Kumospace will Kreativität zurück ins virtuelle Büro bringen

New York Selbst Zoom holt seine Mitarbeiter jetzt wieder ins Büro. Der Videokonferenzdienst, der während der Pandemie zu den großen Gewinnern zählte, hat kürzlich angekündigt, zu einem hybriden Modell überzugehen. Zuvor hatten bereits Amazon, Google, Apple und Microsoft noch strengere Direktiven herausgegeben. Sam Altman, Chef des ChatGPT-Entwicklers OpenAI, hat das Homeoffice sogar zum „Fehler“ erklärt.

Es gibt jedoch Unternehmer, die das anders sehen. Brett Martin etwa glaubt nicht mehr an die alte Bürowelt. Der Gründer hat sich zum Ziel gesetzt, klassische Bürogebäude überflüssig zu machen. Dabei denkt er gleich ganz groß: „Wir wollen Büroimmobilien im Milliardenwert ersetzen – durch Software“, sagt er dem Handelsblatt.

Möglich machen soll das sein vor zweieinhalb Jahren gegründetes Start-up Kumospace. Die Softwarefirma bietet virtuelle Büroräume an. Menschen sollen in ihnen von überall aus arbeiten – und sich einfach vernetzen können.

Das Handelsblatt trifft Martin in einem New Yorker Café, „meinem Büro“, wie er sagt. „Ich arbeite von überall auf der Welt aus.“ Das Homeoffice werde nicht mehr verschwinden, ist er überzeugt. Dennoch seien Warnungen vor Vereinsamung und sinkender Kreativität gerechtfertigt. „Du setzt dich morgens an den Schreibtisch, bist verdammt einsam. Dann starten die Zoom-Meetings, die dich auf eine Kachel reduzieren. Das ist unmenschlich.“

Anders soll es bei Kumospace sein. Das virtuelle Büro wird im Browserfenster gestartet und sieht aus wie ein buntes, zweidimensionales Computerspiel. Die Angestellten schauen von oben auf ihr Büro, durch das sie sich als kleine Avatare bewegen. Es gibt Meetingräume, eine Kaffeeküche, Einzelbüros. In der Ecke steht ein ausgestopfter Tiger.

Kumospace-Chef Brett Martin

„Wir wollen zufällige, spontane Interaktionen zu ermöglichen, wie im echten Büro.“

(Foto: Kumospace)

Alles ist individualisierbar, das Büro des passionierten Surfers Martin etwa mit Strandtapete und Sonnenschirm. Der Clou ist jedoch ein heller Kreis um jeden virtuellen Mitarbeiter. Läuft der eigene Avatar durch das Büro und überschneiden sich zwei Kreise, startet automatisch ein Audiokanal.

„Hey Leute“, sagt Martin, als er einen Konferenzraum betritt. Durch die Kamera sieht er seine Kollegen, auf dem Bildschirm die gerade laufende Präsentation. „Sorry, dass ich euren Sales-Pitch störe, wir machen gerade eine Bürotour.“

Wie realistisch ist das Vorhaben?

Kumospace liegt mit seinen Angeboten auf den ersten Blick nicht im Trend. So erwarten Amazon und Apple inzwischen eine Anwesenheit an mindestens drei Tagen die Woche. Die Konzerne bemängeln vor allem, dass bei einer hohen Homeoffice-Quote die Kreativität leide. Remote-Arbeitsmodelle stifteten Verwirrung und seien bei der Entwicklung neuer Produkte hinderlich, erklärte etwa OpenAI-Chef Altman.

Doch einfach ist es bisher selbst für die Tech-Riesen nicht, die Rolle rückwärts durchzusetzen. Microsoft etwa erwartet eigentlich eine Anwesenheit von 50 Prozent pro Woche. Ausnahmeregelungen sind jedoch möglich, nachdem zahlreiche Topmitarbeiter gegen die neuen Vorgaben protestiert haben.

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Geht es nach Martin, dann gehört ein solches Ringen um die Anwesenheit im Büro der Vergangenheit an. Das Ziel von Kumospace sei es, „zufällige, spontane Interaktionen zu ermöglichen, wie im echten Büro“.

Kumospace

Wer sich konzentrieren muss, schließt seine digitale Bürotür.

(Foto: Kumospace)

Wer Lust auf ein Schwätzchen hat, geht zum Beispiel in die Kaffeeküche. Wer sich konzentrieren muss, schließt seine digitale Bürotür. Und ein „All hands“-Meeting kann durch einen virtuellen Gong gestartet werden. „Jeden Morgen starten wir gemeinsam an einem Ort. Das fühlt sich einfach besser an“, sagt Martin.

Wer sind die Konkurrenten?

Während der Coronapandemie entstand eine große Zahl neuer Anbieter für virtuelle Meetings. Konkurrenten von Kumospace sind Firmen wie Roam, Teemyco und Bizzabo oder Ivicos aus Frankfurt.

Zuletzt hat sich der Markt aber konsolidiert. Der US-Anbieter Ringcentral hat das Geschäft von Hopin übernommen, einem Start-up, das ebenfalls Software für virtuelle Treffen herstellte. Auch Teamflow verkaufte zu Jahresbeginn sein geistiges Eigentum an einen ungenannten Käufer. Kumospace ist ebenfalls bei Übernahmen aktiv und kaufte Mitte August für weniger als zehn Millionen Dollar den britischen Konkurrenten Kosy Software.

Was sagen die Investoren?

In einer Series-A-Finanzierungsrunde hat Kumospace Anfang 2022 rund 21 Millionen Dollar eingeworben. Zusammen mit der Seed-Runde kommt das Start-up damit auf knapp 25 Millionen Dollar Kapital.

Ankerinvestor ist der US-Wagniskapitalgeber Lightspeed aus Menlo Park, beteiligt ist unter anderem Boldstart Ventures aus Miami. Kumospace ermögliche „starke Verbindungen in virtuellen Räumen, die im Gedächtnis bleiben“, erklärt Lightspeed sein Investment.

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Eine neue Finanzierungsrunde sei aktuell nicht geplant, sagt Martin. „25 Millionen Dollar sind eine sehr große Summe, finde ich. Wir bauen Software, das sollte ein kapitaleffizientes Geschäft sein.“ Zur aktuellen Bewertung will Martin nichts sagen. Das Analysehaus Pitchbook schätzt sie auf mehr als 100 Millionen Dollar.

Wie geht es weiter?

Tausende Firmenkunden hat das Modell bereits überzeugt, darunter Google, die Weltraumbehörde Nasa sowie die Beratungshäuser KPMG und Deloitte. Pro Nutzer zahlen sie zehn Dollar im Monat. „Das ist doch ganz schön billig im Vergleich zur Büromiete“, scherzt Martin. Zudem mache die eigene Software Slack oder Zoom überflüssig.

Dass die alte Bürowelt jemals wieder komplett zurückkehren wird, glaubt der Kumospace-Gründer nicht. Sicher, Teams müssten sich regelmäßig auch persönlich austauschen, doch das müsse keinesfalls im Büro geschehen. Seine eigenen Mitarbeiter treffen sich drei Mal im Jahr bei einem sogenannten „Offsite“, zum Beispiel in einem Hotel am Strand.

Erstpublikation: 30.08.2023, 23:54 Uhr.

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