Kanzler erntet Widerspruch in eigener Partei

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

Im Wahlkampf 2021 hatte sich Scholz noch für einen Industriestrompreis ausgesprochen.

(Foto: dpa)

Berlin Alle drei Parteiflügel der SPD-Bundestagsfraktion haben sich erneut für die Einführung eines Industriestrompreises ausgesprochen. Sie äußerten zudem, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei dem Thema umstimmen zu wollen. Scholz hatte sich am Mittwochabend erstmals in aller Deutlichkeit gegen einen vergünstigten Stromtarif für die Industrie ausgesprochen.

„Energie ist der Grundstoff für wirtschaftlichen Wohlstand“, sagte Fraktionsvizin Verena Hubertz dem Handelsblatt. Deswegen sei der Industriestrompreis so wichtig, nur mit einer starken Industrie könne Deutschland seinen Wohlstand halten. „Diesen Zusammenhang versteht selbstverständlich auch der Kanzler, und deswegen bin ich davon überzeugt, dass wir eine Lösung für bezahlbaren Strom finden“, so Hubertz, die Vertreterin der Netzwerker ist, des progressiven Flügels in der SPD.

Frank Junge, Sprecher der ostdeutschen Abgeordneten in der SPD, sprach sich ebenfalls für einen Industriestrompreis aus. „Strom ist in Deutschland trotz wieder gesunkener Preise zu teuer, insbesondere für Unternehmen im internationalen Wettbewerb“, sagte Junge dem Handelsblatt.

Er fordert gar, die Subvention nicht nur der energieintensiven Großindustrie zur Verfügung zu stellen. „Klar muss sein, dass von den hohen Stromkosten nicht nur große Konzerne, sondern vor allem der Mittelstand betroffen ist.“ Junge gehört dem Seeheimer Kreis an, dem konservativen Teil in der SPD-Fraktion. Diesem wird auch Kanzler Scholz zugeordnet.

Zuvor hatte sich Matthias Miersch, ebenfalls Mitglied im Fraktionsvorstand, geäußert. Miersch sagte den Fernsehsendern RTL/ntv, die Industrie sei angesichts hoher Energiepreise im internationalen Wettbewerb in „schwerem Fahrwasser“. Deswegen sei ein Industriestrompreis notwendig. Angesprochen auf Scholz sagte Miersch: „Davon werden wir ihn, denke ich, überzeugen können.“ Miersch gehört zur parlamentarischen Linken in der SPD.

Scholz zum Industriestrompreis: „ein schuldenfinanziertes Strohfeuer“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte im Frühsommer einen Industriestrompreis vorgeschlagen und war damit einem lange geäußerten Wunsch der Industrie nachgekommen. Habeck stellt sich für eine Übergangszeit einen staatlich garantierten Strompreis von sechs Cent je Kilowattstunde für energieintensive Industriebetriebe vor.

Scholz hingegen ist gegenüber einem Industriestrompreis schon länger skeptisch. Am Mittwochabend äußerte er das erstmals öffentlich und in aller Deutlichkeit. „Ein schuldenfinanziertes Strohfeuer, dass die Inflation wieder anheizt, oder eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten“, erklärte der Kanzler.

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Im Wahlkampf hatte sich Scholz 2021 noch für einen Industriestrompreis ausgesprochen. Aus Regierungskreisen hieß es zuletzt, im Kanzleramt gebe es zunehmend Befürworter des Industriestrompreises. Scholz aber soll insbesondere mit Blick auf die Finanzierung skeptisch sein.

Habeck hatte vorgeschlagen, den Industriestrompreis aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zu bezahlen. Dieser in der Coronapandemie errichtete Fonds wurde in der Energiekrise reaktiviert, um deren Folgen abzufedern.

Der Koalitionspartner FDP lehnt einen Industriestrompreis und eine Öffnung des WSF strikt ab.

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