London sucht eine neue Balance zwischen Annäherung und Abgrenzung zu China

Britischer Außenminister James Cleverly in China

30.08.2023, China, Peking: James Cleverly (l), Außenminister von Großbritannien, nimmt an einem Treffen mit Wang Yi (r), Außenminister von China, im Diaoyutai State Guesthouse teil. Foto: Florence Lo/REUTERS Pool via AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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London Es sind schmerzhafte politische Verrenkungen, die man beim Besuch des britischen Außenministers James Cleverly in Peking beobachten kann. Die britische Regierung will ihre Beziehungen zu China neu ausrichten und versucht dabei einen Spagat zwischen deutlicher Abgrenzung einerseits und gezielter Zusammenarbeit andererseits. Der Druck ist groß. 

Cleverlys konservativer Parteifreund Iain Duncan Smith wirft dem Außenminister eine „Appeasement“-Politik vor. Zugleich steht London bei der US-Regierung im Wort, bei Investitionen aus und nach China stärker die nationalen Sicherheitsinteressen zu beachten – also lieber zu viel zu untersagen als zu wenig. 

„Wenn es jemals eine Situation gibt, in der unsere Sicherheitsbelange mit unseren wirtschaftlichen Belangen in Konflikt geraten, dann haben unsere Sicherheitsbelange Vorrang“, verteidigte Cleverly am Mittwoch in Peking seinen pragmatischen Sowohl-als-auch-Kurs.

Damit konnte er jedoch nicht mal seine eigenen Parteifreunde überzeugen. Der einflussreiche Parlamentsausschuss für Auswärtige Beziehungen unter Vorsitz der Tory-Abgeordneten Alicia Kearns veröffentlichte am Mittwoch einen Report, in dem der Regierung mangelnde Klarheit und Kohärenz vorgeworfen wird. „Die vertrauliche, schwer fassbare Chinastrategie ist tief in Whitehall vergraben und wird sogar vor hochrangigen Ministern in der Regierung verborgen gehalten“, kritisierte Kearns. 

Erstmals wird Taiwan in dem Parlamentsbericht als unabhängiger Staat klassifiziert. China betrachtet den Inselstaat hingegen als eine abtrünnige Provinz. Cleverly traf in Peking sowohl mit Chinas Vizepräsident Han Zheng als auch mit dem neuen chinesischen Außenminister Wang Yi zusammen. „Mit China in Kontakt zu treten bedeutet nicht, dass wir vor schwierigen Gesprächen zurückschrecken“, twitterte er vor dem ersten Besuch eines britischen Außenministers in Peking seit fünf Jahren. Nach dem Treffen mit Han Zheng sagte Cleverly, dass „wir wegen vieler globaler Probleme eine pragmatische, vernünftige Arbeitsbeziehung mit China haben müssen“.

Mehrmalige Kursveränderung gegenüber China

Großbritannien hat in der Vergangenheit seinen Kurs gegenüber China mehrmals verändert. Der frühere Premierminister David Cameron prophezeite 2015 noch eine „goldene Ära“ im Verhältnis zu Peking. Auf ihn folgte Theresa May, die schon deutlich skeptischer war. Für Boris Johnson war China dann mehr ein Rivale, seine Nachfolgerin Liz Truss wollte die aufstrebende Weltmacht sogar als „Bedrohung“ brandmarken.

Der derzeitige Regierungschef Rishi Sunak korrigierte diesen Kurs erneut und spricht in seiner kürzlich veröffentlichten nationalen Sicherheitsstrategie mit Blick auf China von einer „Herausforderung“. „Die Offenheit Großbritanniens für Handel und Investitionen ist der Schlüssel zu unserem langfristigen Wohlstand“, erklärte ein britischer Regierungssprecher auf Anfrage. „Aber wir müssen auch die richtige Balance finden, um unsere wirtschaftliche Sicherheit zu stärken.“

„Man kann die britische Haltung gegenüber China am besten als ambivalent bezeichnen“, sagte Yu Lie, Chinaexpertin bei der außenpolitischen Denkfabrik Chatham House. Die größte Herausforderung sei es, „eine wirtschaftsfreundliche Haltung mit den Forderungen der chinaskeptischen Hinterbänkler bei den Tories zu vereinbaren“.

London ist mit diesem Dilemma nicht allein: Auch die Regierungen in Washington, Berlin und Paris suchen nach einer Balance zwischen Wiederannäherung und Abgrenzung gegenüber Peking. 

USA drängen auf scharfen Kurs

Die Briten sind in ihrer Chinastrategie jedoch freier als andere. „Großbritannien ist wirtschaftlich weniger stark abhängig von China als zum Beispiel Deutschland“, erklärte David Lawrence, Außenpolitikexperte bei Chatham House. Die britischen Investitionen in China seien schon lange rückläufig. Nur bei den globalen Wertschöpfungsketten sei man noch stark auf das Land angewiesen. Allerdings ist China nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner Großbritanniens, mit einem Handelsvolumen von mehr als 130 Milliarden Dollar. 

Zum Härtetest der britischen Chinastrategie könnte werden, wie Großbritannien künftig mit Investitionen aus und nach China umgeht. Die Regierung hat mehrere chinesische Investitionen im Königreich gestoppt. So blockierte sie den Aufbau der 5G-Mobilfunkinfrastruktur durch den chinesischen Konzern Huawei und stoppte die Übernahme einer Chipfabrik in Wales durch den mehrheitlich chinesischen Konzern Nexperia.

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Weit weniger klar ist die Linie bei britischen Investitionen in China. US-Präsident Joe Biden verschärfte kürzlich die Anforderungen für Investitionen amerikanischer Firmen in chinesische Hochtechnologie. Auch die EU bastelt an einem sogenannten „Outbound Investment Screening“. Und auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die Prüfung deutscher Investitionen nach China angekündigt.

Die Signale aus London dazu sind bisher gemischt. Während Cleverly das Thema auf die lange Bank schieben will, haben andere Regierungsvertreter in den vergangenen Monaten mehrfach angedeutet, dass man dem „Lead“ aus Washington folgen wolle. 

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Genau genommen hat sich die Regierung dazu sogar verpflichtet. Sunak unterzeichnete kürzlich eine „Atlantic Declaration“, in der sich Großbritannien verpflichtet, die geplanten Investitionskontrollen Washingtons „zu ergänzen (…), indem es zügig seine Maßnahmen bestmöglich kalibriert, um wirksam auf diese (Investitions-)Risiken zu reagieren und unser gemeinsames Ziel zu erreichen“.

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