KI-Aktionsplan der Forschungsministerin stößt auf Skepsis

Berlin Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will die Förderung ihres Hauses für Künstliche Intelligenz (KI) neu aufstellen. Das Budget für KI-Projekte soll von 280 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf knapp eine halbe Milliarde Euro im nächsten wachsen. Damit werde allein das Forschungsministerium in dieser Legislatur mehr als 1,6 Milliarden Euro in KI stecken, sagte sie bei der Vorstellung der Kernpunkte eines „Aktionsplans Künstliche Intelligenz“.

Die KI-Strategie der Ampelkoalition stammt noch von der Vorgängerregierung und gilt als völlig überholt. Für eine neue Strategie will Stark-Watzinger bei der Kabinettsklausur in der kommenden Woche in Meseberg den vollständigen Aktionsplan als „Vorleistung“ einbringen. 

Ziel müsse es sein, „dass Deutschland und Europa in einer Welt ‚powered by AI‘ eine Spitzenposition einnehmen können“, sagte sie. Wie das konkret erreicht werden soll, ist jedoch noch vage: Zunächst müsse die KI-Forschung weiter gestärkt und der Transfer in die Wirtschaft verbessert werden.

Zwar habe sich die Zahl der KI-Gründungen 2022 verdoppelt, davon basierten rund 40 Prozent auf Ergebnissen aus der Wissenschaft, sagte die Forschungsministerin. Weltweit stehe Deutschland bei den Unternehmensgründungen in dem Bereich aber nur auf Platz neun. Nach Angaben des Startup-Verbands wurden allein in den USA im ersten Halbjahr zehnmal so viele KI-Start-ups gegründet wie in Deutschland.

Das geplante Zukunftsfinanzierungsgesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP) werde auch KI-Gründungen künftig deutlich besser stärken, zeigte sich Stark-Watzinger überzeugt. Die Ministerin will Künstliche Intelligenz vor allem in den Bereichen Industrie, Robotik, Gesundheit und Bildung stärker fördern.

Aktuell unterstützt das Ministerium sechs KI-Kompetenzzentren und 150 KI-Professuren sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen im Bereich E-Health. Die laufenden 50 Programme sollen durch „mindestens 20 weitere“ ergänzt werden, kündigte Stark-Watzinger an. 

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Dazu soll die Recheninfrastruktur ausgebaut werden, die dann nicht nur Forschern, sondern auch kleineren Unternehmen und Start-ups zur Verfügung stehe. Fehlende Rechenkapazität gilt als ein zentraler Engpass für die Entwicklung von KI in Deutschland. 

Der zweite Engpass ist der Zugang zu Daten: Ihn will Stark-Watzinger mit dem Forschungsdatengesetz und der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur erleichtern. 
Der KI-Bundesverband zeigte sich zwar erfreut über die geplanten Zusatzmittel. Besonders dringend sei es, die Supercomputing-Infrastruktur für die Entwicklung und das Training großer KI-Modelle auszubauen, sagte Verbandspräsident Jörg Bienert. Die Mittel müssten nun aber auch „zeitnah und ausreichend bereitgestellt werden, sonst bleibt das Potenzial von KI ‚made in Germany‘ begrenzt“.

KI-Bundesverband: „Es mangelt nicht an guten Strategiepapieren“

Bisher mangele es weniger an guten Strategiepapieren als an der Umsetzung. Neue Supercomputer und der Aufbau von KI-Ökosystemen mit internationaler Strahlkraft seien bereits 2020 angekündigt und die Mittel für die KI-Strategie von drei auf fünf Milliarden Euro erhöht worden. 

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„Tatsächlich ausgegeben wurden bis Mai 2023 jedoch nur 1,28 Milliarden Euro“, kritisiert Bienert. Zudem sehe der Haushaltsentwurf für 2024 ressortübergreifend deutliche Kürzungen bei KI vor. 

Ähnliche Kritik kommt von Rasmus Rothe, CEO der KI-Investmentplattform Merantix. Der Plan der Ministerin setze ein richtiges Zeichen, aber ein Zeichen allein reiche mittlerweile nicht mehr. „Ich habe Angst, dass wir uns wieder in Planung und Neustarts verzetteln. Um international nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten, müssen wir schnell und gezielt in die Umsetzung einsteigen“, sagte er dem Handelsblatt.

Merantix-Gründer: „Äußerst schwammig formuliert“

Positiv sei, dass die Ministerin „in Vorleistung“ gehe. Ihr Plan greife aber zu kurz: „Es werden mal wieder viele Initiativen lanciert, die einerseits äußerst schwammig formuliert sind“ und zudem den Eindruck erweckten, „dass hier jetzt von null angefangen wird bei Projekten, an denen bereits gearbeitet wird.“ 

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Der Branchenverband Bitkom kritisiert, es sei unklar, wie der Plan in die Gesamtstrategie der Bundesregierung zu KI eingebettet werden soll. „Der Transfer von Erkenntnissen aus der Wissenschaft in die Wirtschaft ist die vielleicht größte Schwachstelle in Deutschland“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Fast jedes vierte deutsche Unternehmen sehe Deutschland in der KI-Forschung weltweit in der Spitzengruppe, aber nur 15 Prozent setzten KI ein. 

Leuchttürme und einzelne starke KI-Start-ups reichten nicht, mahnte Rohleder. KI müsse als Querschnittstechnologie breit angeboten und eingesetzt werden. Inwieweit der Plan der Ministerin dafür hilfreich sei, lasse sich erst beurteilen, wenn sie ihn in Meseberg komplett präsentiere.  

Thomas Jarzombek, der forschungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, forderte, Stark-Watzinger müsse zusätzliche Mittel auftreiben. Zudem wäre es sinnvoller gewesen, mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zusammenzuarbeiten, anstatt allein vorzupreschen, sagte er dem Handelsblatt. 

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