döpfner. Wie passt das zu Ihrem Bekenntnis zum verantwortungsvollen Wirtschaften?
Bei allen unseren Investitionen achten wir auf gute und ethische Unternehmensführung. Axel Springer ist für uns ein gutes Investment. Die Umsetzung des strategischen Businessplans ist aus unserer Sicht sehr gut gelaufen, seit wir investiert haben. Zu weiteren Details einzelner Investitionen kann ich mich nicht äußern.

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Was bedeutet das derzeitige Umfeld für KKR, und wie verändert es Ihr Unternehmen und Ihre Strategie?
KKR ist inzwischen weit mehr als ein Private-Equity-Unternehmen. Wir sind viel breiter und deshalb besser aufgestellt als vor zehn oder 15 Jahren. Von den 510 Milliarden Dollar, die wir verwalten, stecken 165 Milliarden in unserem Beteiligungsgeschäft. Über 200 Milliarden entfallen auf Kreditstrategien, bei denen sich so große Chancen auftun wie seit zehn Jahren nicht mehr, weil Banken weltweit verhalten agieren und weniger Kredite vergeben. Darüber hinaus haben wir ein ungefähr 120 Milliarden großes Immobilien- und Infrastrukturgeschäft aufgebaut. Und was das Einsammeln von neuem Kapital angeht, haben wir den Kreis der Investoren erweitert, da immer mehr Privatpersonen ihr Geld in Private Equity anlegen wollen.

Aber bleiben wir für eine Sekunde beim Beteiligungsgeschäft. Die Stimmung ist gedrückt, der Markt beinahe eingefroren. Muss die Branche nach dem langen Boom bescheidener werden?
Die Zahl der Transaktionen geht zurück. Dafür sind zum Teil die schwierigeren Finanzierungsbedingungen verantwortlich, aber das ist nicht das, was das Transaktionsvolumen wirklich einschränkt. Im Moment liegen die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern sehr weit auseinander. Für ein Unternehmen wie unseres ist das ein wirklich interessanter Zeitpunkt.

Wie das?
Überrenditen werden in unserer Branche zum Großteil durch antizyklisches Handeln erzielt. Wenn der Markt überhitzt ist und das Kapitalangebot üppig, sollte man das Momentum eher nutzen, um zu verkaufen. Umgekehrt, wenn Kapital knapp ist und die Bewertungen fallen, ist es eher Zeit, um Zukäufe zu tätigen. Die Erfahrung zeigt, in jedem Abschwung der vergangenen 50 Jahre ließen sich hervorragende Investments machen, und wir haben jetzt 100 Milliarden Dollar für neue Beteiligungen zur Verfügung. Wie resilient die Branche für alternative Investments in schwierigen Zeiten ist, zeigt die Tatsache, dass sich die Größe unseres Unternehmens seit Ausbruch der Pandemie verdoppelt hat.

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Sie haben die Frage, ob die Private-Equity-Branche bescheidener werden muss, noch nicht beantwortet…
Das Umfeld hat jeden Investor bescheidener gemacht. Als Branche haben wir jetzt die Möglichkeit, den Wert zu zeigen, den wir für Unternehmen und die Gesamtwirtschaft schaffen. Wenn diese Unternehmen Wachstumskapital benötigen oder wenn Regierungen privates Kapital zur Unterstützung von Infrastrukturinvestitionen im Zusammenhang mit der Energiewende brauchen, kommt ein großer Teil heute aus unserer Branche.

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Wo sehen Sie derzeit die größten Risiken für KKR, aber auch für die Kapitalmärkte insgesamt?
Die größte Sorge ist im Moment wahrscheinlich das geopolitische Risiko. Wir haben in unseren Private-Equity-Funds rund 200 Beteiligungen rund um den Globus, und in jedem einzelnen Unternehmen steht das Thema Sicherheit im Mittelpunkt. Egal, ob es um die Sicherheit der Lieferketten geht, um Cybersicherheit oder um Energiesicherheit.

Die geopolitischen Spannungen, vor allem zwischen den USA und China, treffen Ihre Branche ganz konkret. Der prominente US-Wagnisfinanzierer Sequoia hat gerade deshalb sein Geschäft nach geografischen Regionen aufgespalten. Wäre das auch eine Option für Sie?
Nein. Wo immer wir investieren, haben wir einen klaren Rahmen für geopolitische Risiken. In China haben wir uns fast ausschließlich auf den Binnenkonsum und Dienstleistungen konzentriert, die uns Zugang zu den Millennials in der wachsenden Mittelklasse verschaffen. In China gibt es rund 400 Millionen Haushalte mit mittlerem Einkommen, eine Zahl, die in den kommenden Jahren auf 600 Millionen steigen wird. Die Kaufkraft dieser Menschen wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren von heute 12.700 auf 25.000 Dollar verdoppeln. Das ist eine spannende Gelegenheit für Investitionen, und das alles sind aus unserer Sicht sichere Sektoren, was geopolitische Risiken angeht.

Aber die Haltung der USA gegenüber der Volksrepublik ändert sich rapide. Können Sie eine solche Aufspaltung wirklich ausschließen?
Wir haben uns sehr darauf konzentriert zu verstehen, wo die geopolitischen Empfindlichkeiten liegen. China hat sehr klar gemacht, welche Sektoren nicht für ausländische Investoren infrage kommen, dazu gehört alles, was mit Rüstung zu tun hat, mit Medien oder dem Sammeln von Daten. Seit dem letzten G7-Gipfel ist auch klarer, welche Branchen der Westen für kritisch hält. Dazu zählen zum Beispiel Künstliche Intelligenz, Halbleiter oder Hochleistungsrechner. All diese Sektoren meiden wir.

Ein Risiko ist, dass die politischen Spannungen zwischen China und den USA eskalieren und Ihre Beteiligungen massiv an Wert verlieren, so, wie es vielen westlichen Unternehmen mit ihrem Engagement in Russland gegangen ist.
Ich denke, dass die Wahrscheinlichkeit einer Abkoppelung zwischen China und dem Westen sehr gering ist.

Das wurde über das Russlandrisiko auch lange gesagt.
Eines ist klar: Sollte es zu einer echten Abkoppelung von China kommen, wäre das eine Katastrophe für die gesamte Weltwirtschaft und der Verlust von Vermögenswerten in China wäre unsere geringste Sorge. Ich halte das aber wie gesagt für extrem unwahrscheinlich. Das Land ist ein wirklich interessanter Wachstumsmarkt und die zweitgrößte Wirtschaft der Welt, und ich glaube, es ist ein Markt, in den man investieren kann und sollte.

In diesem Konflikt zwischen China und den USA geht es auch um die nächste Technologierevolution: Künstliche Intelligenz. Gehen Sie bereits durch Ihre Portfolios, um zu ermitteln, wie disruptiv diese Revolution für die Unternehmen sein wird?
Jeder einzelne CEO in den 200 Unternehmen unserer Fonds stellt sich die Frage, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sein Geschäftsmodell sich verändern wird. Dabei geht es aber nicht nur um Risiken, sondern auch darum, wie man KI umsetzt und sich aneignet, um wettbewerbsfähig zu werden. Wir sind zum Beispiel in einen Callcenter-Betreiber in Asien investiert. Durch den Einsatz von KI kann dieses Geschäft sehr viel produktiver werden.

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Mit welcher Dynamik rechnen Sie bei dieser Entwicklung?
Wir befinden uns noch in einem sehr frühen Stadium. Die praktischen Anwendungen, die wirklich Geschäftsmodelle infrage stellen werden, beginnen sich herauszukristallisieren. Ich glaube, dass die Entwicklung schneller gehen wird, als die meisten Leute denken, angetrieben von Unternehmen, die den Anwendungsfall für ihren spezifischen Sektor oder ihre Branche entwickeln.

Das Thema betrifft auch KKR selbst. Wird eines Tages eine KI darüber entscheiden, welche Unternehmen Sie zu welchen Konditionen kaufen?
Es gibt Tausende neuer Unternehmen, die sich in der Wachstumsphase befinden. Wenn wir also verfolgen können, wer zu welchen Bewertungen und in welchen Sektoren Geld aufgenommen hat, können wir unsere Teams besser organisieren. Wenn es um große Deals mit etablierten Unternehmen geht, die wir meist seit vielen Jahren kennen, ist das eine andere Sache. Da wird es wohl mehr darum gehen, eine Due Diligence zu begleiten.

Lassen Sie uns ein wenig über die fragile Lage an den Kapitalmärkten sprechen. Immer mehr prominente Investoren warnen vor einer schmerzhaften Korrektur an den Aktienbörsen – zu Recht?
Wenn die Zeiten unsicherer und die Risiken größer werden, suchen die Investoren nach Sicherheit. Es gibt reichlich Gründe, sich Sorgen zu machen in Bezug auf die allgemeine makroökonomische Lage – von der Inflation über die Auswirkungen der Bankenkrise bis hin zu den politischen Entwicklungen um die US-Präsidentschaftswahl. Das Umfeld ist also verhaltener geworden, und die Unternehmensgewinne dürften aufgrund der höheren Zinsen und des geringeren Wachstums zurückgehen.

Skyline Frankfurt

Bae erwartet Schwankungen an den Märkten, aber keinen Crash.

(Foto: AP)

Wie stark könnte eine Kurskorrektur ausfallen?
Ich rechne mit stärkeren Schwankungen, aber nicht mit einem Crash. Wir werden eine Rotation erleben, weniger Kapital wird an die Aktienmärkte fließen, dafür mehr in festverzinsliche Wertpapiere, weil man dort eine angemessene Rendite erzielt.

Das liegt vor allem an den rasanten Zinserhöhungen der Notenbanken. Mit welchen Szenarien rechnen Sie?
In den USA sind die Leitzinsen bereits um fünf Prozentpunkte gestiegen, in der Euro-Zone um mehr als 3,5 Prozentpunkte. Weil die Inflation in Europa höher ist, gibt es hier wahrscheinlich mehr Spielraum für weitere Zinserhöhungen. In den USA wird angesichts der weiteren Verschärfung der finanziellen Konditionen damit gerechnet, dass das Wachstum zurückgeht und es eine leichte Rezession gegen Ende dieses Jahres geben wird. In Europa könnte es ebenfalls zu einer Rezession kommen, aber das bedeutet letztendlich eine niedrigere Inflation. Damit entstehen Möglichkeiten, die Zinsen erneut zu senken.

Wie könnte das konkret aussehen?
In den USA könnten die Leitzinsen von fünf Prozent auf eine Prozentzahl von rund vier Prozent und 2024 möglicherweise in den mittleren bis hohen Drei-Prozent-Bereich fallen.

Erwarten Sie, dass die Inflation auf absehbare Zeit wieder auf zwei Prozent sinken wird, den Wert, den die Fed und die EZB als Stabilitätsziel definiert haben?
Wir gehen davon aus, dass die Inflation hartnäckig und länger höher bleiben wird, eher in der Spanne von drei bis vier Prozent als bei zwei Prozent.

Herr Bae, vielen Dank für das Interview.

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