Warum sich China und Taiwan jetzt um Mangos streiten

Mango-Markt in der taiwanesischen Stadt Tainan

China ist der zweitgrößte Importeuer von Mangos aus dem Land. Jetzt bleiben Taiwans Mango-Bauern auf den Früchten sitzen.

(Foto: Bloomberg)

Tokio Militärübungen mit Kampfflugzeugen, Cyberangriffe, Gewaltandrohungen: Die Staatsführung in Peking schreckt im Konflikt mit Taiwan vor großen Provokationen nicht zurück. Doch beim neuesten Streitpunkt geht es zumindest auf den ersten Blick um etwas kleines, und zwar die Mango.

China ist der zweitgrößte Importeuer der Früchte aus Taiwan. Jetzt verbot der chinesische Zoll die Einfuhr von Mangos aus dem Inselstaat, den China als Teil des eigenes Staatgebiets betrachtet. Offiziell nannten die Zöllner den Befall mit Schildläusen als Grund. Erst wenn die taiwanesischen Produzenten ihre Quarantänemaßnahmen verbessert hätten, dürften die Früchte wieder importiert werden.

Was zunächst harmlos nach Verbraucherschutz klingt, verstehen Beobachter als Wirtschaftssanktion, mit der Peking eine Botschaft an Taiwan sendet.

Anlass ist in diesem Fall die Amerikareise des taiwanischen Vizepräsidenten Lai Ching-te. Er hatte vergangene Woche auf dem Weg nach Südamerika einen Zwischenstopp in den USA eingelegt. China hatte zunächst heftig protestiert und nach Lais Rückkehr mit einem Militärmanöver und dann dem Mango-Bann reagiert.

Für den US-Strategen Christopher Sharman ist das kein Zufall. „Sowohl die Kampfflugzeuge der Volksbefreiungsarmee als auch die Mangos sind Zwangsmittel, die China einsetzt, um Taiwan für den Transit seines Vizepräsidenten durch die USA nach Paraguay in der vergangenen Woche zu bestrafen“, erklärt er in einer Analyse.

Der Experte sieht in dem Einfuhrverbot einen gezielten Schlag gegen die regierende Demokratische Fortschrittspartei, die Taiwan als de facto autonom betrachtet und einen chinakritischen Kurs verfolgt. Denn das Importverbot trifft kurz vor Taiwans Präsidentschaftswahlen im Januar 2024 vor allem die Bauern im Süden des Landes, der politischen Hochburg der Regierungspartei.

Lai Ching-te

Auf dem Weg nach Südamerika machte der taiwanesische Präsidentschaftskandidat und Vizepräsident einen Zwischenstopp in den USA.

(Foto: AP)

Auch der Wahlkreis Lais, des Präsidentschaftskandidaten der Regierungspartei, liegt dort. Sharman urteilt daher: „Die Volksrepublik China setzt wirtschaftliche Instrumente als Skalpell ein, um Lai und die Basis seiner Unterstützung zu untergraben.“

Peking hofft auf Niederlage Lais‘ bei den Präsidentschaftswahlen

Mit dem Einfuhrverbot droht den taiwanesischen Landwirten ein wichtiger Absatzmarkt wegzubrechen. Zwar machen die Exporte nur etwas mehr als 4000 Tonnen der Mangoproduktion aus, die derzeit auf mehr als 170.000 Tonnen geschätzt wird. Doch mit einem Anteil von 24 Prozent lag China unter den Abnehmer-Ländern in den ersten sieben Monaten des Jahres an zweiter Stelle hinter Hongkong.

Auch geopolitisch ist der kleine Mango-Konflikt brisant. Bei den Wahlen stehen Lai zwei Kandidaten konservativer Parteien gegenüber, die für eine Annäherung an China eintreten. Peking erhofft sich daher von einer Niederlage Lais‘ zumindest eine größere Distanz zwischen Taiwan und den USA, wenn nicht gar eine Wende im jahrzehntelangen Konflikt um die Zukunft des Inselstaates.

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Unter Staatschef Xi Jinping fordert China immer offensiver den Anschluss Taiwans an die Volksrepublik – beziehungsweise eine „Wiedervereinigung“, wie es China offiziell nennt. Peking droht sogar mit Krieg, vor allem wenn Taiwan offiziell seine Unabhängigkeit erklären sollte. Das verschärft den Konflikt mit den USA.

>> Lesen Sie hier: Wettstreit der Supermächte – Hängen die USA jetzt China ab?

Zwar erkennen die USA im Rahmen ihrer offiziellen Ein-China-Politik seit den 1970er-Jahren an, dass es nur ein China gibt, inklusive Taiwan, Hongkong und Macau. 1979 sicherte die US-Regierung der Insel im „Taiwan Relations Act“ allerdings Beistand gegen Angriffe zu. Mit Blick auf den wachsenden Druck aus China erhöht Washington nun seine Waffenlieferungen und stärkt Taiwan auch diplomatisch.

Das Importverbot für Mangos ist nicht der erste Versuch Chinas, seinen vermeintlichen Anspruch mit wirtschaftlichen Mittel durchsetzen zu wollen. Den größten Schaden richteten bislang Reiseverbote für chinesische Touristengruppen an. In den vergangenen Jahren wurden auch landwirtschaftliche Produkte ins Visier genommen.

Chinas Anteil an Agrarexporten aus Taiwan sinkt

2021 verbot China die Einfuhr von Wachsäpfeln und Ananas. Im Jahr 2022 folgte kurz vor dem Taiwanbesuch der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ein umfassender Importstopp für mehr als 2000 Lebensmittel. Diese Formen des Handelskriegs haben neben den geringen Auswirkungen auf China selbst den Vorteil, dass sie sich leicht als administrative Maßnahmen darstellen und gut anpassen lassen.

So ist Chinas Anteil an Taiwans Agrarexporten nach Angaben des taiwanesischen Landwirtschaftsministeriums mittlerweile auf 9,1 Prozent gesunken, den niedrigsten Wert seit Beginn der Handelsbeziehungen zwischen der Insel und der Volksrepublik.

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