Wie gefährlich ist das Fukushima-Kühlwasser für deutsche Verbraucher?

Tokio, Berlin Ungeachtet großer Sorgen unter Fischern und Nachbarstaaten leitet Japan ab diesem Donnerstag aufbereitetes Kühlwasser aus der Atomruine Fukushima ins Meer ein – vorausgesetzt, das Wetter macht mit. Die Regierung von Ministerpräsident Fumio Kishida begründet das damit, dass auf dem Gelände der Atomruine der Platz ausgehe, um Kühlwasser zu lagern. Dadurch würden Stilllegungsarbeiten behindert. Der Betreiber Tepco erklärte zudem, es bestehe die Gefahr eines Lecks.

Das radioaktive Abwasser wird zuvor gereinigt, sodass es bei der Einleitung nur noch Tritium enthält, was von Experten als wenig gefährlich bewertet wird.

Sollten vor der Küste Japans Fischbestände radioaktiv belastet werden, könnte das in der Folge theoretisch auch deutsche Verbraucher betreffen, die importierten Fisch aus der Region kaufen.

Doch das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) beruhigt: „Die Einleitung tritiumhaltiger Abwässer entsprechend der Genehmigung der zuständigen japanischen Behörde ist aus Sicht des Strahlenschutzes unbedenklich“, teilten die BfS-Experten auf Anfrage des Handelsblatts mit. 

Sie sei so konzipiert, dass „nur eine geringe Erhöhung des Tritiumgehalts in Nahrungsmitteln aus dem Meer zu erwarten ist und der niedrige Grenzwert von 50 Mikrosievert pro Jahr für die japanische Bevölkerung selbst unter ungünstigen Umständen eingehalten wird“. Entsprechend seien auch „die Auswirkungen auf Deutschland zu vernachlässigen“, schlussfolgert das BfS. 

Proteste gegen Kühlwasser-Ableitung in Japan

Ungeachtet großer Sorgen unter Fischern und Nachbarstaaten beginnt Japan mit der umstrittenen Einleitung aufbereiteten Kühlwassers aus der Atomruine Fukushima ins Meer.

(Foto: dpa)

Tritium ist ein Wasserstoff-Isotop, also eine Variante von Wasserstoff. Obwohl es radioaktiv ist, ist seine Gefährlichkeit nicht mit der von anderen Strahlen zu vergleichen. Gelangt es in den Körper, wird es kaum im Gewebe gebunden. Das Tritium, das nicht gebunden ist, scheidet der Körper nach einigen Tagen wieder aus.

Tepco, der Betreiber des AKW, rechnet mit einer zusätzlichen Strahlenbelastung von 2,1 bis 30 Nanosievert pro Jahr durch das eingeleitete Kühlwasser.

Zur Einordnung: Schon die Strahlenexposition aus natürlichen Quellen beträgt in Deutschland im Mittel 2100 Mikrosievert pro Jahr – und kann Werte von 10.000 Mikrosievert erreichen. „Eine Strahlenexposition in Höhe von einigen zehn Mikrosievert pro Jahr wird international im Strahlenschutz als vernachlässigbar eingestuft“, schreibt das BfS.

Im AKW Fukushima Daiichi war es im März 2011 in Folge eines schweren Erdbebens und gewaltigen Tsunamis zu Kernschmelzen gekommen. Die Reaktoren müssen weiter mit Wasser gekühlt werden, das in mehr als 1000 riesigen Tanks gelagert wird.

Wasser soll verdünnt werden

Die mehr als 1,3 Millionen Tonnen Wasser sollen nun über einen eigens hierzu in den Pazifik gebauten, einen Kilometer langen Tunnel ins Meer geleitet werden. Dies wird voraussichtlich etwa 30 Jahre dauern. 

>> Lesen Sie hier: Warum Japans Kühlwasser-Plan für Ärger in der Region sorgt

Vor der Verklappung im Pazifik wird das belastete Kühlwasser zunächst aufbereitet. Dabei werden laut BfS alle Radionuklide, also instabile Atomsorten, deren Kerne radioaktiv zerfallen, außer Tritium weitgehend entfernt.

Zudem wird das Abwasser mit Meerwasser verdünnt. Das Kühlwasser gelangt so mindestens 100-fach verdünnt ins Meer. Eine Tritiumkonzentration von 1500 Becquerel pro Liter im verdünnten Abwasser werde so nicht überschritten. Das ist nach Angaben des Betreibers Tepco weniger als ein Vierzigstel der nationalen Sicherheitsnorm.

Atombehörden stimmten der Einleitung des Kühlwassers zu

Genehmigte Ableitungen von Radionukliden mit Luft und Wasser seien auch bei Kernkraftwerken im Normalbetrieb nicht ungewöhnlich, erläutert das BfS. So leiteten etwa China und Nordkorea ein Vielfaches der Tritiummengen ins Meer, um die es in Fukushima geht.

>> Lesen Sie hier: IAEA hält Japans Plan zur Kühlwasser-Verklappung in Fukushima für sicher

Zum Vergleich: 2016 betrug die Ableitung von Tritium mit dem Abwasser aus allen deutschen Kernkraftwerken nach Angaben des BfS in Summe rund 100 Terabecquerel, also 100 Billionen Becquerel.

Japans Atomaufsichtsbehörde hatte kürzlich grünes Licht gegeben, nachdem zuvor auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) den Verklappungsplänen zugestimmt hatte. Japan erfülle die internationalen Sicherheitsstandards, hieß es dort. 

Japans Fischereiverbände befürchten jedoch, dass der Ruf ihrer Erzeugnisse weiter beschädigt wird. Sie versuchen sich seit dem Super-GAU geschäftlich zu erholen.

Japanischer Fisch in Hongkong

Hongkong hat die Einfuhr von Meeresfrüchten aus einigen japanischen Präfekturen wegen der Einleitung des Kühlwassers verboten.

(Foto: dpa)

Der Betreiberkonzern Tepco will in dem noch bis Ende März nächsten Jahres laufenden Geschäftsjahr insgesamt 31.200 Tonnen des aufbereiteten Kühlwassers in vier Schüben ins Meer ableiten, berichtete die japanische Tageszeitung „Asahi Shimbun“.

Dies entspreche in etwa dem Inhalt von 30 der mehr als 1000 Tanks, hieß es.

Umweltaktivisten protestieren gegen die Pläne der Regierung

Die Fischer sind nicht die einzige Gruppe mit Sorgen. „Wir sind zutiefst enttäuscht und empört über die Ankündigung der japanischen Regierung, radioaktiv belastetes Wasser in den Ozean zu leiten“, sagte Hisayo Takada von der Umweltschutzgruppe Greenpeace Japan. Die Regierung habe sich über die Bedenken von Fischern, Bürgern und der internationalen Gemeinschaft, insbesondere in der Pazifikregion und den Nachbarländern, hinweggesetzt.

„Anstatt die Mängel des aktuellen Stilllegungsplans, die andauernde Atomkrise und den massiven Bedarf an öffentlichen Mitteln anzuerkennen, beabsichtigt die japanische Regierung, weitere Atomreaktoren wieder in Betrieb zu nehmen“, erklärte Greenpeace in einer Stellungnahme.

China und Russland, die sich ebenfalls gegen die Verklappung im Meer aussprechen, drängten nach Informationen der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo Tokio kürzlich gemeinsam dazu, stattdessen eine Entsorgungsstrategie durch Verdampfung in Erwägung zu ziehen.

Eine Verdampfung des Wassers und seine Freisetzung in die Atmosphäre habe geringere Auswirkungen auf die Nachbarländer als die Einleitung ins Meer, zitierte Kyodo aus einem Tokio vorgelegten Dokument.

Mit Agenturmaterial.

Mehr: Japan plant Bau weiterer Atomkraftwerke

source site-12