Werbeflaute: RTL senkt Jahresprognose

Düsseldorf Der TV-Sender RTL Deutschland leidet unter den schwachen Werbemärkten. Der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen brach in der ersten Jahreshälfte um 91,6 Prozent ein – auf nur noch 16 Millionen Euro. Der Umsatz schrumpfte um fast sechs Prozent auf 1,2 Milliarden Euro, teilte die Bertelsmann-Tochter am Dienstag mit.

RTL Deutschland ist das wichtigste Geschäft der Luxemburger RTL Group. Die Gruppe hat wegen der schwachen Werbebuchungen auch ihre Jahresprognose gesenkt. Der Gewinn soll mit 950 Millionen Euro niedriger ausfallen als bislang mit gut einer Milliarde Euro erwartet.

Diese jüngsten Zahlen verfestigen einen Trend: Deutschlands private TV-Sender geraten zunehmend unter Druck. Erst vergangene Woche vermeldete RTL-Konkurrent Pro Sieben Sat 1 für das erste Halbjahr einen Gewinneinbruch von 50 Prozent. Die Aktie der Münchener hat seit Jahresbeginn knapp sechs Prozent eingebüßt, die der RTL-Gruppe um fast fünf Prozent. Beide Firmen haben Stellenstreichungen angekündigt.

Experten erwarten dieses Jahr insgesamt nur ein Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent. Und angesichts der trüben Aussichten, der hohen Inflation und der zurückhaltend einkaufenden Verbraucher sparen viele Unternehmen oft zuerst am Marketing. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft bezeichnet 2023 gar als „Risikojahr“.

Das trifft die werbefinanzierten TV-Sender hart. Die RTL-Gruppe erzielt über 40 Prozent ihrer Umsätze durch Werbung. „Der deutsche Werbemarkt hat sich so schwach entwickelt wie kein anderer der großen in Europa“, sagte RTL-Chef Thomas Rabe am Dienstag. Verglichen mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 betrage das Minus 25 Prozent.

Erholung der Werbemärkte erst im vierten Quartal

Für das zweite Halbjahr erwartet RTL stabile bis leicht wachsende Werbeumsätze. Seit Juni hätten sich die Buchungen stabilisiert, dennoch dürfte das dritte Quartal rückläufig sein, so Rabe. Er rechnet aber zum Jahresende mit Wachstum: „Bei den Buchungen für das vierte Quartal gibt es eine gewisse Dynamik, die positiv ist.“

RTL-Logo

Der Gewinn von RTL Deutschland ist eingebrochen.

(Foto: dpa)

Die Zeit vor Weihnachten gilt im Werbegeschäft traditionell als wichtigste und umsatzstärkste Zeit, da sie auch die konsumstärkste ist. Zusätzliches Potenzial bietet die Vorweihnachtszeit im Vergleich zum Vorjahr. Im vergangenen Dezember hatten Privatsender darunter gelitten, dass die öffentlich-rechtlichen Sender die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar übertrugen – und damit viele Werbekunden angezogen hatten.

RTL blickt aber pessimistischer nach vorn als Pro Sieben Sat 1. Dessen Finanzvorstand Martin Mildner erwartet im zweiten Halbjahr „eine Erholung unseres Werbegeschäfts und damit deutliche Aufholeffekte bei Umsatz und Ergebnis“, sagte er vergangene Woche.

Der deutsche Werbemarkt hat sich so schwach entwickelt wie kein anderer der großen in Europa. RTL-Chef Thomas Rabe

Einer raschen Erholung der Werbemärkte erteilte die britische Agenturgruppe WPP, der weltweite Marktführer in der Werbewirtschaft, einen Dämpfer. Das Unternehmen schraubte jüngst seine Wachstumsprognose herunter und ist „für den Rest des Jahres nervös, weil wir keine Klarheit erhalten, wie es weitergeht“.

Verkäufe von Gruner+Jahr-Titeln laufen „ordentlich“

RTL nimmt auch weniger Gewinn in Kauf, weil die Kölner mehr Geld in Inhalte, Technik und Marketing ihrer Streaming-Plattform RTL+ (früher TV Now) investieren. Das scheint sich auszuzahlen: Die Zahl der Abonnenten stieg innerhalb der vergangenen zwölf Monate um 31 Prozent auf 4,49 Millionen.

Schon längst wollte der Konzern mit RTL+ auch eine Multimedia-App geschaffen haben, in der Filme und Serien von RTL, Hörbücher und Musik, aber auch Magazine des zu RTL gehörenden Verlags Gruner+Jahr (G+J) zu finden sind. Technische Probleme hatten das verzögert. Rabe kündigte an, diese Funktionen in den kommenden Wochen auszurollen.

Mehr Streamer

4,49

Millionen Abonnenten

hat die Streaming-Plattform RTL+ inzwischen – 31 Prozent mehr als noch vor einem Jahr.

Rabe war zu Jahresbeginn in die Schlagzeilen geraten, weil er 700 der 1900 Stellen bei dem Hamburger Traditionsverlag G+J gestrichen hatte. 45 von 58 Marken und Magazinen werden verkauft oder eingestellt, nur Kerntitel wie „Stern“, „Geo“ oder „Capital“ bleiben bestehen. Hinzu kommt der Abbau von 300 Stellen in der Kölner Zentrale. Konkurrent Pro Sieben Sat 1 streicht mit 400 Stellen ein Zehntel der Jobs.

>> Lesen Sie auch: Jeder zehnte Arbeitsplatz fällt weg – Pro Sieben Sat 1 will 400 Stellen streichen

Rabe zeigte sich zuversichtlich, die Verkäufe der G+J-Magazintitel im Sommer abschließen zu können. Er erwartet „ordentliche Erlöse im niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbereich“. Man habe die Magazine nicht abgegeben, weil sie nicht gut seien, sondern weil sie nicht mehr zur Strategie passten.

RTL hat die Wissensmarke „P.M.“, den Wirtschaftstitel „Business Punk“ oder das Hochglanzmagazin „Salon“ verkauft. Die Verhandlungen zu den Titeln „11 Freunde“ und „Art“ seien weit, so Rabe. Laut Beobachtern könnte der „Spiegel“ daran interessiert sein.

Rabe bleibt länger RTL-Deutschlandchef als gedacht

Am Dienstag gab Rabe auch bekannt, länger in der Geschäftsführung von RTL Deutschland zu bleiben. Er hatte sich vergangenen Sommer zum Geschäftsführer erklärt. Das brachte ihm Kritik ein, weil er zeitgleich Chef der RTL Group und der Konzernmutter Bertelsmann ist. Zunächst wollte er das Amt in Köln bis diesen Sommer, dann bis Jahresende behalten.

Der 58-Jährige sagte auf Nachfrage, den Job „bis auf Weiteres und ohne Frist“ ausführen zu wollen. Er habe eine fünfköpfige Geschäftsführung aufgebaut, die die Arbeit überwiegend leiste. Er übernehme zunehmend eine chairmanähnliche Rolle, bei der er unterstütze und begleite. „Wir halten es nicht für sinnvoll, in dieser herausfordernden Zeit, die Struktur zu ändern“, so Rabe. Kritiker werfen dem Manager vor, Posten nicht abgeben zu können.

Mehr: 19 Prozent Umsatzplus: Größte Werbeagentur Europas trotzt der Werbeflaute

source site-12