Warum Adidas unter dem neuen Chef bislang nur kleine Fortschritte macht

München Auch unter dem neuen Konzernchef Björn Gulden verliert der Adidas-Konzern noch Boden im Vergleich zur Konkurrenz. Während die Wettbewerber teils deutlich zulegten, stagnierten die Umsätze beim Dax-Konzern im zweiten Quartal, das Betriebsergebnis ging deutlich zurück. Gulden betonte am Donnerstag bei Vorlage der Zahlen, dass die Wende Zeit brauche: „Im Jahr 2023 geht es nicht darum zu versuchen, kurzfristige Ergebnisse zu präsentieren.“

Er wolle das laufende Jahr nutzen, um die Vorratsbestände zu bereinigen, an neuen Produkten zu arbeiten, die Prozesse zu verbessern und bessere Partnerschaften aufzubauen. So solle der Grundstein „für ein besseres Jahr 2024 sowie ein gutes und profitables Unternehmen Adidas in den Jahren 2025 und 2026“ gelegt werden.

Der frühere Puma-Chef hatte die Führung des zweitgrößten Sportartikelkonzerns der Welt, der in der Krise steckt, zum Jahreswechsel übernommen. Dass die Trendwende nicht schneller vorankommt, hat eine Reihe von Gründen.

1. Das „Yeezy”-Problem ist gelöst – doch es muss Ersatz gefunden werden

Gulden sei schon immer ein Manager gewesen, der die Probleme nacheinander angehe, sagt ein Insider. Das dringlichste, das er bei seinem Amtsantritt vorfand, hat der Norweger daher als erstes gelöst: Die Restbestände von „Yeezy”-Produkten aus der gestoppten Kooperation mit dem US-Skandalrapper Kanye West werden in mehreren Wellen verkauft.

„Mit dem Abverkauf der augenscheinlich noch immer gefragten Sneaker und der Verpflichtung von Adidas, einen Teil der Erlöse an Organisationen zu spenden, die sich gegen Rassismus und Antisemitismus einsetzen, ist Gulden die Lösung dieses Problemfalls elegant geglückt“, sagt Michael Lichtinger, Konsumgüterexperte bei der Managementberatung Atreus.

Ein erstes Verkaufsaktion im Mai war sehr erfolgreich und brachte 400 Millionen Euro Umsatz ein. Im zweiten Quartal gelang es so immerhin, die Konzernerlöse bei 5,2 Milliarden Euro zu stabilisieren. Deshalb konnte Adidas die Prognose für das laufende Jahr anheben: Gulden erwartet nun nur noch einen Umsatzrückgang im mittleren einstelligen Prozentbereich, auch der Verlust soll kleiner ausfallen.

„Yeezy“-Schuhe

Die Restbestände aus der gestoppten Kooperation mit dem US-Skandalrapper Kanye West werden in mehreren Wellen verkauft.

(Foto: dpa)

Doch werden künftig die Erlöse aus einer der erfolgreichsten Kooperationen in der Geschichte der Sportartikelindustrie fehlen. In guten Zeiten erzielte Adidas weit mehr als eine Milliarde Euro im Jahr mit „Yeezy”-Produkten. „Es wird nicht die eine Kooperation geben, die das ersetzen kann“, sagt ein Adidas-Manager.

Nach Einschätzung von Managementberater Lichtiger muss Adidas „wieder proaktiv eigene Impulse setzen und sich auf das operative Kerngeschäft sowie das Vorantreiben strategischer Projekte konzentrieren“, um die Einbußen zu ersetzen.

2. Die aktuellen Produkte stammen in der Regel noch aus der Ära Rorsted

Die aktuellen Produkte des Konzerns wurden noch unter Guldens Vorgänger Kasper Rorsted entwickelt. Eine eigene Note des Norwegers ließe sich erst mit der Zeit stärker erkennen. Akzente hat der Manager jedoch bereits gesetzt. Er setzt stark auf Vintage- und Originals-Modelle aus der Adidas-Historie und hat hier die Produktion hochgefahren.

„Wir sind davon überzeugt, dass die Attraktivität der Marke Adidas weiter steigen wird, sobald unsere Topseller im Bereich der Terrace-Schuhe wie Samba und Gazelle in größeren Mengen auf den Markt kommen“, sagte Gulden am Donnerstag.

Gut verkauft haben sich zuletzt vor allem Performance-Produkte, also zum Beispiel hochwertige Lauf- und Fußballschuhe. Dagegen waren die Umsätze im Lifestyle-Bereich rückläufig.

Damit die Umsätze nachhaltig steigen, muss Gulden vor allem die Markenstärke verbessern. Die Steigerung der sogenannten „Brand Heat“ sei eine wichtige Aufgaben, sagt Fondsmanager Thomas Jökel von Union Investment. „Das heißt nicht nur, begehrte Schuhe im Angebot zu haben, sondern zum Beispiel auch weniger Rabatte zu geben.“

Gulden hat angedeutet, in welche Richtung er gehen will. Der Sport und die Sportler sollen wieder im Mittelpunkt stehen. Kaum eine Woche vergeht, in der sich der Ex-Fußballprofi nicht auf Instagram mit einem prominenten Sportler zeigt.

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In den vergangenen Tagen durften zum Beispiel der zweimalige Olympiasieger Edwin Moses, FC-Arsenal-Cheftrainer Mikel Arteta und der deutsche Handballer Juri Knorr mit dem Konzernchef posieren.

Bei den Produkten setzt der Vorstandschef zum einen auf mehr an den jeweiligen Markt angepasste Ware. In China haben die Trainingsanzüge dann chinesische Schriftzeichen oder Stehkragen, in Märkten wie Indien sollen auch dort beliebte Sportarten wie Cricket stärker bedient werden, die anderswo in der Welt keine Rolle spielen.

Auch der radikale Strategiewechsel im Vertrieb, den Gulden eingeleitet hat, wird erst mit der Zeit so richtig Wirkung zeigen. Vorgänger Kasper Rorsted setzte voll auf den Ausbau des margenträchtigeren Onlinegeschäfts. Gulden dagegen setzt die Händler an erste Stelle und verzichtet dafür auch auf Rendite. „Die Vertriebsmannschaften von Adidas sind wieder ganz neu motiviert“, sagt ein Insider.

3. Der Umbau der Führungsspitze kann Zeit kosten

Der Umbau des Vorstands zieht sich seit Monaten – und ganz sicher ist nicht, ob er schon abgeschlossen ist. In einem ersten Schritt waren im Frühjahr Marken-Vorstand Brian Grevy und Vertriebsvorstand Roland Auschel ersetzt worden. Zuletzt musste dann auch Personalvorständin Amanda Rajkumar gehen.

Die kommissarische Nachfolgerin Michelle Robertson, die bereits seit vielen Jahren bei Adidas ist, hat nach Informationen des Handelsblatts aus Unternehmenskreisen gute Chancen, dauerhaft aufzurücken. Aus der Rorsted-Garde ist dann – neben dem unumstrittenen Finanzvorstand Harm Ohlmeyer – nun nur noch Martin Shankland (Global Operations) im Vorstand. Ihm wird intern ein ruppiger Führungsstil vorgeworfen. Sein dauerhafter Verbleib im Vorstand gilt noch nicht als gesichert.

Die Wechsel könnten Zeit kosten. „Die notwendigen Nachbesetzungen werden sicherlich eine gewisse Zeit brauchen, auch die Eingewöhnung der neuen Verantwortlichen wird dauern“, sagt Berater Lichtinger. Gleichzeitig bestehe so aber eine große Chance, dass Gulden den neuen Vorstand auf seinen strategischen Fokus ausrichte.

4. Die Investoren geben Gulden weiter Zeit

Die Zahlen des zweiten Quartals waren gemischt. Das Betriebsergebnis sank um 55 Prozent auf 176 Millionen Euro, fiel damit aber besser als erwartet aus. Die Bruttomarge, eine wichtige Kennziffer in der Branche, stieg auch wegen weniger Rabatten 0,6 Prozentpunkte auf 50,9 Prozent.

Investoren sind überzeugt, dass Gulden mit der Zeit das Geschäft weiter drehen kann. „Es ist wichtiger, die Herausforderungen richtig als schnell anzugehen“, sagte Fondsmanager Jökel. Gulden habe bei seinem Ex-Arbeitgeber Puma vorgemacht, wie man ein Unternehmen „Schritt für Schritt“ zum Erfolg führt.

Der Sportartikelmarkt sei derzeit aufgrund von Überkapazitäten ohnehin in einer schwierigen Lage. „Mit Besserung ist im nächsten Jahr zu rechnen, dann sollte Adidas fit sein.“ Andere Investoren sind ähnlich zuversichtlich. Seit Jahresbeginn ist der Adidas-Aktienkurs von unter 130 auf rund 180 Euro gestiegen.

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