Wie China aus Brics ein Gegengewicht zum Westen bilden will

Salvador, Kapstadt, Düsseldorf, Tel Aviv Chinas Präsident begibt sich nicht oft ins Ausland, dieses Format ist ihm aber wichtig: Ab diesem Dienstag ist Xi Jinping auf dem dreitätigen BRICS-Gipfel in Johannisburg präsent. Die Gruppe mit Brasilien, Russland, Indien und Südafrika sehen die Chinesen als Kern eines Bündnisses, das nicht weniger erreichen soll als eine neue Weltordnung – unabhängig von den westlich dominierten Institutionen und dem US-Dollar.

Große, aufsteigende Volkswirtschaften will Xi um sich scharen. Und sie scheinen Schlange zu stehen. Allein aus Afrika sollen über 30 Staats- und Regierungschefs anreisen. Mehr als 20 Staaten hätten formell die Aufnahme in den BRICS-Bund beantragt, sagte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa am Sonntag.

Ein besonders interessanter Beitrittskandidat wäre Saudi-Arabien. Denn die BRICS-Staaten verfolgen ihre Ziele vor allem über die Neue Entwicklungsbank (NDB), die wie der Internationale Währungsfonds (IWF) Förderkredite vergibt.

Saudi-Arabien ist zwar kein Schwellenland wie die bisherigen BRICS-Staaten, sondern durch den jahrzehntelangen Verkauf von Öl zu Reichtum gekommen. Doch gerade darum könnte eine enge Kooperation funktionieren. Saudi-Arabien könnte frisches Kapital in die NDB einbringen. Insbesondere seit NDB-Gründungsaktionär Russland wegen seines Angriffskriegs gegen die Ukraine weitgehend ausfällt, wäre das wichtig.

Zu den weiteren Interessenten zählen etwa Argentinien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Algerien, Ägypten, Iran, Kuwait, Bangladesch, Venezuela und Thailand. Ob sich der BRICS-Bund um einige dieser Staaten vergrößert, ist eine der zentralen Fragen des Gipfels. Möglich wäre auch ein lockeres Bündnis „BRICS plus“.

Chinas Vision ist es, dass möglichst viele Staaten ihren Handel nicht mehr in US-Dollar abrechnen. Solange der Dollar die Weltwirtschaft bestimmt, liegt viel Macht bei der Federal Reserve (Fed) in den USA. Brasilien und China haben bereits miteinander vereinbart, ihre jeweiligen Landeswährungen zu nutzen. Auch Saudi-Arabien und Indonesien wollen eine Abkehr vom Dollar.

Weit hinter dem eigenen Anspruch

Noch allerdings werden die Geschäfte zwischen den BRICS-Staaten zu 84,3 Prozent in US-Dollar abgewickelt, in Yuan nur zu 4,5 Prozent. Es gab früher zwar einmal die Idee einer eigenen BRICS-Währung, doch davon ist kaum mehr die Rede.

Auch sonst bleibt das BRICS-Bündnis hinter jenen Erwartungen zurück, die bei der Gründung vor 14 Jahren formuliert worden waren.

Mit einem Finanzierungsvolumen von 33 Milliarden Dollar hat die in Shanghai ansässige NDB seit 2015 so viel finanziert, wie die Weltbank allein im vergangenen Jahr an neuen Krediten vergab. Gerade hat die NDB Finanzierungen aller Projekte in Russland gestoppt, vermutlich um ihrerseits Sanktionen zu vermeiden, sagt Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Der Anteil der BRICS-Staaten an der Weltwirtschaftsleistung ist zwar gestiegen, allerdings liegt das vor allem am Aufstieg Chinas, die anderen Staaten konnten nicht mitziehen. Entsprechend deutlich wird das Format mittlerweile auch von China dominiert.

China als Sprecher eines globalen Südens – so würde man es in Peking gerne sehen. „China macht kräftig Druck, um die drei kleineren Partner dazu zu bewegen, die politische Front zu verstärken“, sagt Maihold.

Doch Indien und Brasilien sind wenig begeistert von den Plänen Chinas. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva fürchtet, dass bei einer Erweiterung der BRICS-Gruppe der Einfluss Brasiliens weiter schrumpfen würde. Ähnlich wird es wohl in Indien gesehen. Ob Präsident Narendra Modi überhaupt zum Gipfel anreisen würde, war bis zuletzt offen.

Südafrika will die Differenzen überbrücken

„Brasilien, Indien und Südafrika würden durch eine Aufnahme neuer Mitglieder ihren eigenen Status gefährdet sehen“, sagt Maihold. „Sie bevorzugen eine Erweiterung in Form von abgeschwächten Mitgliedschaften.“

Möglicherweise auf Druck Chinas setzt sich nun aber auch Südafrika für eine Erweiterung ein. Präsident Ramaphosa begründete dies damit, dass weitere Mitglieder zu einer ausgewogeneren globalen Ordnung führen würden – als Alternative zu den derzeit vorhandenen finanziellen und politischen Institutionen.

In einer Rede am Sonntagabend versuchte er einen Balanceakt: Auf der einen Seite stellte er sich in der BRICS-Erweiterungsfrage an die Seite Chinas und Russlands. Auf der anderen Seite betonte er, wie wichtig ihm die freundschaftlichen Bande zum Westen seien. Zum Jahresende will er einen EU-Afrika-Gipfel ausrichten.

Dabei ist noch unklar, ob Südafrika vom Westen für eine angebliche Lieferung von Waffen an Russland sanktioniert wird. Als im Mai entsprechende Meldungen bekannt wurden, wertete der südafrikanische Rand gegenüber Dollar und Euro ab. Seitdem betont Südafrika immer wieder seine blockfreie Position und setzt sich für eine friedliche Lösung des seit 18 Monate währenden Kriegs in der Ukraine ein.

Gipfelvorbereitungen

Für Südafrika bedeutet das Treffen einen Prestigegewinn.

(Foto: IMAGO/UPI Photo)

Nun ist es Ramaphosas Aufgabe, als Gastgeber die Differenzen innerhalb der BRICS-Gruppe zu überbrücken. Ein erfolgreicher Gipfel würde für ihn einen wichtigen Prestigegewinn bedeuten. Zumindest könnte er dafür sorgen, dass sich die BRICS-Staaten auf Beitrittskriterien einigen.

Aber welche könnten das sein? Am Anfang einte BRIC – damals noch ohne Südafrika – ein Aufstiegsnarrativ. Doch in den vergangenen Jahren sind Brasilien, Russland und Südafrika weniger als ein Prozent jährlich gewachsen. Geeint werden die Staaten vor allem durch ihr Interesse an einem transformierten internationalen Finanzsystem.

Nur wenige gemeinsame Interessen

In Südafrika ist man skeptisch, ob sich auf dieser Basis Fortschritte erreichen lassen. Der südafrikanische Politikkommentator Anthony Butler sagt, zum einen kämpfe die Gruppe seit Jahren damit, ihr Potenzial in konkrete Aktionen umzusetzen. Zum anderen sei nach den Erfahrungen der Vergangenheit damit zu rechnen, dass eher wenig bis gar nichts entschieden werde. Für eine Erweiterung bräuchte es ein einstimmiges Votum.

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Tim Cohen, Wirtschaftschef des südafrikanischen „Daily Maverick“, gibt zu bedenken, dass die Mitglieder oft sehr unterschiedliche Interessen verfolgten und stark unterschiedliche Volkswirtschaften hätten. Die größte Gemeinsamkeit liege in dem Ziel, Alternativen zur ordnungspolitischen und weltanschaulichen Dominanz des Westens zu entwickeln.

Dass BRICS überhaupt überlebt habe, liege am „Multilateralismus à la carte“, wie es Politikexperte Maihold nennt: Die Staaten nutzen die Gruppe, wenn dies mit ihren Interessen zusammenpasst, etwa für die geopolitische Aufwertung oder wenn sie Kredite bei der NDB für Infrastrukturprojekte aufnehmen. Andererseits können sie sich auf ihre bilateralen Beziehungen zurückziehen, die sie weltweit unterhalten.

Wie sollte sich der Westen BRICS gegenüber verhalten? In den USA wird zuweilen diskutiert, das Bündnis zu bekämpfen oder eine Spaltung anzustreben. Maihold hält davon wenig: „Wenn BRICS und andere Entwicklungsländer darum bemüht sind, eine führende Rolle bei der Gestaltung der Globalisierung und der Weltordnungspolitik zu spielen, sollten diese Bemühungen proaktiv aufgenommen werden“, sagt er.

Die G7-Staaten sollten versuchen, informelle Kontakte zur BRICS-Gruppe zu etablieren. Eine mögliche Zusammenarbeit böte sich an bei Themen, die von der geopolitischen Konkurrenz weniger betroffen sind, etwa Umwelt- und Klimafragen oder globale Gesundheitspolitik.

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