So manipulieren Onlinehändler ihre Kunden

Düsseldorf Es ist jedem wohl schon mehr als einmal passiert: Ehe man sich versieht, hat man auf einer Internetseite bereits den Button „Alle Cookies akzeptieren“ geklickt, obwohl man es gar nicht beabsichtigt hatte. Zu verlockend war das große grüne Feld mit der Beschriftung „Ja“.

Das ist kein Zufall: Gerade Onlinehändler nutzen fast jede Möglichkeit, mit der Gestaltung der Websites das Verhalten der Kunden zu manipulieren. Mit solchen „Dark Patterns“ wollen sie an Abonnements, Vertragsabschlüsse und persönliche Daten kommen. In den USA hat deshalb jetzt die Federal Trade Commission Amazon verklagt. Der Händler soll Kunden unwissentlich Prime-Abos aufdrängen und die Kündigung bewusst erschweren.

Doch nicht nur in den USA schlägt das Thema hohe Wellen. Auch in Deutschland greifen immer mehr Unternehmen auf die fragwürdigen Methoden zurück, die unsere täglichen scheinbar einfachsten Entscheidungen im Onlinehandel beeinflussen. Doch wenn Kunden die Muster dieser Manipulation erkennen, können sie sich davor schützen.

Was sind Dark Patterns?

Ein tickender Countdown, eine Anzeige, die auf dem ersten Blick nach Inhalt aussieht oder ein passiv aggressiv klingender Text wie „Nein danke, ich mag es nicht, Geld zu sparen“, das alles können Dark Patterns sein. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Kunden unbewusst lenken sollen – zum Vorteil des Händlers.

Jedoch müssen Dark Patterns nicht zwingend visuelle Elemente sein: Wer schon einmal versucht hat, eine Amazon-Prime-Mitgliedschaft zu kündigen, weiß, wie mühsam der Prozess ist. Dark Patterns dienen dazu, einseitig die Interessen des Onlinehändlers zu verfolgen, entgegen den Interessen der Kunden.

Ich möchte lieber zu viel zahlen. Mit Sätzen wie diesen versuchen Webseitenbetreiber, unliebsame Entscheidungen der Kunden zu verhindern.

Beispielsweise können wir dazu verleitet werden, ein Produkt zu kaufen, ein Abonnement abzuschließen, eine Kündigung abzubrechen oder auch nur länger auf einer Webseite zu verweilen. Kritiker bezeichnen diese Methoden als unethisch, unlauter und gar betrügerisch. Meist jedoch loten Dark Patterns die Grenze zwischen zulässigem Marketing und unzulässiger Täuschung aus und sind damit aktuell in einer rechtlichen Grauzone – und nur in bestimmten Fällen gesetzlich untersagt.

Warum sind Dark Patterns so effektiv?

Der grüne „Alle Cookies akzeptieren“-Button wirkt gleich viel ansprechender als der kleine graue Button daneben, bei dem man sich durch eine lange Liste der Cookie-Einstellungen klicken muss. Somit ist es nur menschlich, dass wir anfällig für Dark Patterns sind und als Konsumenten regelmäßig in diese Falle tappen.

Amazon Prime

Wer schon einmal versucht hat, die Mitgliedschaft zu kündigen, weiß, wie mühsam der Prozess ist.

(Foto: Reuters)

Denn unsere Kaufentscheidungen basieren bekanntlich nicht nur auf rationalen Faktoren, sondern werden auch maßgeblich von emotionalen und instinktiven Reaktionen beeinflusst. Diese Erkenntnisse aus der Verhaltenspsychologie machen sich Onlinehändler geschickt zunutze.

Welche Unternehmen greifen auf Dark Patterns zurück?

Einer Studie der Europäischen Kommission zufolge setzen fast alle der beliebtesten Webseiten in der EU mindestens ein Dark Pattern ein. In Deutschland sollen sich auf 77 Prozent der meistbesuchten Webseiten irreführende Buttons finden lassen.

Dabei handelt es sich nicht etwa nur um kleine Anbieter mit semi-professionellen Onlineshops. Es finden sich darunter auch große, namhafte Tech-Konzerne wie Amazon, Google, Meta und Microsoft – Unternehmen, die einen Ruf zu verlieren haben.

Digitale Fallen

77

Prozent

der meistbesuchten Webseiten verwenden laut einer Studie der EU-Kommission irreführende Buttons.

Die Webseite „Deceptive Design“ präsentiert in einer „Hall of Shame“ prominente Beispielfälle aus der Praxis, in denen Unternehmen sich Dark Patterns zunutze machen. Diese wurde vom britischen Web-Designer Harry Brignull ins Leben gerufen, der den Begriff Dark Patterns erstmalig verwendete und es sich seitdem zum Ziel gemacht hat, in der Öffentlichkeit Bewusstsein für das Thema zu schaffen und Konsumenten aufzuklären.

Was sind die Maschen von Onlinehändlern?

Oft wird mit dem schlechten Gewissen gearbeitet. „Nein danke, ich mag keine exklusiven Angebote“, „Ich möchte lieber zu viel zahlen“ – Webseitenbetreiber greifen zu allen Mitteln, um unliebsame Entscheidungen der Kunden zu verhindern.

Aber auch bei einer tickenden Countdown-Uhr ist es schwer, sich nicht unter Druck gesetzt zu fühlen. Dass diese jedoch häufig immer wieder zurückgestellt wird, erfahren dabei nur die wenigsten Nutzer, weil die Mehrheit bereits vorher in die Falle getappt ist und den Kauf getätigt hat.

Da Unternehmen ihren Profit maximieren wollen, werden sie den Einsatz von Dark Patterns nicht von selbst unterlassen. Andrea Steinbach, Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz

Beliebt ist es auch, Folgekosten zu verschleiern, um Kunden in Abonnements zu locken. Oder es wird eine Vorauswahl der Cookie-Einstellungen getroffen, um an möglichst viele persönliche Daten zu kommen.

Darüber hinaus passiert es häufig, dass man beim Onlineshopping plötzlich ein weiteres Produkt im Warenkorb vorfindet, das vom Händler automatisch hinzugefügt wurde und das man aktiv entfernen muss. Bei Elektrogeräten versuchen Händler so zuweilen, Wartungsverträge oder Versicherungen mitzuverkaufen.

Wie kann man sich davor schützen?

Sich bewusst zu machen, wo überall die Gefahren lauern, ist der erste Schritt. „Dark Patterns profitieren viel von Unaufmerksamkeit und Eile“, warnt Inken Kramme, Forschungsreferentin am Deutschen Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung.

Onlinebuchung

Einige Webseitenbetreiber greifen zu allen Mitteln, um unliebsame Entscheidungen der Kunden zu verhindern.

(Foto: Moment/Getty Images)

Daher sei der beste Tipp für Verbraucher ganz simpel: „Sich die Zeit nehmen, Sachen bewusster anzuschauen, und vor allem Ruhe bewahren.“ Denn in erster Linie läge es an den individuellen Nutzern selbst, sich vor allem durch Aufmerksamkeit und genaues Lesen vor Dark Patterns zu schützen.

Wie will die Politik Kunden vor Dark Patterns bewahren?

„Da Unternehmen ihren Profit maximieren wollen, werden sie den Einsatz von Dark Patterns nicht von selbst unterlassen“, sagt Andrea Steinbach, Juristin bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz im Fachbereich Digitales und Verbraucherrechte. Daher müsse die Politik tätig werden. Mit dem Digital Services Act der EU (Artikel 25) sei man dabei bereits auf dem richtigen Weg, wenngleich dieser erst 2024 umgesetzt werden soll.

>> Lesen Sie auch: „Tricks bei der Gestaltung der Cookie-Banner“ – Verbraucherzentrale klagt gegen Google

Auf der anderen Seite unterstützt die Politik technische Lösungen im Kampf gegen Dark Patterns. Dafür wurde in Zusammenarbeit der Universitäten Heidelberg und Speyer das „Dark Pattern Detection Project“ (Dapde) ins Leben gerufen, das unter anderem vom Bundesministerium für Verbraucherschutz gefördert wird.

Ähnlich wie ein Ad-Blocker soll eine Browsererweiterung namens „Dapde Pattern Highlighter“ Dark Patterns mithilfe von KI-basierter Textanalyse im Internet erkennen und auf sie aufmerksam machen. „Bisher sind Dark Patterns noch weitestgehend unbekannt, und es gab kaum Gerichtsurteile, die diese fragwürdigen Methoden zum Thema hatten“, so Andrea Steinbach. Jedoch ist sie sich sicher: „Dies wird sich in Zukunft ändern.“

Mehr: Onlinehändler Amazon reicht Klage gegen verschärfte EU-Regulierung ein.

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