Ukraine-Krieg: Tagebuch aus Kiew

Düsseldorf Sie habe ein ganz einfaches Leben geführt, sagt Tatiana Chontoroh. „Es war nicht immer leicht. Aber ich war glücklich“, fügt sie nach einer Pause hinzu.

Die 28-Jährige, die von fast allen Tania genannt wird, lebt gemeinsam mit ihrem Mann Anton in einer kleinen Wohnung in der Nähe des Stadtzentrums der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Seit ihrem Studium arbeitet sie als Recruiterin für Software-Ingenieure und als IT-Designerin bei Trackimo, einem Hersteller für GPS-Tracker und den dazu passenden Apps. Spricht sie von „damals“, meint sie die Zeit, bevor der Krieg ihr Leben verändern sollte.

Fotos von „damals“ zeigen ein junges Paar, das gut gelaunt am Strand in die Kamera schaut. Es gibt auch Bilder von Fahrradtouren durch die Ukraine, Fotos von Rucksacktouren durch fremde Länder, die beiden schwimmen, laufen, treffen Freunde, sind auf Festen Teil einer großen, fröhlichen Familie.

Im August vergangenen Jahres wurde dann „unser wunderbarer Sohn“ geboren, sagt Tania. Zwei Herzfehler diagnostizierten die Ärzte, sagten für ihn keine sehr lange Lebenszeit voraus. Wenig später tauchte die Bezeichnung „CHARGE-Syndrom“ auf. Seither richteten sich Tania und ihr Mann auf ein Leben zwischen Arbeit und Krankenhaus ein. „Wir wollten alles tun, um Matvii ein erfülltes und wunderbares Leben zu schenken“, sagt sie.

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Als die russische Armee beginnt, das Land mit Raketen zu beschießen und sich Panzer Kiew nähern, können Tania und ihr Mann nicht fliehen. Ihr Sohn ist auf intensive medizinische Hilfe angewiesen – und wird doch nur noch neun Tage leben.

Urlaub am Meer

Fotos von „damals“ – der Zeit vor dem Krieg – zeigen ein junges Paar, das gut gelaunt am Strand in die Kamera schaut. Sie reisten gern, liebten Sport, Fahrradtouren und Schwimmen.


(Foto: Tatiana Chontoroh )

Tania möchte ihre Geschichte erzählen. Während sich die Menschen in Kiew um sie herum freiwillig bewaffnen, um ihre Stadt zu verteidigen, will sie ihre Stimme erheben und beginnt für das Handelsblatt ein Tagebuch zu schreiben, weil „ich möchte, dass Menschen auf der ganzen Welt unser Leben, unseren Schmerz und unseren Kampf kennenlernen“.

Kontakt zu Tania hat Redakteurin Simone Wermelskirchen über Anna, eines ihrer früheren ukrainischen Aupairmädchens aufgenommen, sprach mit Tania in Kiew über Handy, Whatsapp und Mails. Anna studiert und arbeitet inzwischen schon viele Jahre in Dortmund. Tania dagegen ist in Kiew und schreibt ihr Tagebuch aus dem Krieg.

23. Februar 2022: Der letzte Tag in Frieden

Tatiana Chontoroh

Sie habe ein ganz einfaches Leben geführt, sagt sie. „Es war nicht immer leicht. Aber ich war glücklich.“


(Foto: Tatiana Chontoroh )

Unserem kleinen Sohn geht es nicht gut. Er ist krank und entsprechend schlecht gelaunt. Aber die Ärzte erlauben uns, einige Zeit mit ihm zu verbringen und wir halten ihn in unseren Armen. Zurück in unserer Wohnung scherzen wir mit Freunden über den Krieg und die Putin-Pläne, schauen Fernsehen und ich sticke, um mich zu beschäftigen. Alles ist wie immer. Ein ganz normaler Abend eben. Rückblickend erscheint das unendlich lange her. Es war die letzte Nacht für lange Zeit, in der wir schliefen.

24. Februar 2022, 6 Uhr morgens: Putins Armee greift an

Wir bekommen einen Anruf vom Bruder meines Mannes, der uns mitteilt, dass uns Putins Armee angreift. Ist das ein missratener Scherz? Dann beginnen wir zu verstehen. Ich kann nicht in Worte fassen wie diese überwältigende Angst vom Magen bis in die Kehle aufsteigt, dass man nicht atmen, nicht schlucken, sich nicht bewegen kann.

Wir lesen Nachrichten und diskutieren, was zu tun ist. Doch wir wissen sofort, dass wir ohne unseren Sohn die Stadt niemals verlassen werden.

Ich erinnere mich daran, dass Trackimo uns Mitarbeitern vor wenigen Tagen angeboten hatte, auf Firmenkosten die Ukraine hinter uns zu lassen. Doch wir haben fast alle abgelehnt. Wir waren uns sicher gewesen, dass es nicht zum Krieg kommen würde. Nun kamen die selbst ernannten „Retter“ des ukrainischen Volkes mit Bomben zu uns nach Hause. Wie naiv wir gewesen waren.

25. Februar 2022: Das Krankenhaus wird evakuiert

Ukrainische Soldaten beziehen Stellung auf einer Brücke

Das Krankenhaus von Tanias Sohn wird aus Sicherheitsgründen auf die linke Flussseite des Dnepr verlegt. Der Fluss teilt die Stadt Kiew.

(Foto: dpa)

Der zweite Kriegstag. Wir erhalten die Nachricht, dass das Krankenhaus unseres Sohnes aus Sicherheitsgründen auf die linke Flussseite des Dnjepr verlegt wurde. Der Fluss teilt die Stadt Kiew – wir leben auf der rechten Uferseite. Aus unserem Apartment heraus hören wir immer häufiger Einschläge und Schüsse. Zum ersten Mal verstecken wir uns in unserem eigenen Wohnungsflur, sind gelähmt vor Angst.

Mein Bruder meldet sich via Handy aus Vasylkiv. Die Stadt hat ein Öldepot und wird heftig bombardiert. Zwischendurch versorgen wie unseren 67-jährigen Nachbarn mit Essen.

Als das Telefon erneut klingelt, spricht eine weinende Frau. Sie kann ihre Tochter, die gemeinsam mit unserem Sohn behandelt wird, nicht mehr besuchen. Die russische Armee blockiert bereits die Straße vor ihrem Haus. Dann meldet sich das Krankenhaus. Für die kleinen Patienten sind noch genau zwei Mahlzeiten vorrätig. Auf der Straße ist es gefährlich.

Doch mein Mann setzt sich ins Auto, fährt Supermärkte ab, reiht sich in Schlangen ein, um immer wieder festzustellen, dass Baby- und Kleinkindernahrung kaum noch in den Regalen liegt. In der Nacht sitzen wir dicht an dicht im Flur. Die Angst der Nacht ist wieder da.

26. Februar 2022: „Wie leben noch“

Wir sagen nicht mehr guten Morgen. Stattdessen sitzen wir am Handy, rufen Freunde und Verwandte an. Zwar haben bereits viele die Stadt verlassen. Doch der Rest schließt sich jeden Morgen zusammen: „Wir leben noch“, heißt die erlösende Botschaft. Den Rest des Tages besorgen wir Lebensmittel.

Punkt 19 Uhr beginnt die Ausgangssperre. Kiew vernetzt sich immer stärker online, hilft sich gegenseitig. Befreundete Programmierer arbeiten nun daran, Telegramm-Kanäle mit Kriegspropaganda zu blockieren. Sie führen auch Attacken auf andere russische Seiten aus, die den Krieg falsch darstellen. Die Sirenen heulen und warnen vor Luftangriffen. Wir sitzen im Flur und verlieren das Zeitgefühl. Der Krieg hat gerade erst begonnen. Aber wir fühlen uns Jahrzehnte von unserem alten Leben entfernt.

27. Februar 2022: Mein 28. Geburtstag im Krieg

Der Maidan in Kiew ist menschenleer

Der Tag von Tanias 28. Geburtstag ist der zweite Tag der Ausgangssperre. Kiew sitzt fest in Häusern und Wohnungen.


(Foto: imago images/Agencia EFE)

Am Tag meines Geburtstages gibt es erneut eine Ausgangssperre. Die Kiewer sitzen fest in Häusern und Wohnungen. In der Stadt kommt es immer häufiger zu Kämpfen und die Regierung versucht, feindliche Gruppen, die sich in der Stadt aufhalten sollen, aufzuspüren. Meine Familie und Freunde melden sich, um mir zu gratulieren. Doch wir können alle nur wie ein Mantra wiederholen: „Gott, lass bald wieder Frieden sein.“

Ich bin jetzt 28 Jahre alt. Mein Mann Anton und ich spüren, dass wir nicht nur wegen unseres kleinen, tapferen Sohnes in Kiew bleiben, sondern auch für unsere Freiheit, unsere Unabhängigkeit, unser Land. Wir sind nicht Russland und wollen auch nicht ein Teil dieses Landes sein. Alles werden wir tun, um die Russen aufzuhalten.

28. Februar 2022: Das Krankenhaus im Bunker

Endlich dürfen wir wieder auf die Straße. Kiew hat sich gewandelt. Die Menschen sind offener als sonst und miteinander verbunden. An jeder Straßenecke wird Hilfe angeboten und alle teilen, was sie haben: Essen, Decken, Socken, Medikamente. Wir besorgen Wasser für unser Krankenhaus. Der Weg ist 17 Kilometer lang und es gibt nur noch zwei Brücken, auf denen die Autos in endlosen Schlangen stehen. Die Armee kontrolliert dort und an vielen anderen Orten. 

Allein zwei Stunden stehen wir auf der Brücke, haben dann nur fünf Minuten mit unserem Sohn, um vor der Ausgangssperre wieder zu Hause zu sein. Die Ärzte im Bunker des Krankenhauses tun alles, um Matvii am Leben zu erhalten, aber es geht ihm sehr schlecht. Die Versorgung, vor allem die inzwischen notwendige Beatmung, kann im Bunker nicht ebenso sichergestellt werden, wie in unserem alten Krankenhaus. Das Mädchen neben ihm liegt im Koma.

Zurück im Auto geraten wir auf der Brücke in einen Luftalarm. Minuten später sehen wir Explosionen an der Stadtgrenze. Sechs Stunden haben wir für Hin- und Rückfahrt gebraucht und schaffen es nur knapp, unsere Wohnung vor Beginn der Ausgangssperre zu erreichen. Die Nächte verbringen wir nun immer im Flur. Mit Decken auf dem Boden versuchen wir es uns so bequem wie möglich zu machen. Wir schlafen kaum noch.

1.März 2022: Krieg und Tod kommen nahe

Der Fernsehturm in Kiew wird bei Luftangriffen getroffen

Vor wenigen Stunden standen wir an ebendieser Stelle, schreibt Tania. Krieg und Tod sind ihr nahegekommen.


(Foto: action press)

Die Entscheidung ist uns unendlich schwergefallen. Es macht keinen Sinn mehr täglich auf die andere Uferseite ins Krankenhaus zu fahren. Matvii zu besuchen, wird immer schwerer. So reihen wir uns stattdessen in das Heer der Ehrenamtler ein und bringen Menschen mit unserem Auto zum Bahnhof oder Supermarkt, wir kaufen für unsere Freiwilligen ein und bringen die Ware dorthin, wo sie gebraucht wird.

Wieder zu Hause erschüttert ein gewaltiger Knall unser Haus, die Fenster vibrieren und wir flüchten in unseren Flur. Der Fernsehturm wurde angegriffen und fünf Menschen sterben. Vor wenigen Stunden standen wir an eben dieser Stelle. Krieg und Tod sind uns nahegekommen.

2. März 2022: Kiew braucht helfende Hände

Verteilung von humanitären Hilfsgütern in Kiew

Den ganzen Tag hilft Tanias Ehemann Anton, einen Zug mit humanitärer Hilfe zu entladen.


(Foto: action press)

Mein Mann, Android-Ingenieur mit mehr als sieben Jahren Erfahrung und einem Master-Abschluss, hat den ganzen Tag geholfen, einen Zug mit humanitärer Hilfe zu entladen. In unserer Stadt werden Hände gebraucht. Ich bringe süßen Tee zu den Blockposten in unserer Nähe und biete ihnen an, ihre Wäsche zu waschen.

3. März 2022: Die Stadt entwickelt Kriegsroutine

Schlange vor der Apotheke

Die Stadt entwickelt ihre neue Kriegsroutine. Jeden Morgen gibt es endlose Schlangen vor Supermärkten und Apotheken.

(Foto: dpa)

Die Stadt entwickelt ihre neue Kriegsroutine. Jeden Morgen gibt es endlose Schlangen vor Supermärkten und Apotheken. Pro Person dürfen zwei Brote gekauft werden. Überall stehen Blockposten auf den Straßen und jeden Tag kommen neue hinzu.

Kiew wird immer menschenleerer, da viele Männer ihre Frauen und Kinder an einen hoffentlich sicheren Ort gebracht haben. Es gibt so viele freiwillige Blutspender, dass keine mehr benötigt werden.

4. März 2022: Die Eltern sind am Leben

Der Tag beginnt wie immer. Unsere Eltern leben in der Nähe von Chernihiv und wir machen uns große Sorgen. Elf Worte rufen sie heute Morgen durch den Hörer: „Wir sind am Leben, haben kein Netz, bitte sagt es allen!“ Inzwischen leben sie nur noch in ihrem Keller.

In Kiew gehen die Menschen ihrem neuen Job nach: Schlange stehen. Wir beginnen mit unseren täglichen Fahrt- und Versorgungsdiensten. Ab dem Nachmittag bombardieren die Russen äußere Stadtteile von Kiew. Fünf Luftangriffswarnungen gibt es.

Ein Mann in unserer Nachbarschaft fragt uns, ob wir auch die Stadt verlassen werden wie schon so viele. Er ist froh zu hören, dass wir bleiben. Es ist 0.38 Uhr. Die Russen greifen in der Nacht an und wir wissen nie, ob wir und unsere Freunde und Familie am nächsten Morgen noch leben.

5. März 2022: Unser Sohn ist tot

Ein Licht für Matvii

Unser wunderbarer Sohn, unser starkes Kind ist tot, schreibt Tania an diesem Tag.


(Foto: imago images/Panthermedia)

Wir leben einen weiteren Tag. Aber leben wir noch? In mir ist nur noch Leere. Um 9:20 Uhr ruft das Krankenhaus an und eine fremde Männerstimme teilt uns mit: „Matvii – das ist doch ihr Kind? Er ist gestern Abend gestorben“. Unser wunderbarer Sohn, unser starkes Kind ist tot.

Wir sind kaum in der Lage dazu, machen uns aber trotzdem auf den endlosen Weg zum Krankenhaus. Dort reihen wir uns ein wie alle anderen, stehen Schlange auf der Treppe, warten auf den Arzt, warten dann auf unser totes Kind.

Es ist möglich, dass schon morgen keine Brücke mehr befahrbar ist. Wer weiß schon, wann die nächsten russischen Bomben zielsicher unsere Stadt weiter zerstören werden.

So befolgen wir den Rat, unseren Sohn sofort mitzunehmen. Matvii wird uns übergeben in einer Tüte – eingewickelt in ein Laken. Der Tod hat keine Würde, die Trauer keinen Raum mehr.

Ob wir noch Platz auf unseren Rücksitzen frei hätten für eine Mutter und ihren Sohn, fragt uns ein Arzt. Auf der Fahrt zum Krematorium halte ich Matvii in meinen Armen, fremde Menschen sitzen auf den Rücksitzen unseres Autos. Vor dem Krematorium reihen wir uns ein in die Warteschlange.

Die Sirenen warnen Kiew – es gibt wieder Luftangriffe. Es ist uns gleichgültig. Am Fenster starre ich auf die leeren Straßen Kiews. So sieht es aus in meiner Stadt. So sieht es aus in mir.

6. März 2022: Nein, wir fliehen nicht – noch nicht

Schlange vor einem Supermarkt in Kiew

Zum ersten Mal müssen Tania und ihr Mann miterleben, wie die ersten Käufer des Tages alles an sich reißen und die Wartenden draußen leer ausgehen.

(Foto: dpa)

Das Leben geht weiter und wir funktionieren. Die Nacht war schlaflos, aber relativ ruhig. Dennoch verlassen wir im Haus nicht mehr den Flur. Er ist der sicherste Ort.

Kiew steht am Morgen wieder Schlange vor den Geschäften. Kiew diskutiert. Es scheint, als ob mit einem Mal alle Menschen dieser Stadt Experten für Bomben, Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Militärfahrzeuge geworden sind.

Jeder Ukrainer hatte auf gute Nachrichten über die Evakuierung in Mariupol gewartet. Die kamen nicht. Stattdessen sehen wir Bilder von weiteren toten Zivilisten.

So schwindet das Mitleid. Was hat uns Putin für junge Soldaten geschickt, die seinen sinnlosen Krieg führen sollen? Oft sind sie völlig ausgehungert. Wir hatten Mitleid mit ihnen in den ersten Kriegstagen.

Doch nun sind Schmerz und Wut in unsere Herzen eingezogen. Die heutigen Ereignisse sind schockierend. Um 11 Uhr stürmen die Menschen den Supermarkt, vor dem auch wir gestanden haben. Sie kaufen ein, was sie greifen können, ohne an die zu denken, die draußen stehen und ebenfalls Lebensmittel brauchen. Das ist traurig.

Irpin am Stadtrand von Kiew

Ein ukrainischer Soldat trägt eine ältere Frau über einen Fluss bei Irpin. Die Einwohner hoffen auf einen humanitären Korridor.

(Foto: dpa)

Gestern haben wir Matvii für immer verloren. Aber wir können nicht richtig trauern. Um unsere Freiwilligen mit dem Nötigsten zu versorgen, sind wir heute mit dem Auto in der Nähe von Irpin gewesen, wo die Kämpfe ganz nahe sind.

Für Krieg gibt es keine Worte. Auch nicht für die Lautstärke, die ihn begleitet.

Zu Hause angekommen sind wir dankbar für unseren Flur. Viele unserer Verwandten leben in ihren Tiefgaragen bei derzeit bis zu minus acht Grad. Freunde und Verwandte melden sich, fragen, ob wir jetzt Kiew verlassen, wo unser kleiner Sohn nicht mehr bei uns ist.

Doch es gibt zu viele Menschen, die uns brauchen. Wir glauben an Freiheit, an eine moderne Gesellschaft, an Europa. Wir bleiben in Kiew – zumindest erst einmal.

7. März 2022: Es spielen tatsächlich Kinder auf der Straße

Gegen sechs Uhr wachen wir auf: Fliegeralarm. Und wir hören seltsame und laute Geräusche, die wir nicht zuordnen können. Es klingt wie stürmischer Wind, dann folgen Schläge. Erst am Abend erfahren wir – es ist unsere eigene Luftabwehr, die sich so anhört.

Heute spielen zwischen den Hochhäusern im Hof Kinder, es sind nur vier. Aber Kinder auf der Straße! Das haben wir seit dem zweiten Kriegstag nicht mehr gesehen. Stundenweise ist die Situation in unserer Stadt etwas ruhiger geworden. Für uns wird es immer schwieriger im Freiwilligendienst die hilfsbedürftigen Menschen auf unserer Liste zu versorgen. Bei beliebten Lebensmitteln wie Wasser, Brot, Müsli, Zucker, Fleisch oder Wurst sind die Regale meist leer.

Es ist überlebenswichtig, sich mit anderen auszutauschen: „Wo gibt es heute noch Waren?“ Die weiten Fahrten von Supermarkt zu Supermarkt füllen unsere Tage. Aber wir beklagen uns nicht. Die Situation in den kleinen Städten und Dörfern ist viel schlimmer. Auch unsere Eltern leben dort nur noch von dem, was sie im Sommer in ihrem Gemüsegarten geerntet und eingemacht haben.

Die Medikamentenversorgung wird spürbar schwieriger. In der Apotheke sagt man uns, dass die meisten Lagerhäuser wegen der russischen Soldaten nicht mehr zugänglich sind. Die Lager liegen meist am Stadtrand mitten im Kampfgebiet.

Dennoch versuchen wir für unsere Soldaten aufzutreiben, was gebraucht wird. Ich bin stolz auf sie und hoffe, dass unsere Männer bald zu ihren Familien zurückkehren können, um ein Leben in einem freien Land zu führen. Ich hoffe, dann können wir diese schrecklichen Bilder von Zerstörung und Krieg vergessen.

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