Venezuelas Diktator Maduro blockiert Oppositionskandidatin – und riskiert die Annäherung an den Westen

Salvador María Corina Machado ist es gewohnt, ins Visier des venezolanischen Regimes zu geraten. Ein Mordkomplott gegen den Diktator Nicolás Maduro, Unterstützung der US-Sanktionen und von öffentlichen Unruhen – all das wurde ihr bereits vorgeworfen. Und so war es kaum überraschend, dass der populärsten Oppositionspolitikern des Landes kürzlich die Ausübung öffentlicher Ämter für 15 Jahre verboten wurde.

Schon 2015 war der Politikerin wegen fehlender Steuerangaben das passive Wahlrecht entzogen worden. Machado gibt sich dennoch kämpferisch. „Das Verbot bedeutet gar nichts“, sagte sie. Es zeige nur, wie das Regime die für den 22. Oktober angesetzten Vorwahlen als eine politische Herausforderung sehe. Diese Wahlen „werden der erste Schritt des Sturzes der Regierung sein.“

Zuletzt führte die 55-Jährige nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Poder y Estrategia in Umfragen mit 57 Prozent. Machados Prestige ist in den vergangenen Jahren gestiegen, weil sie trotz aller Repressalien im Land geblieben und nicht ins Exil gegangen ist – obwohl ihre drei Kinder im Ausland leben. Weil sie aus der Oberschicht stammt und erzkatholisch ist, beschimpfen sie Anhänger des Regimes als „rechtsradikal und bourgeois“.

Immer wieder bezeichnet Machado den Machthaber Maduro öffentlich als Verbrecher. Mittlerweile ist sie seit 22 Jahren politisch aktiv. Bekannt wurde sie, als sie Hugo Chávez, den Vorgänger Maduros, bei einer neunstündigen Rede vor dem Kongress unterbrach und ihn als Dieb beschimpfte. Chávez hatte zuvor den Stahlkonzern ihrer Familie enteignet.

Die Opposition will in den Vorwahlen im Oktober festlegen, wer für sie bei den Wahlen 2024 kandidieren wird. Insgesamt stehen 14 Kandidaten zur Auswahl, darunter vier Frauen. Die Opposition organisiert die Vorwahlen selbstständig ohne Unterstützung der Wahlbehörde.

Opposition in Venezuela ist nicht vereint

Doch weiterhin ist offen, ob Maduro die Vorwahlen sowie die 2024 anstehenden allgemeinen Wahlen zulassen wird. Vor Machado hat die Regierung bereits anderen aussichtsreichen Kandidaten das passive Wahlrecht entzogen.

Zu ihnen gehörten die bekannten Oppositionspolitiker Henrique Capriles, der zweimal als Präsidentschaftskandidat knapp verlor, oder Juan Guaidó, der sich 2019 als Präsident der Nationalversammlung zum rechtmäßigen Präsidenten erklärte und von vielen Regierungen im Westen anerkannt wurde. Während Capriles trotzdem bei den Vorwahlen mitmachen will, ist Guaidó im Exil in den USA.

Nicolás Madura

Venezuelas Diktator geht hart gegen Oppositionelle vor.

(Foto: AP)

Trotz aller Schikanen durch das Regime konnte die Opposition bei den Regionalwahlen im vergangenen Jahr rund ein Zehntel der Bürgermeister aus ihren Reihen stellen. Doch die Opposition tritt nicht vereint auf: Einige Oppositionspolitiker wollen nicht an den Vorwahlen teilnehmen, so etwa der populäre Komödiant Benjamín Rausseo, der durchaus Chancen haben könnte.

Zudem ist es nicht einfach, in dem Land so groß wie Frankreich und Deutschland zusammen Vorwahlen abzuhalten. Roberto Patiño von der Oppositionspartei Primero Justicia klagt, es sei schwer, Wahllokale zu finden, wenn öffentliche Gebäude für die Opposition verschlossen seien. Unklar sei zudem, wie das alles finanziert werden soll. Offen ist auch, wie die rund sieben Millionen im Ausland lebenden Venezolaner wählen sollen.

>> Lesen Sie hier: Venezuela wendet sich dem Kapitalismus zu

Patiño sagt, es verlange viel Mut, sich in Venezuela als Oppositioneller an der Wahlurne erkennen zu geben. Das Regime könne die Vorwahlen einfach sabotieren.

Regierung geht gegen Wähler der Opposition vor

In der Vergangenheit hat die Regierung immer wieder oppositionelle Wähler bestraft, indem sie ihnen die überlebenswichtigen Lebensmittelkörbe in den Armenvierteln entzog oder sie aus dem Staatsdienst entließ. Bisher hätten sich kaum Wähler für die Vorwahlen registriert, sagt Patiño.

Trotzdem ist er zuversichtlich, dass die Vorwahlen stattfinden werden. Die Alternative, diese Wahlen nicht abzuhalten, sei „noch schlechter“.

Henrique Capriles winkt seinen Anhängern

Auch in Capriles sieht das venezolanische Regime eine Gefahr.

(Foto: AP)

Bei einer politischen Stiftung in Caracas, die aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden will, heißt es, dass die Vorwahlen eine wichtige demokratische Übung seien, auch wenn die Beteiligung schwach ausfallen könnte. Jahrelang war die Opposition zerstritten, ob sie an den Wahlen teilnehmen soll oder nicht. Doch Wahlboykotte stärkten nur das Regime.

Maduro wie zuvor Chávez konnten den Staatsapparat nach den von der Opposition boykottierten Wahlen leicht übernehmen – sie waren schließlich durch einen Wahlsieg dazu legitimiert. Möglich wäre nun, dass sich die Opposition auf eine Liste an Kandidaten einigt, bei der immer jemand nachrückt, wenn ein Kandidat für unwählbar erklärt wird.

Europa und USA haben Annäherung an Venezuela gestartet

Mit dieser Strategie gelang es der Opposition Anfang 2022, im Bundesstaat Barinas den Gouverneur zu stellen. Von dort stammt der verstorbene Ex-Präsident Hugo Chávez. Zwanzig Jahren wurde der Staat von dessen Familienangehörigen regiert.

Laut Politiker Patiño ist es für die Anerkennung der Opposition im Ausland wichtig, dass sie sich geschlossen an den Wahlen beteiligt. „Wenn einem Kandidaten nach dem anderen das Wahlrecht entzogen wird, dann können Präsidenten wie Lula in Brasilien oder Petro in Kolumbien nicht mehr von sauberen Wahlen sprechen.“ In den vergangenen Wochen hat vor allem der brasilianische Präsident Lula da Silva Venezuelas Diktatur immer wieder als Demokratie bezeichnet.

>> Lesen Sie hier: Baerbocks Brasilien-Besuch drängt Lula beim Umweltschutz in die Defensive

Doch das ändert sich gerade: Beim EU-Lateinamerika-Gipfel in Brüssel trafen sich jetzt erstmals Vertreter der Regierung und der Opposition aus Venezuela mit Präsident Manuel Macron und dem EU-Außenminister Josep Borrell. Dabei waren auch Lula, Petro und der Argentinier Alberto Fernández. Gemeinsam forderten sie ein Ende der Sanktionen gegen Venezuela – wenn die Regierung freie Wahlen abhält.

Das zeigt: Nicht nur in den USA und Europa löst Maduros hartes Vorgehen gegen Oppositionelle wie Machado Missfallen aus. Und nicht nur in den USA und Europa wächst das Unbehagen an der jüngsten Appeasement-Politik des Westens gegenüber Venezuela, weil immer mehr Staaten angesichts der Energiekrise auf den Ölreichtum des Landes spekuliert.

Nun spüren auch wichtige Staaten Südamerikas, dass eine bedingungslose Unterstützung des Regimes in Caracas ein Hindernis für ihre Zusammenarbeit mit Europa und den USA werden könnte.

Für Machado sind das gute Nachrichten.

Mehr: Warum der Westen sich auf Venezuelas Diktator Maduro einlässt

source site-12