Lieferdienst expandiert in den Südwesten – über 40 Städte im Blick

Düsseldorf Ursprünglich wollte der Lieferdienst Picnic den Betrieb in Darmstadt, Mannheim und Wiesbaden erst am 1. September aufnehmen. Doch jetzt sind die ersten Lebensmittellieferungen an die neuen Kunden schon raus. Die Infrastruktur stand schneller als gedacht.

In den drei Städten hatten sich vor dem Start schon jeweils mehrere Tausend potenzielle Kunden in der Picnic-App angemeldet. Der Lieferdienst ist jetzt in ausgewählten Stadtteilen verfügbar und Picnic will das Liefergebiet rasch ausweiten. Das 20.000 Quadratmeter große neue Verteilzentrum in Viernheim bietet Kapazität für weitere Expansion. Mehr als 40 Städte in der Region plant Picnic-Geschäftsführer Frederic Knaudt bald zu beliefern.

Die Konkurrenz schwächelt: Der Expresslieferdienst Gorillas ist kaum mehr lieferfähig und hat große Lücken im Sortiment, der Anbieter Bringmeister flüchtete sich in eine Übernahme durch den Wettbewerber Knuspr. Picnic dagegen expandiert weiter – und hat bundesweit ehrgeizige Ziele.

„Wir spüren eine weiter steigende Kundennachfrage, deshalb sind wir zuversichtlich, unser Umsatzziel von 400 Millionen Euro für dieses Jahr auch zu erreichen“, sagt Knaudt im Gespräch mit dem Handelsblatt. Dafür nimmt das 2015 gegründete niederländische Start-up, das 2018 in Deutschland gestartet ist, auch weiter Verluste in Kauf.

Ein Minus von 67 Millionen Euro in Deutschland steht für dieses Jahr im Businessplan. Aber mit der Expansion verbessert sich die Wirtschaftlichkeit. Im vergangenen Jahr stand ein zwar etwas geringerer Verlust von 63 Millionen Euro in den Büchern – allerdings bei einem Umsatz von nur 275 Millionen Euro.

Der größte Teil der Verluste entsteht durch den Aufbau der neuen Standorte. Das Netz soll dieses Jahr von 34 auf bis zu 59 Verteilzentren wachsen. Jetzt schon liefert Picnic in 80 Städten aus. Hatte sich das Unternehmen lange auf Nordrhein-Westfalen beschränkt, sind in diesem Jahr bereits Hamburg und Berlin dazugekommen – und jetzt der Südwesten Deutschlands.

Frederic Knaudt

Der Deutschlandchef von Picnic plant für dieses Jahr mit einem Umsatz von 400 Millionen Euro.

(Foto: Picnic)

In allen vier Regionen will Picnic nun weiter expandieren. Von Hamburg aus hat der Lieferdienst unter anderem Flensburg und Kiel im Blick. Von Berlin ist die Expansion nach Brandenburg geplant. Auch Frankfurt steht auf dem Zettel. „Unser Ziel ist es, durch die Eröffnung von weiteren Standorten über 50 Prozent der Bevölkerung in Deutschland zu erreichen“, sagt Knaudt selbstbewusst.

Fachleute sehen ein großes Potenzial für Lebensmittellieferdienste. Werden heute erst zwei bis drei Prozent der Lebensmittel online gekauft, dürfte dieser Anteil bis 2030 auf bis zu acht Prozent steigen, schätzt das Handelsforschungsinstitut IFH. Das wäre ein Umsatzvolumen von 22 Milliarden Euro.

Selbst Rewe schreibt mit dem Lieferdienst noch Verluste

Das Problem: Bisher schafft es kein Lieferdienst, profitabel zu sein. Selbst Marktführer Rewe, der das Geschäft seit mehr als zehn Jahren betreibt, schreibt weiter rote Zahlen.

„Die Kosten sind hoch und keiner verdient Geld“, sagte Rewe-Chef Lionel Souque vor Kurzem im Interview mit dem Handelsblatt. Rewe müsse wegen seiner bekannten Marke jedoch weniger Geld ins Marketing investieren. „Der Verlust ist bei uns deshalb moderat und wir nehmen das in Kauf, weil wir diese Dienstleistung anbieten wollen“, so Souque.

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Für junge Start-ups ist das ungleich schwieriger. Der Schnelllieferdienst Gorillas beispielsweise musste sich wegen anhaltender Verluste aus zahlreichen Standorten zurückziehen und wurde dieses Jahr vom Konkurrenten Getir übernommen. Mittlerweile hat Gorillas kaum noch Waren im Angebot, offenbar wurden Lieferanten nicht bezahlt. Gorillas wollte sich zu einem möglichen Zahlungsverzug nicht äußern.

Picnic will schneller in die Gewinnzone kommen, dabei sollen mehrere Maßnahmen helfen. Das Unternehmen hat feste Routen, die Kunden können das Zeitfenster für die Lieferung nicht frei auswählen, sondern aus festen Vorgaben. Dadurch kann Picnic die Touren besser auslasten – optimiert mithilfe Künstlicher Intelligenz.

Im vergangenen Jahr hat Picnic ein teilautomatisiertes Verteilzentrum in Utrecht eröffnet, bei dem die Zusammenstellung der Warenkörbe von Robotern unterstützt wird. Die Investitionssumme dafür betrug rund 100 Millionen Euro. Ein ähnliches Lager ist zurzeit in Oberhausen im Bau. Die Automatisierung soll Kosten senken und damit das Unternehmen der Gewinnschwelle näher bringen.

Picnic stellt bis zu 300 neue Mitarbeiter pro Monat ein

Für diese Investitionen haben die Gesellschafter, darunter die deutsche Supermarktkette Edeka, Picnic mit viel Wachstumskapital ausgestattet. So hatte die niederländische Muttergesellschaft Ende 2022 noch 375 Millionen Euro auf der Bank, zuzüglich 37,5 Millionen Euro Gesellschafterkredite. Außerdem haben ihr die Banken eine Kreditfazilität von 300 Millionen Euro für den Ausbau der Verteilzentren und der Lieferflotte eingeräumt.

Im vergangenen Jahr hat Picnic den Umsatz konzernweit um 27,7 Prozent auf 918 Millionen Euro gesteigert, damit aber die angestrebte Umsatzmilliarde verpasst. Das Unternehmen beliefert mit 15.000 Mitarbeitern 576 Städte und Kommunen in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden.

Im Rahmen der Expansion erhöht Picnic gerade auch den Personalbestand in Deutschland deutlich. „In der neuen Region im Südwesten wollen wir über 3000 neue Jobs schaffen“, sagt Deutschlandchef Knaudt. „In Deutschland stellen wir derzeit pro Monat 250 bis 300 neue Mitarbeiter ein.“ Die neuen Standorte, die das Unternehmen in diesem Jahr eröffnet hat, wüchsen am schnellsten.

„Solch ein Wachstum braucht einen langen Vorlauf, die Infrastruktur kann man nicht von heute auf morgen aufbauen“, betont Deutschlandchef Knaudt. „Die Dynamik, die wir heute sehen, haben wir vor zwei Jahren gestartet“, sagt er. „Wir sehen jetzt die strategischen Vorteile der soliden Lieferkette, die wir aufgebaut haben.“

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