Wie KI die Spielregeln im Gaming verändert

Düsseldorf, Köln Das Vorhaben von Klang Games ist ehrgeizig: eine virtuelle Welt für Millionen Spieler bauen. Das Ziel des Spiels „Seed“: den Planeten Avesta zu besiedeln. Es läuft rund um die Uhr, auch wenn die Spieler nicht am Computer sitzen – ihre Charaktere arbeiten, schlafen oder essen weiter.

Das Simulationsspiel ist voller Details – von Hochhäusern bis zur Topfpflanze, die jeden Tag gegossen werden muss. Anders als frühere „Multi-Player“-Spiele soll „Seed“ echt wirken. „Zuvor waren sie roboterhaft“, sagt Mundi Vondi, Chef von Klang Games. Um das in dieser Komplexität hinzubekommen, hat das Start-up aus Berlin ein eigenes KI-Modell entwickelt und baut derzeit Sprachmodelle wie ChatGPT ein. „Das ganze Spiel basiert auf KI“, sagt Vondi.

Im nächsten Jahr soll „Seed“ auf den Markt kommen. Das Konzept überzeugte die englische Vermögensverwaltung Kingsway Capital oder den Spielsoftwarehersteller Animoca Brands aus Hongkong, Investoren haben insgesamt 80 Millionen Dollar in die Firma gesteckt. „KI und Gaming haben eine große Zukunft“, sagt Vondi. „Die Dialoge werden echter, die Welten überzeugender.“

Künstliche Intelligenz ist das große Thema der Spielebranche, die sich seit Mittwoch auf der Gamescom in Köln trifft. Dort nehmen mehr als 1200 Firmen aus 63 Ländern teil, darunter bekannte Anbieter wie Microsoft, Nintendo oder Plain. Die wirtschaftliche Bedeutung von Gaming ist immens, laut der Beratung PwC werden dort in diesem Jahr 227 Milliarden Dollar umgesetzt.

Deutschland ist ein großer Markt für die Branche, laut dem Verband der deutschen Games-Branche spielen mehr als 34 Millionen Menschen – also fast jeder Zweite. Aber hierzulande gibt es nur kleinere Spielstudios, die meist nur Achtungserfolge vorweisen können. Die erfolgreichen Spiele wie „Call of Duty“, „Fifa 23“ oder „Nintendo Switch Sports“ stammen aus den USA oder Japan.

ChatGPT, Dall-E, Midjourney: Viele generative KI-Modelle in Games

Denn in Deutschland fehlen Fachkräfte und Entwickler. Insgesamt arbeiten 9000 Menschen in Deutschland in der Branche, Klang Games beschäftigt hundert Mitarbeiter. Doch alleine das große US-Entwicklungsstudio Activision Blizzard hat eine Belegschaft von rund 13.000 Mitarbeitern, Nintendo von mehr als 7300.

KI könnte das Kräfteverhältnis verschieben – zum Vorteil der kleineren Studios. Es macht Entwickler produktiver, der Programmieraufwand verringert sich, die Ergebnisse werden professioneller und überzeugender. Durch KI werden Unternehmen effizienter. Der Berliner Anbieter Applike spricht je nach Aufgabe vom Faktor fünf. „KI wird Gaming sehr verändern“, sagt Andreas Dengel, der geschäftsführende Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern.

Marcus Dimpfel, Partner beim Beratungsunternehmen EY Parthenon, sieht KI als Chance für deutsche Unternehmen. „Wir werden wahrscheinlich den Trend zu sehr kleinen Entwicklungsstudios sehen, die durch die Möglichkeiten der KI eine viel niedrigere Eintrittsbarriere überwinden müssen.“

Felix Falk, Vorsitzender des Verbands der deutschen Computerspielindustrie, fordert schon eine Erhöhung der Fördergelder für den Standort. Auch weil die KI nun Unternehmen die Möglichkeit gibt, mit weniger Geld stärker zu wachsen. Vom „Prototyping“, dem Entwickeln und Visualisieren der Spielideen, über das Finden von Fehlern im Code „bis zur Unterstützung beim Schreiben von Dialogen“.

Gaming: Die Programmierer werden mit KI schneller

Sogenannte generative KI-Modelle – etwa Midjourney, Dall-E oder ChatGPT – helfen, Landschaften zu designen, Code zu schreiben, Sprache und Musik zu generieren und die Spiele durch menschenähnlichere Computercharaktere reizvoller machen. „Es geht einmal komplett durch die komplette Wertschöpfungskette“, sagt Dimpfel.

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Studios sprechen öffentlich ungern über den Einsatz von KI. Rechtliche Bedenken, heißt es oft, denn: Bei den Inhalten, die mit KI-Modellen erstellt werden, ist oft die Urheberrechtsfrage nicht juristisch geklärt. Bilder werden aus vorhandenen Bildinformationen zusammengestellt, Gleiches gilt für Musik.

Konkreter wird Deutschlands wohl derzeit erfolgreichste Game-Firma Applike. Das Berliner Unternehmen entwickelt Mobilanwendungen, überwiegend Spiele. Eine halbe Milliarde Smartphones weltweit erreicht das Start-up, der Medienkonzern Bertelsmann ist beteiligt.

Applike setzt viel KI ein. Für die Spiele braucht es wiederkehrende grafische Elemente, Bäume, Flüsse oder Spielfiguren. „Man ist mit KI viel schneller in der Asset-Generierung, bevor man sich mit den Details beschäftigt“, sagt Carlo Szelinsky, Mitgründer des Unternehmens. Auch testet die Firma mit KI verschiedene Vorschaubilder und findet so heraus, „was davon die Spieler anspricht“.

Applike-Mitgründer Carlo Szelinsky

Eine halbe Milliarde Smartphones weltweit erreicht das Start-up.

(Foto: Applike)

Auch beim Coding, also dem Programmieren von Spielinhalten und der Architektur der Apps, verändert KI viel. Gerade ChatGPT und andere Sprachmodelle haben hier ihre Stärken, aber eher als Copilot, sagt Szelinsky. Dadurch, dass sie Wahrscheinlichkeiten berechnen, können sie wiederkehrende Code-Schnipsel schnell vervollständigen. Auch verbessern sich die Modelle ständig. „Mit dem Github-Copilot etwa kann man einen Junior-Programmierer auf die Geschwindigkeit eines Seniors bekommen“, sagt Szelinsky.

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Mittlerweile hat auch das Hamburger Studio Innogames die KI in die Entwicklungsumgebungen integriert: „Sie wird zur Lösungsfindung befragt und generiert im Dialog Algorithmen und Programmcode“, sagt Thomas Lehr, Head of Software Development bei Deutschlands größtem Spielehersteller.

KI: Bessere NPCs versprechen höhere Umsätze

Was KI nicht kann, da sind sich die Unternehmen sehr einig: Mitarbeitende ersetzen. „Ich vertrete stark die Meinung, dass es immer Menschen geben muss, die die Ergebnisse der KI kontrollieren“, sagt Applike-Mitgründer Szelinsky.

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KI-Modelle liefern eher Arbeitsgrundlagen als fertige und nutzbare Projekte: „Wenn ich die KI auf Daten bestimmter Spiele trainiere, werde ich immer ähnliche Spiele herausbekommen“, sagt Lehr von Innogames. Es brauche menschliche Kreativität, Lehr sieht vor allem im optischen Bereich immer noch „das geschulte Auge eines Grafikers“ vonnöten.

KI eignet sich ausgezeichnet für das Entwickeln von neuen Spielen, für Konzepte und Entwürfe von Spielen. „In vielen Fällen kommen wir nicht nur schneller zum Ergebnis, sondern auch zu höherer Qualität“, sagt Lehr.

Beispiel Twitch: KI als Moderator

Für Experte Dimpfel liegt dabei die größte Chance bei den computergenerierten Figuren, den sogenannten Non-Player Characters (NPCs). „Wenn Entwickler diese wirklich mit Intelligenz versehen können, etwa indem sie NPCs Charakterzüge und Verhaltensweisen aus sozialen Netzwerken lernen lassen, wenn sie also wirklich menschlich wirken – das ist buchstäblich ein Gamechanger.“

Denn die NPCs sind laut Experten ein maßgeblicher Faktor für Nutzer, sich länger mit einem Spiel zu beschäftigen. KI ermöglicht ganz neue Spiele, ist sich Innogames-Entwickler Lehr sicher: „Die Projekte werden insgesamt immer größer und anspruchsvoller.“

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