Wie russische Oligarchen das britische Sanktionsrecht austricksen

Luxusvilla eines russischen Oligarchen in London

Das Athlone House im Norden Londons gehört dem russischen Milliardär Mikhail Fridman. Die britische Regierung erlaubt einigen russischen Oligarchen, ihre Luxusanwesen mit eingefrorenen Geldern zu unterhalten.  

(Foto: Bloomberg)

London Russische Oligarchen haben offenbar einen Weg gefunden, die Sanktionen der britischen Regierung zu unterlaufen. Demnach nutzen mehrere vermögende Russen sogenannte „Lizenzen“ der Regierung in London, um einen Teil ihres eingefrorenen Vermögens für den Unterhalt ihrer Luxusanwesen im Königreich und für hohe Anwaltskosten zu verwenden.

Dabei handelt es sich um rechtlich zulässige Ausnahmen von den Sanktionen, die aber nach Meinung von Kritikern missbraucht werden. 

„Die Beispiele zeigen, wie schwer es Großbritannien fällt, dem schmutzigen Geld der Oligarchen habhaft zu werden, nachdem man es über 20 Jahren hinweg gerne genommen hat“, sagt Bill Browder, Chef des Investmentfonds Hermitage Capital Management und prominenter Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Es gebe im Königreich noch immer eine „schlechte Willkommenskultur“, von der die Oligarchen profitierten.

Die britische Hauptstadt war lange als „Londongrad“ verschrien, weil sich russische Oligarchen vorzugsweise an der Themse niederließen und mit ihrem Vermögen einen ganzen Wirtschaftszweig aus Anwälten, Beratern und anderen Dienstleistern finanzierten. Wachsende Kritik an der dabei vermuteten Geldwäsche führte jedoch dazu, dass die britische Regierung ihre Sanktionen nach dem Brexit deutlich verschärfte.

So schätzt die Nicht-Regierungsorganisation Transparency International, dass in Großbritannien Immobilien im Wert von 1,5 Milliarden Pfund (etwa 1,74 Milliarden Euro) von Russen gekauft wurden, die der Korruption oder Verbindungen zum Kreml beschuldigt werden. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind deshalb vor allem vermögende Russen ins Visier der Öffentlichkeit geraten.

Viele Ankündigungen, aber auch viele Ausnahmen

Im Frühjahr 2022 hatte die damalige britische Außenministerin Liz Truss angekündigt, „den Druck auf Putin weiter (zu) erhöhen und die Finanzierung der russischen Kriegsmaschinerie (zu) stoppen“. Ihr Nachfolger James Cleverly legte im Juni 2023 noch einmal nach und sagte: „Heute verschärfen wir das Sanktionskonzept weiter und verstärken die Maßnahmen, um Russland daran zu hindern, von britischem Rechtswissen zu profitieren.“

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Tageszeitung „The Telegraph“ jedoch berichtet, dass der russische Oligarch Petr Aven von der Regierung die Erlaubnis bekommen habe, von seinen eingefrorenen Konten insgesamt rund eine Million Pfund für seinen luxuriösen Lebensstil abzuzweigen.

Petr Aven und Wladimir Putin im Jahr 2005

Aven leitete früher die russische Alfa-Bank.

(Foto: AP)

Aven, der früher die russische Privatbank Alfa leitete, steht auf der britischen Sanktionsliste und wird dort als „kreml-freundlicher“ Oligarch „mit Wladimir Putin in Verbindung gebracht“. Ihm werden zudem Verstöße gegen die Sanktionen vorgeworfen. 

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Ähnlich wie sein russischer Geschäftspartner Mikhail Fridman besitzt Aven mehrere Luxusanwesen in Großbritannien, darunter ein rund 25 Millionen Pfund teures Landhaus in Surrey. Nach Recherchen der „New York Times“ nutzte auch der auf der Sanktionsliste stehende Fridman die Ausnahmen im britischen Recht und erhielt im ersten Jahr nach Ausbruch des Ukrainekriegs etwa 300.000 Pfund, um sein Athlone House im Norden Londons zu unterhalten, das er 2016 für etwa 65 Millionen Pfund gekauft hatte und das heute angeblich mit Tennisplätzen, einem unterirdischen Swimmingpool, Weinkeller und Zigarrenzimmer ausgestattet ist.

Oftmals stehen die Luxusvillen leer und die russischen Eigentümer sind in Regionen geflüchtet, die ihnen freundlicher gesinnt sind. Ein Verkauf oder eine Enteignung sind jedoch oftmals rechtlich nicht möglich.

London beschlagnahmt Milliarden

Aven und Fridman bestreiten die Unterstützung des Ukrainekriegs und bezeichnen sich als „politisch neutrale“ Geschäftsleute. Die britischen Behörden sind offenbar anderer Meinung. Im Dezember 2022 meldete die russische Nachrichtenagentur Tass, Fridman sei in seinem Haus in London unter dem Verdacht der Geldwäsche verhaftet worden. 

Die britischen Behörden wollten das jedoch nicht bestätigen und erklärten lediglich, „ein 58-jähriger, wohlhabender russischer Geschäftsmann“ sei in Gewahrsam genommen worden. Mehr als 50 Beamte hatten zudem das Athlone House durchsucht. Die Staatsanwälte mussten hinterher allerdings bis auf den Verdacht der Geldwäsche die meisten Vorwürfe fallen lassen. 

Mikhail Fridman

Der russische Oligarch gilt als einer der reichsten Männer Russlands.

(Foto: AP)

Auch Avens Luxusanwesen in Surrey wurde 2022 von der britischen Polizei durchsucht. Die Beamten sollen dabei 30.000 Pfund Bargeld sichergestellt haben.

Das neugegründete „Office of Financial Sanction Implementation“ (OFSI) der britischen Regierung weist in seinem Jahresbericht darauf hin, dass zwischen Ausbruch des Krieges in der Ukraine im Februar bis Oktober 2022 russisches Vermögen im Wert von mehr als 18 Milliarden Pfund eingefroren worden sei. Allerdings wurden in den ersten sechs Monaten nach Kriegsausbruch auch mehr als 30 Lizenzen „in Verbindung mit dem russischen Regime“ erteilt. 

„Spezifische Lizenzen sind eng gefasst, um eine strikte Einhaltung zu gewährleisten“, betont ein Sprecher des britischen Finanzministeriums. Die Lizenzen sollen nach Angaben der Behörden Einzelpersonen und britische Geschäftsinteressen schützen. Solche Ausnahmen von Sanktionen gibt es zwar auch in anderen Ländern, in Großbritannien ist man nach Meinung der Kritiker aber großzügiger als anderswo.

„Die Regierung in London sollte ihr Sanktionsrecht konsequenter durchsetzen“, fordert Putin-Gegner Browder. Oliver Bullough, Sanktionsexperte vom „Committee for Legislation Against Moneylaundering in Properties by Kleptocrats“ – kurz ClampK genannt – weist zudem darauf hin, dass einige russische Oligarchen die Lizenzgelder nutzten, um damit Verleumdungsklagen gegen kritische Journalisten zu finanzieren. „Das ist ein klarer Missbrauch“, kritisiert der Bürgerrechtler.

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