Shortseller Fraser Perring wirft der Adler-Gruppe Manipulationen vor

Düsseldorf, Berlin, Frankfurt Der Mann, der 2016 auf die Insolvenz von Wirecard wettete, attackiert den Immobilienriesen Adler. Fraser Perring, ein britischer Shortseller, hat einen unbekannten Betrag auf den Fall der Aktie der Adler Group S.A. gesetzt. Er wirft dem Immobilienkonzern Betrug, Manipulation und Täuschung seiner Geldgeber vor.

Die Adler-Gruppe reagierte auf kurzfristige Nachfragen bislang nicht.

Perring hat heute auf der Webseite Viceroyresearch.org einen 61 Seiten langen Report seines Rechercheinstituts „Viceroy Research“ vorgelegt. Adler ist darin als undurchsichtiges Unternehmensgeflecht beschrieben.

Der Konzern sei darauf ausgelegt, besser kapitalisierte Unternehmen zu übernehmen, sie mit Schulden zu belasten und über nicht offengelegte Transaktionen mit nahe stehenden Parteien auszuhöhlen. Zugleich kritisiert Perring stillstehende Baustellen, Bilanzierungstricks und eine angebliche Überbewertung der Immobilien.

Als Profiteure dieser Machenschaften hat Perring eine Gruppe aus Gesellschaftern und Managern bei Adler und im Umfeld des Konzerns ausgemacht. Diese gehörten zu einem Netzwerk um den Unternehmer Cevdet Caner, der den Immobilienkonzern angeblich aus dem Hintergrund wie ein Schatten-CEO kontrolliere. Perring wirft dem Zirkel aus „Friends & Family“ verdeckte Insidergeschäfte vor. Die Leidtragenden seien Aktionäre und Anleihegläubiger.

Caners Anwalt wies die Vorwürfe auf Nachfrage umfassend zurück. „Herr Caner kontrolliert nicht die Adler und agiert auch nicht als Strippenzieher im Hintergrund“, teilte der Anwalt mit. Es existiere auch kein System, das unter Einbindung von Familienmitgliedern darauf angelegt sei, besser kapitalisierte Unternehmen zu übernehmen oder sich an diesen zu beteiligen, um sie mit Schulden zu belasten. „Die Adler Group SE werde „allein durch ihre unabhängigen Organe geführt und kontrolliert“, so der Jurist.

Die Anleger reagierten auf den Bericht verunsichert. Der Aktienkurs von Adler gab im Vergleich zum Vortag in der Spitze um mehr als 20 Prozent nach und erholte sich bis zum Mittag nur leicht.

Erst am Montag hatte die Adler-Gruppe angekündigt, strategische Handlungsmöglichkeiten zu prüfen, um den Verschuldungsgrad zu verringern. Adler liegen demnach Angebote von institutionellen Investoren vor, die Teile des Portfolios von Mietwohnungen übernehmen wollen. Die Aktie, die zu Jahresbeginn noch bei 29 Euro lag, ist derzeit rund 11,60 Euro wert.

Streit über Berechnung der Schuldenquote

Adler beziffert die für die Bewertung des Schuldenstands von Immobilienkonzernen wichtige Beleihungsquote LTV (Loan-to-value) zum Halbjahr mit 54,7 Prozent. Je höher diese Quote, desto schwieriger ist die Lage eines Konzerns. Zum Vergleich: Beim größeren Adler-Konkurrenten Vonovia lag die Beleihungsquote zuletzt bei 40,5 Prozent.

Perring wirft Adler indes vor, seit der Fusion mit dem Immobilienunternehmen Ado die Berechnungsmethode des LTV im Jahr 2019 umgestellt zu haben. Sein Analysehaus Viceroy kommt in eigenen Berechnungen auf eine Quote von bestenfalls 72 Prozent und im schlechtesten Fall von knapp 87 Prozent. Laut Perrings Report würden sich selbst substanzielle Verkäufe aus Adlers Portfolio kaum auf die Beleihungsquote auswirken. Auch Nachfragen dazu ließ Adler bis dato noch unbeantwortet.

Adler hat laut Co-CEO Thierry Beaudemoulin gegenwärtig fünf Milliarden Euro in Anleihen ausstehen. Die Adler Group hat ihren Sitz in Luxemburg. Die Aktien des Konzerns (LU1250154413) sind im SDax notiert. Der Immobilienkonzern ging 2020 aus einer komplexen Fusion aus der Adler Real Estate AG, Ado Properties und Consus Real Estate AG hervor.

Der Deal sorgte in der Immobilienbranche für Aufsehen, weil Adler zunächst eine Kontrollmehrheit der israelischen Ado Group übernahm und danach die Geschäftsführung beim Tochterunternehmen Ado Properties auswechselte. Im Anschluss kaufte die Ado Properties wiederum den ursprünglichen Käufer Adler Real Estate AG.

Was Adler als Scoop feierte, verärgerte andere Anleger bei ADO. Der kanadische Vermögensverwalter Hazelview kritisierte das Manöver, weil er eine Verwässerung des hochwertigeren Portfolios befürchtete. Er rief Ende Januar 2020 die deutsche Finanzaufsicht Bafin an.
Dass sich Adler als Muttergesellschaft von der eigenen Enkelgesellschaft Ado übernehmen lasse, sei problematisch und „strukturell angreifbar“. Zudem lägen Interessenkonflikte „auf der Hand“, hieß es in dem Schreiben an die Aufseher, das die Kanzlei Hengeler Mueller verfasst hat. Doch die Bafin griff nicht ein.

Auf aktuelle Nachfrage kündigte die Bafin eine Stellungnahme im Laufe des Mittwochs an.

Adler stellt Immobilienverkäufe in Aussicht

Adler beziffert den Wert seiner Immobilien auf aktuell 12,6 Milliarden Euro. Der Konzern entwickelt nicht nur Projekte, sondern vermietet auch rund 70.000 Wohnungen in deutschen Großstädten. Wichtige Standorte sind Berlin (rund 20.000 Wohnungen), Wilhelmshaven (7000) und Duisburg (5000).

Ein Teil der Wohnungen könnte nun veräußert werden, um mit dem Erlös Anleihen und Aktien zurückzukaufen. „Wir wollen die Interessen unserer Aktionäre durch einen Aktienrückkauf berücksichtigen – aber auch die der Halter unserer Anleihen“, sagte Co-CEO Thierry Beaudemoulin am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. „Wir planen ein Volumen, das für alle Interessen reicht“, erklärte Beaudemoulin.

Priorität habe die Entschuldung. Selbst eine Trennung von der Tochter Westgrund mit ihren rund 17.000 Einheiten stehe im Raum. Der Zeitpunkt blieb vage. „Es ist eine Sache von ein paar Wochen, von wenigen Monaten“, sagte der Co-CEO.

Perring stellt in seinem Viceroy-Bericht die Kalkulationen von Adler zur Bewertung des Wohnungsportfolios infrage und wirft dem Konzern „lächerliche Annahmen“ vor. So arbeite der externe Bewertungsdienstleister „vom Schreibtisch“ aus und besuche die Immobilien nicht.

Fraser Perring übte Kritik an Wirecard und Grenke

Fraser Perrings gab 2016 als Initiator des „Zatarra-Reports“ den Anstoß für zahlreiche Wirecard-Recherchen. In dem Papier warf er Wirecard Betrug und Korruption vor. Wirecard bezeichnete die Anschuldigungen als haltlos und überzeugte damit sowohl die Behörden als auch die Öffentlichkeit – auch weil sich der Verfasser nicht zu erkennen gab und aus der Anonymität heraus agierte. Gegen Perring wurde zeitweise ermittelt.

Inzwischen tritt Perring mit seinem Recherchehaus Viceroy öffentlich in Erscheinung. Der Adler-Report ist bereits der zweite Angriff des Shortsellers binnen gut eines Jahres. Im September 2020 bezichtigte Perring den Finanzdienstleister Grenke der Bilanzfälschung und der Beihilfe zur Geldwäsche.

Mehrere Sonderprüfungen entlasteten das Unternehmen später zwar von den schwersten Vorwürfen. Sie förderten allerdings auch Mängel in der internen Revision und Compliance-Organisation zutage. Grenke gab sein bisheriges, undurchsichtiges Franchisesystem auf und musste viel Kritik einstecken, auch weil das Unternehmen Deals mit ihm nahe stehende Personen machte, die nicht als solche identifiziert wurden.

Transaktionen mit nahestehenden Personen sind auch bei Adler ein Kernvorwurf Perrings. Strippenzieher bei dem Immobilienkonzern ist laut Bericht ein Mann namens Cevdet Caner. Er hat offiziell keine Funktion in der Adler-Gruppe.

Das mag einen Grund haben. In Deutschland wurde Caner mit dem Immobiliendienstleister Level One bekannt. Er baute das Unternehmen ab 2004 auf, 2008 brach es zusammen und hinterließ Schulden von mehr als einer Milliarde Euro. Level One bestand aus mehr als 150 Gesellschaften, unter anderem in Jersey, London, Linz und Deutschland.

Laut Perring soll Caner nun im Hintergrund von Adler die Fäden ziehen. In seinem Viceroy-Report verweist er auf die österreichische Übernahmekommission, die schon 2016 den Schluss zog, dass Adler faktisch durch Caner kontrolliert werde. Zeugen hätten der Kommission gegenüber geäußert, dass Caner sowohl am Markt als auch innerhalb Adlers als „Spiritus Rektor“ wahrgenommen werde. Er habe großen Einfluss auf die Geschäftsführung. „Möchte man mit Adler über Geschäftliches sprechen, muss man de facto mit Cevdet Caner reden“, notierte die Kommission die Aussage eines Wirtschaftsprüfers.

Caner bestritt schon damals, als Schattenmann von Adler zu fungieren. Er sei lediglich Berater der Aktionärsseite gewesen, schrieb er in einer Stellungnahme. Auch heute weist Caner Vorwürfe weit von sich, die Geschicke von Adler zu bestimmen.

Auffällig ist gleichwohl die Anzahl von Caner-Vertrauten und Familienmitgliedern, die sich im Umfeld der Adler-Gruppe engagieren. Ein Beispiel ist der Bruder seiner Frau: Er kaufte laut Handelsregister 75 Prozent der Projektgesellschaft, die im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim eine großflächige Immobilienentwicklung plante. Die Transaktion nimmt Perring heute ebenfalls ins Visier.

Das Ganze soll wie folgt abgelaufen sein. Eine Gesellschaft, die später von Adler übernommen wurde, erwarb das 280.000 Quadratmeter große Gelände im „Glasmacherviertel“ im Stadtteil Gerresheim im Jahr 2017 für 142 Millionen Euro. Immobilienexperten hielten diesen Preis seinerzeit für extrem hoch. 2019 wurde das Areal dann bereits mit insgesamt 375 Millionen Euro bewertet.
Caners Schwager, der nun einstieg, habe zunächst 90 Millionen Euro an den Verkäufer gezahlt. Die restliche Summe der 214 Millionen Euro, die insgesamt für seinen Anteil fällig gewesen wären, seien nie geflossen. Zunächst wurde der offene Betrag wohl gestundet. Dann verkündete Adler, die Transaktion rückabwickeln zu wollen. Streitereien mit den Behörden und der Deutschen Bahn hatten die Bebauung verzögert.

Gebaut wird bis heute nicht. In Düsseldorf ist man darüber sehr verärgert, zumal es nicht das einzige örtliche Großprojekt mit der Adler-Gruppe ist, das stockt. Die regionale Presse berichtet bereits darüber, dass Planungspolitiker in der Landeshauptstadt in Hab-Acht-Stellung gehen, wenn Adler an Bauprojekten beteiligt sei.

Perring greift nicht nur einzelne Projekte der Immobiliengruppe an, sondern auch die große Fusion aus Adler, Ado Properties und Consus. „Coup D’état Transcation“ lautet die Überschrift für diesen Themenabschnitt. Die Verschuldungsquote von Ado Properties habe unter 25 Prozent gelegen, heißt es im Bericht. Dies mache das israelische Unternehmen zum lohnenden Ziel.

Am 23. September 2019 hatte Adler sich für 708 Millionen Euro beim Mutterunternehmen von Ado Properties eingekauft und sich so 33 Prozent der Stimmrechte gesichert. Da auf Hauptversammlungen nur ein Bruchteil der Stimmberechtigten ein Votum abgebe, habe dieser Anteil ausgereicht, um die Kontrolle des besser kapitalisierten Unternehmens zu übernehmen.

Anfang Dezember veränderte sich das Board bei Ado Properties. Als neue Direktoren traten Adler-Chefjustiziar und der Berliner Jurist Ben Irle ein, der in Vergangenheit als Anwalt für Cevdet Caner arbeitete. Fünf Tage später verkündete Ado Properties, den ursprünglichen Käufer Adler Real Estate und in einem zweiten Schritt den klammen Projektentwickler Consus Real Estate zu übernehmen.

Damit schloss sich der Kreis. Andere Ado-Anleger wie der kanadische Vermögensverwalter Hazelview scheiterten mit ihrem Widerstand. Der Deal verärgerte die Aktionäre bei Ado, die einen Top-Immobilienentwickler von der finanzschwachen Consus und dem unpopulären Billigwohnungskonzern Adler verwässert sahen.

Als der Verkauf an Ado festgestanden habe, sollen Insider Consus zudem ausgeplündert haben, schreibt Perring in seinem Report. So seien 17 Entwicklungsobjekte an den früheren Consus-Aktionär und Bauunternehmer Christoph Gröner verkauft worden. Diese hätten einem Bruttoentwicklungswert von 4,3 Milliarden Euro entsprochen – ein gutes Drittel der gesamten Consus.

Gröner teilte dem Handelsblatt dazu mit, dass die Ausführungen in dem Perring-Bericht falsch seien. Der Kaufpreis für die 17 Projektgesellschaften habe bei 339 Millionen Euro gelegen, davon seien 125 Millionen Euro aus Aktienverkäufen bestritten worden. „Das heißt, Forderungen, die wir aus dem Verkauf der Aktien Dritten gegenüber hatten, sind gegen Zahlungsverpflichtung in dieser Höhe abgetreten worden“, sagte Gröner.

Für 175 Millionen Euro wiederum habe die Gröner Group GmbH Verpflichtungen der Consus RE übernommen. „Die Vorgehensweise, wonach wir durch Schuldübernahme und Verkauf der Aktien die Projekte übernehmen, ist weder anrüchig noch in der Sache intransparent“, sagte Gröner. Schließlich würden 39 Millionen Euro durch Barzahlung erfolgen, davon seien 20 Millionen noch offen und würden bis Ende des Jahres vereinbarungsgemäß bezahlt.

Nach der Fusion stuften die Ratingagenturen Moody’s und S&P Ado herunter. Aktienkurse von 40 Euro und mehr, wie sie Ado Properties in den Jahren 2018 und 2019 erreichte, gehören unter der Adler-Flagge der Vergangenheit an.

Mehr: Warum die Adler Real Estate AG fast eine halbe Milliarde Euro abschreiben musste

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