Keine Abschlusserklärung: Friedensgespräche in Dschidda beendet

Dschidda Es ist eines der bisher größten internationalen Treffen zu Russlands Krieg in der Ukraine: Vertreter aus rund 40 Ländern haben in Saudi-Arabien Gespräche geführt über Wege zum Ende des Konflikts. Vor allem die Teilnahme Chinas – einem der wichtigsten Partner Russlands – werteten Diplomaten nach dem Treffen in Dschidda am Wochenende als Erfolg.

Diplomaten am Rande der Gespräche sagten, es sei ein weiterer möglicher Friedensplan im Umlauf, vorgelegt von den Gastgebern mit weiteren Staaten. Unterdessen überzog Russland die Ukraine nach Worten von deren Präsident Wolodimir Selenski erneut mit heftigem Raketenbeschuss.

Es gehe in Dschidda um die Lösung der „ukrainisch-russischen Krise“, berichtete das saudische Staatsfernsehen. Dazu nahmen unter anderem politische und Sicherheitsberater der Staats- und Regierungschefs teil, darunter der Ukraine, USA, EU und Deutschlands sowie etwa aus Indien, Brasilien, Südafrika und der Türkei. Nach dpa-Informationen reisten auch Chinas Sondergesandter Li Hui sowie der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, an. An Russland, das den Krieg vor 17 Monaten begonnen hatte, ging keine Einladung.

Eine Abschlusserklärung gab es nicht – wie schon bei einem ähnlichen Treffen in Kopenhagen im Juni. Aus EU-Kreisen hieß es danach aber, es gebe breite Unterstützung dafür, die wichtigsten Punkte aus Selenski „Friedensformel“ weiter zu besprechen.

Darunter seien „Ernährungs-, Nuklear- und Umweltsicherheit“ wie auch humanitäre Hilfe. Kern von Selenskis Formel ist die Forderung nach einem Abzug russischer Truppen aus dem gesamten Staatsgebiet der Ukraine.

„China hat sich aktiv beteiligt“

Die Beratungen einiger Teilnehmer liefen bis Sonntag. Teil des von Saudi-Arabiens vorgelegten Friedensplans ist nach Diplomatenangaben die Unversehrtheit der Ukraine, eine Waffenruhe an allen Fronten, die Aufnahme von Friedensgesprächen unter UN-Aufsicht sowie der Austausch von Gefangenen. Zudem habe Saudi-Arabien Russland über den Verlauf der Gespräche informiert.

Soldaten an der Front

Teil des Friedensplans ist eine Waffenruhe an allen Fronten.

(Foto: dpa)

Die Hoffnung war in Dschidda auch, durch die Teilnahme von Staaten aus dem sogenannten globalen Süden noch mehr Unterstützung für die Ukraine zu gewinnen. Einige von ihnen hatten bisher keine klare Position zum Krieg. Nachdem Russland im Juli das Getreideabkommen zur Ausfuhr von ukrainischem Getreide aufkündigte, spüren viele von ihnen die Auswirkungen durch gestiegene Getreidepreise besonders stark.

Vor allem die Teilnahme Chinas, das in Kopenhagen nicht vertreten war, werteten Diplomaten als Erfolg. „China hat sich aktiv beteiligt und stand der Idee eines dritten Treffens auf dieser Ebene positiv gegenüber“, sagte ein EU-Beamter. China ist einer der wichtigsten Partner Russlands.

Gemischte Signale aus Moskau zum Treffen

Moskau sendete zu den Gesprächen unterschiedliche Signale: Aus dem Kreml hieß es vorab, man werde das Treffen verfolgen. Die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, schimpfte dagegen, solche Gespräche ohne Beteiligung Russlands seien „absurd, Nonsens“. Saudi-Arabien pflegt gute Kontakte sowohl zu Russland als auch der Ukraine und hat sich als Vermittler angeboten.

Die Position der Ukraine sei nach den Gesprächen gestärkt, sagte der Leiter des Präsidialamtes in Kiew, Andrij Jermak. Alle teilnehmenden Länder hätten sich zur UN-Charta, zum Völkerrecht, der Achtung der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit der Staaten bekannt. Selenski lobte in einer Ansprache das Treffen von Verbündeten, die durch internationales Recht vereint seien.

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Ein ähnliches Treffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs scheint nach den Gesprächen vom Wochenende möglich. Dies sei vor Jahresende „denkbar“, sagte ein EU-Vertreter. Aus Diplomatenkreisen in Riad hieß es, Saudi-Arabien bemühe sich um einen Kompromiss mit dem Ziel eines „globalen Friedensgipfels im weiteren Lauf des Jahres“, um den Krieg zu beenden. Auch Selenski hat Vorstellungen eines solchen Friedensgipfels mit den Staats- und Regierungschefs.

Neue Angriffe im Osten der Ukraine

Zeitgleich zu den Gesprächen überzog Russland die Ukraine laut Selenski mit Angriffen. Bis Sonntagmorgen seien 30 Marschflugkörper und 27 Kampfdrohnen abgewehrt worden, teilten die ukrainischen Luftstreitkräfte mit. Insgesamt habe die russische Armee in mehreren Angriffswellen 70 Geschosse abgefeuert, hieß es.

Universitätsgebäude in Donezk

Die Universität von Donezk ist russischen Angaben zufolge bei einem ukrainischen Angriff mit Streumunition getroffen worden.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Selenski sagte am Abend zuvor, dass im östlichen Gebiet Charkiw ein Zentrum für Bluttransfusionen bombardiert worden sei. Außerdem habe es Angriffe auf die Gebiete Saporischschja und Chemlnyzkyj gegeben. Es gebe Berichte über Tote und Verletzte. Rettungskräfte löschten das Feuer. „Dieses Kriegsverbrechen allein sagt alles über die russische Aggression aus“, schrieb er.

In Saporischschja sei ein Schlag gegen das Werk Motor Sich verübt worden. Da hatte es in der Ukraine erneut Luftalarm gegeben. Motor Sich gilt als wichtigster Hersteller des Landes von Triebwerken für Flugzeuge und Hubschrauber sowie für Gasturbinen. Insbesondere die Angaben aus den besetzten Gebieten sind oft nur schwer unabhängig zu überprüfen.

Ukrainische Soldaten

Die Ukraine setzt ihre Gegenoffensive fort. Dabei will das Land nach mehreren erfolgreichen Treffern seine Drohnenangriffe auf russische Ziele ausweiten.

(Foto: dpa)

In Moskau erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow, die Militäraktion in der Ukraine werde auf absehbare Zeit weitergehen. Weitere ukrainische Gebiete wolle Moskau nicht erobern, sagte er laut Tass der „New York Times“. Aber Russland wolle die Gebiete kontrollieren, die in seiner Verfassung festgeschrieben seien. Das sind die 2014 annektierte ukrainische Halbinsel Krim sowie seit 2022 die Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson. Die Festlandgebiete sind militärisch nur teilweise in russischer Hand.

Ukraine will Drohnenangriffe auf russische Ziele ausweiten

Parallel setzte die Ukraine ihre Gegenoffensive fort. Dabei will das Land nach mehreren erfolgreichen Treffern seine Drohnenangriffe auf russische Ziele ausweiten, sagte der Sekretär des Nationalen Rates für Sicherheit und Verteidigung, Olexij Danilow. „Russische Ziele sind das beste Übungsgelände für ukrainische Waffen und Reklame auf dem weltweiten Rüstungsmarkt“, schrieb er auf Twitter, das nun X heißt.

Er kündigte mehr Einsätze in weiterer Entfernung an mit dem Ziel, den Russen möglichst große Verluste zuzufügen. Unterdessen erklärte Kiew die russischen Schwarzmeerhäfen Anapa, Noworossijsk, Gelendschik, Tuapse, Sotschi und Taman zu militärischen Gefahrenzonen.

Russland wehrte nach eigenen Angaben auch einen erneuten ukrainischen Drohnenangriff auf Moskau ab. Die Drohne sei am Sonntag im südlichen Moskauer Gebiet von der Luftverteidigung zerstört worden, so das Verteidigungsministerium. Russland wirft der Ukraine inzwischen immer wieder vor, seine Grenzregionen und Städte mit Drohnen anzugreifen. Die Attacken stehen allerdings in keinem Verhältnis zu den massenhaften russischen Angriffen mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen, bei denen immer wieder viele Menschen sterben oder verletzt werden.

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