Windkonzerne kämpfen sich aus der Krise

Düsseldorf Mit Windrädern lässt sich zwar immer noch kein Geld verdienen, trotzdem zeigt sich der Marktführer Vestas vorsichtig optimistisch. „Wir haben unsere Profitabilität im ersten Halbjahr verbessert“, sagte Vestas-Chef Henrik Andersen am Mittwoch. Tatsächlich schrumpfte der Verlust von 511 Millionen im Vorjahr auf 30 Millionen Euro in den ersten sechs Monaten dieses Jahres. 

Eine Entspannung in den globalen Lieferketten, höhere Preise der Hersteller und ein gut laufendes Service-Geschäft verbesserten auch die Gewinnspanne deutlich. Mit minus 0,5 Prozent bleibt die Produktion von Windturbinen aber ein Verlustgeschäft.

Auch der Hamburger Hersteller Nordex konnte sein Ergebnis leicht verbessern, bleibt aber in den roten Zahlen. Trauriger Spitzenreiter ist Siemens Gamesa. Wegen Qualitätsproblemen musste der Mutterkonzern Siemens Energy allein im zweiten Quartal eine Minus von drei Milliarden verbuchen. Jetzt sei die falsche Zeit für Wachstumsfantasien, hatte Siemens-Energy-CEO Christian Bruch im Interview mit dem Handelsblatt gesagt. „Stabilität und Profitabilität stehen für mich vor dem Wachstum im Windgeschäft“, so der Manager.

Auch Vestas-Chef Andersen betonte, dass es jetzt darauf ankomme, Kostendisziplin zu zeigen, um die Windindustrie aus der Verlustzone zu bekommen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. 

Im vergangenen Jahr verbuchten die vier größten Windkonzerne (außerhalb Chinas) Vestas, Siemens Gamesa, GE Vernova und Nordex ein Minus von insgesamt 4,7 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr 2023 waren es schon wieder knapp zwei Milliarden – obwohl die Nachfrage nach Windrädern so hoch ist wie noch nie.

Innerhalb der vergangenen Jahre hat sich die Lage auf dem globalen Markt jedoch immer weiter zugespitzt. In mehreren Ländern wurde von festen staatlichen Vergütungen auf freie Ausschreibungssysteme umgestellt, in denen nur noch der günstigste Anbieter den Zuschlag bekommt. Das hat die Turbinenhersteller in einen ruinösen Wettbewerb getrieben.

Die Branche war zu optimistisch

Gleichzeitig ist der deutsche Markt, einer der Hauptabsatzmärkte, in den vergangenen Jahren eingebrochen. Zehntausende Stellen wurden abgebaut, Fabriken geschlossen. In den vergangenen zwei Jahren brachten Lieferkettenchaos, Corona und ansteigende Rohstoffpreise die Hersteller dann vollends an ihre Grenzen.

Vor drei Jahren haben die Turbinenhersteller angefangen, ihre Preise zu erhöhen. Der durchschnittliche Verkaufspreis ist bei Vestas zwischenzeitlich sogar von 710.000 auf 1,1 Millionen Euro pro Megawatt (MW) gestiegen. Aktuell ist Vestas mit den Preisen aber schon wieder etwas runtergegangen. Eine Megawattstunde kostet aktuell 970.000 Euro. 

„Günstige Preise haben lange gut funktioniert“, berichtet ein Brancheninsider. Mit den Krisen der vergangenen Jahre hätten sich die Erwartungen jedoch nicht erfüllt. Die Fabriken waren nicht ausgelastet, die Hersteller blieben auf den Kosten sitzen. So sind zum Beispiel die Preise für Stahl und andere Rohstoffe massiv gestiegen. 

In ihren Verträgen hatten die Turbinenproduzenten dieses Risiko nicht bedacht. „Wir sitzen immer noch auf Verträgen aus den Jahren 2020, die einfach nicht wirtschaftlich sind“, sagte Vestas-Chef Andersen am Mittwoch. 

Seit anderthalb Jahren arbeiten die Hersteller deswegen an ihrer Kostendisziplin. Verträge werden neu verhandelt, Risiken ausgelagert, Preise erhöht. Und auch weitere Werke wurden dichtgemacht. Erst im vergangenen Februar schloss der Turbinenhersteller Nordex unter lautem Protest sein Rotorblattwerk in Rostock. 

Windkraft

Die Nachfrage nach Windrädern war noch nie so hoch wie heute.

(Foto: Thomas Raupach)

„Wir haben uns extrem verbessert und erwarten, dass die zweite Jahreshälfte noch einmal besser wird“, zeigt sich Nordex-CEO José Luis Blanco überzeugt. Die steigende Inflation würde ihm gerade mit Blick auf Europa allerdings schon Sorgen bereiten. Allein im ersten Halbjahr sind die Materialkosten im Vergleich zum Vorjahr um fast 600 Millionen Euro gestiegen. Seine Investitionen hat der Hamburger Konzern deswegen im selben Zeitraum bereits um fast die Hälfte reduziert.

Gewinnwarnung bei Zulieferer

Die leichte Entspannung auf dem Windmarkt könnte außerdem schnell ins Wanken geraten. Nach dem Milliardendebakel bei Siemens Gamesa gerät auch Branchenprimus Vestas in den Fokus. Im vergangenen Monat hatte einer der Hauptzulieferer des dänischen Konzerns eine Gewinnwarnung rausgeben müssen, nachdem bei einem Rotorblatttyp höhere Inspektions- und Reparaturkosten fällig wurden als angenommen. 

„Dieses Thema steht schon seit geraumer Zeit auf der Tagesordnung, und wir arbeiten proaktiv daran“, versuchte Finanzvorstand Hans Martin Smith zu beschwichtigen. Die Rückstellungen für Gewährleistungskosten stiegen im Jahresvergleich allerdings um 39 Prozent. Aus Branchenkreisen ist zu hören, dass das Problem größer werden könnte als gedacht. 

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Weil die Hersteller sich gegenseitig alle paar Jahre mit immer leistungsstärkeren Turbinen übertrumpfen, steigen die Risiken, Mängel erst im laufenden Betrieb zu entdecken, weil schlicht die Zeit zum Testen fehlt. Erste Experten hatten deswegen sogar schon ein Ende des Technologiewettkampfes gefordert. 

Dass es zu einem Innehalten in der Windbranche kommt, ist jedoch unrealistisch. Schon warnen erste Stimmen vor der Konkurrenz aus China, die bald auf den europäischen Markt vordringen könnte. Zeit zum Durchatmen bleibt da kaum. 

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