Immobilienunternehmer Bauwens Adenauer „Es wird künftig eher weniger als mehr gebaut“

Köln Während Bundesbauministerin Klara Geywitz unbeirrt an dem Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr festhält, ist sich Patrick Adenauer, der Enkel des ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, sicher: „Es wird künftig eher weniger als mehr gebaut.“

Die Kölner Bauwens Group, die er gemeinsam mit seinem Bruder Paul Bauwens-Adenauer führt, hat sich auf die Projektentwicklung von größeren Wohn- und Gewerbeimmobilien spezialisiert. Das Unternehmen mit 520 Mitarbeitenden kauft deutschlandweit in den Metropolen größere Grundstücke und entwickelt sie bis zur Baureife.

Anschließend fungiert das 1873 gegründete Familienunternehmen bei den einzelnen Projekten in der Regel als Generalunternehmer, der die Immobilie – ein Wohnquartier, eine Gewerbeimmobilie oder ein Hotel – schlüsselfertig zu einem meist vorab fest vereinbarten Preis mit Subunternehmern fertigstellt und an einen Investor übergibt. Die letzten eigenen Bagger hat Bauwens schon in den 1990er-Jahren abgeschafft.

Zur erweiterten Firmenleitung gehören inzwischen auch Pauls Kinder Fabian Bauwens-Adenauer als Geschäftsführer des Bereichs Construction und Ann-Sophie Bauwens-Adenauer als Leiterin des Konzern-Controllings. Die Familie diversifiziert ihr Risiko mit Investments in den USA. Dort entwickelt Bauwens vorwiegend Mietobjekte, und zwar weitläufige Wohnanlagen außerhalb der Großstädte.

Top-Jobs des Tages

Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.

Im Handelsblatt-Gespräch erklärt das Trio, was in den USA besser läuft, wer hierzulande selbst noch bauen oder doch besser abwarten sollte.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Adenauer, die Zinsen steigen aktuell schneller, als die Immobilienpreise sinken. Wo führt das hin?
Patrick Adenauer: Die Zinsen für Wohnungskäufer sind ungefähr auf dem Niveau von vor zehn Jahren. Wahrscheinlich werden sie auch noch etwas weiter steigen. Wir alle müssen uns jetzt wieder an ein langfristig höheres Zinsniveau als zuletzt gewöhnen. Infolgedessen wird sich auch die Wohnungsnachfrage, die aktuell recht schwach ist, bald wieder auf Normalniveau einpendeln.

Sie erwarten demnach keinen Crash, weil Eigenheimbesitzer ihre Kredite nicht mehr bedienen können?
Patrick Adenauer: Das sehe ich nicht. Wir waren zwar durch die niedrigen Zinsen alle verwöhnt, aber von einer echten Hochzinsphase sind wir sehr weit entfernt. Im Übrigen haben wir bei der Inflation den Höhepunkt wahrscheinlich bereits gesehen. Und die Löhne werden ja im nächsten Jahr auch in der Breite steigen.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Immobilienpreise?
Patrick Adenauer: Besonders die Preise für Neubauten werden hoch bleiben, weil sie heute energetisch viel besser gebaut werden und so ab Fertigstellung die Energiekosten senken. Und das gilt natürlich sowohl für Gewerbe- wie für Wohnobjekte.

Bei Altbauten erwarten Sie entsprechend sinkende Preise?
Patrick Adenauer: Ja, weil viele Immobilien jetzt für viel Geld energetisch nachgerüstet werden müssen. Das schmälert erheblich den Wert der Objekte. Für uns als Immobiliengruppe bietet sich da ein rasch wachsendes Geschäftsfeld.

Längere Vertriebsdauer und höhere Finanzierungskosten

Wie verhalten sich aktuell die großen institutionellen Investoren?
Ann-Sophie Bauwens-Adenauer: Die werden angesichts gesunkener Aktienkurse, steigender Zinsen und höherer Refinanzierungskosten ihre Immobilienquote reduzieren. Das könnte zu einem gewissen Verkaufsdruck führen oder zumindest zu mehr Zurückhaltung beim Kauf von Immobilien. Auch alternative Anlagen sind für institutionelle Investoren im heutigen Marktumfeld wieder attraktiver.

Patrick Adenauer

Der Familienunternehmer führt seit 1989 gemeinsam mit seinem Bruder Paul Bauwens-Adenauer das Immobilienunternehmen Bauwens.

Was bedeutet das alles für Ihr Unternehmen?
Ann-Sophie Bauwens-Adenauer: Wir gehen aktuell von einer längeren Vertriebsdauer und natürlich auch von höheren Finanzierungskosten aus.

Wie hat sich Russlands Krieg gegen die Ukraine in der Strategie von Bauwens ausgewirkt?
Ann-Sophie Bauwens-Adenauer: Wir haben relativ schnell im Frühjahr unser Portfolio komplett neu bewertet und festgelegt, welche Projekte wir im Sinne einer Risikoabwägung on hold setzen und welche wir weiter vorantreiben.

Weitere Familienunternehmer im Interview:

Welche sind das?
Ann-Sophie Bauwens-Adenauer: Weiter entwickeln und bauen werden wir unter anderem Projekte, wo wir mit einzelnen Investoren vorab einen festen Verkaufspreis vereinbart hatten. Das sind sogenannte Forward Deals. Bei diesen sind wir in der Regel durch Earn-out-Klauseln incentiviert und können über den Vermietungserfolg auch noch an einer Wertsteigerung partizipieren. Wir haben diese Vorgehensweise in den vergangenen Jahren häufig genutzt, um Vermarktungsrisiken  zu reduzieren. Dies gibt uns für die kommenden Jahre große Sicherheit.

Und wie läuft der Verkauf?
Fabian Bauwens-Adenauer: Der Verkauf an einzelne Wohnungserwerber war im Sommer vorübergehend zum Stillstand gekommen und geht jetzt langsam wieder los. Der Verkauf von größeren Paketen wie kompletten Wohnanlagen steht aber weiter still. Es war die richtige Strategie, zu festen Basispreisen zu verkaufen, um jetzt nicht ohne Käufer dazustehen.

Ann-Sophie Bauwens-Adenauer: Das haben nicht alle Immobilienentwickler so gemacht. Wer auf immer weiter steigende Preise gesetzt hat, sitzt jetzt möglicherweise auf seinen Immobilien fest.

Patrick Adenauer: Es gehört zu unseren Prinzipien, Risiken früh vom Tisch zu nehmen, für steigende Kosten wird ein Puffer eingebaut. Weil wir als Generalunternehmer auch selbst planen und bauen, können wir solche Risiken besser abschätzen als andere Entwickler.

„Hohe Zinsen werden bereinigte Wirkung auf dem Immobilienmarkt haben“

Seit Kriegsbeginn ist der Baustahl, der ja oft aus Russland und der Ukraine kam, knapp geworden.
Fabian Bauwens-Adenauer: 40 Prozent des Baustahls kamen von dort und die Kosten sind deshalb sprunghaft gestiegen. Das aber nicht erst seit Kriegsbeginn, sondern schon seit dem Beginn der Pandemie hatten wir seit 2020 eine Baukosteninflation von zwölf bis 14 Prozent pro Jahr.

Vitae

Haben Sie Projekte gestoppt?
Patrick Adenauer: Ja, zum Beispiel eine Wohnanlage im Stadtteil Köln-Kalk, aber wir nutzen die Zeit und bringen zum Beispiel zuvor erworbene und finanzierte Grundstücke zur Baureife. Die Aufstellung von B-Plänen dauert heute ohnehin viele Jahre. Bei der Entwicklung des Geländes der Deutschen Welle hier in Köln waren es zum Beispiel acht Jahre.

Eine lange Niedrigzinsphase geht zu Ende. Sie haben einmal gesagt, die extrem niedrigen Zinsen seien sozial ungerecht. Freuen Sie sich also nun über die steigenden Zinsen, obwohl Sie von den niedrigen als Unternehmer jahrelang profitiert haben?
Patrick Adenauer: Wir haben davon profitiert – und trotzdem habe ich in Karlsruhe gegen die expansive Geldpolitik der EZB geklagt und in Teilen recht bekommen: Die niedrigen Zinsen begünstigten all jene, die Schulden machen können. Das können aber viele Menschen nicht, weil ihnen der Zugang zu Krediten selbst bei niedrigen Zinsen versperrt ist. Zudem werden Sparer durch Nullzinsen geschädigt, und die Inflation greift insbesondere denen in die Tasche, die ihre Einkommen nicht schnell steigern können, etwa Rentnern. Der aktuelle Zinsanstieg ist, gerade mit Blick auf die Altersvorsorge, deshalb heilsam. Die Niedrigzinsphase war nach meiner Auffassung auch politisch getrieben und hat zu Fehlallokationen geführt.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Ann-Sophie Bauwens-Adenauer: Diejenigen Investoren, die hierzulande in den Markt eingestiegen sind, zwei Jahre nichts an den Immobilien getan haben und dann wieder mit Gewinn ausgestiegen sind, werden das nicht so weitermachen können. Die höheren Zinsen werden eine bereinigende Wirkung auf den Immobilienmarkt haben. 

Bundesbauministerin Klara Geywitz plant mit 400.000 Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 Sozialwohnungen, Experten sehen das als unrealistisch an. Wie ist Ihre Einschätzung?
Fabian Bauwens-Adenauer: Das Bauen müsste günstiger und schneller gehen. Jedes Bundesland hat andere Gesetze. Es wäre gut, dies zu vereinheitlichen. Energetisches Bauen kann man auch mit weniger Regularien machen.

Fabian Bauwens-Adenauer

Der Sohn von Paul-Bauwens-Adenauer ist geschäftsführender Gesellschafter von Bauwens Construction.

Ein konkretes Beispiel, bitte.
Patrick Adenauer: Die Verkürzung der Genehmigungsfristen und dass spätestens nach drei Jahren eine Entscheidung da sein muss. Es dauert zu lange, Flächen auszuweisen. Es wird zu viel Rücksicht genommen. Die Regierung muss sich entscheiden: Will sie die seltene Kröte oder den Wohnraum? Klar ist: Es wird künftig eher weniger als mehr gebaut.

Bauen in den USA

Sie sind seit 2015 in den USA aktiv und verwalten dort Immobilien im Wert von rund einer Milliarde Euro. Wie viel schneller bauen Sie in den USA?
Fabian Bauwens-Adenauer: Der Entwicklungsprozess ist 30 bis 50 Prozent kürzer. Und es gibt einfach weniger Ausnahmen, wenn einmal alles klar ist, dann läuft es dort glatt durch. Hierzulande versucht man immer, alles zu klären und Einzelfallgerechtigkeit herbeizuführen. 

Wie beurteilen Sie aktuell das Investitionsklima in den USA?
Fabian Bauwens-Adenauer: Wenn die Unsicherheit groß ist, dann ist auch die Zurückhaltung der Investoren groß. Gerade ist es mit Blick auf die unruhigen Zeiten etwas mühsamer, Investoren für US-Investments zu gewinnen. Der Ausgang der Midterms hat aber einen positiven Impuls gegeben.

Ihr Engagement in den USA ist auch als eine Art Hedging für die Familie gedacht. Funktioniert das noch?
Patrick Adenauer: Das treiben wir weiter voran. Das Grundvertrauen unserer Investoren in den US-Markt ist weiter da.

Ann-Sophie Bauwens-Adenauer: Auch als Währungsraum bleiben die USA attraktiv. Wir kaufen gerade ein zweites Portfolio mit bis zu 650 Einfamilienhäusern, die vermietet werden.

In den USA liegt die Eigentumsquote von Immobilien bei 65 Prozent. Hierzulande werden 49,5 Prozent erreicht, was selbst im EU-Durchschnitt wenig ist. Wie lässt sich das ändern?
Patrick Adenauer: Um das zu ändern, müsste man wahrscheinlich die Eigenheimzulage wieder einführen.

Die zu Zeiten von Helmut Kohl Hausbauer und -käufer unterstützte …
Patrick Adenauer: Sie war wohl zu erfolgreich und daher zu teuer, weil sie zehn Milliarden Euro pro Jahr gekostet hat. Deshalb wurde sie 2005 wieder abgeschafft.

Würde die Zulage auch helfen, um das Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen zu erreichen?
Ann-Sophie Bauwens-Adenauer: Die Bauzurückhaltung ist ja schon länger da. Wohnungsbau ist momentan nicht mehr wirklich attraktiv. Wenn Sie in München einen Komplex mit 100 Wohnungen entwickeln, müssen bei Neubauten davon nun 60 als Sozialwohnungen deklariert werden. Und von den restlichen 40 Prozent müssen wiederum 50 Prozent Mietwohnungen sein. Das ist alles vielleicht gut gemeint, aber so werden einfach viel weniger Projekte gestartet als möglich wären.

Patrick Adenauer: Was in München dagegen fortschrittlich ist, ist, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft ganze, neue Quartiere kauft und nach sozialen Kriterien vermietet.

Sie sagen seit Jahren, der Staat als Unternehmer ist nicht gut, aber als Käufer schon?
Patrick Adenauer: Ja, als Bereitsteller von Sozialleistungen, indem er günstig vermietet. Das ist eine staatliche Entscheidung, Wohnraum günstig anzubieten.

Net Zero bis spätestens 2045

Bei den aktuell steigenden Kosten: Würden Sie einer jungen Familie heute noch empfehlen, selbst zu bauen?
Patrick Adenauer: (zögert) Ich wäre erst mal vorsichtig wegen der steigenden Baukosten. Ich würde eher etwas Fertiges mit Preisgarantie kaufen.

Ann-Sophie Bauwens-Adenauer

Seit viereinhalb Jahren ist sie in der Unternehmensgruppe, zurzeit als Leiterin Konzern-Controlling.

Ist Material noch knapp?
Fabian Bauwens-Adenauer: Nicht mehr so sehr in der Breite wie etwa bei Stahl und Holz zwischenzeitlich, aber für einzelne Gewerke wie haustechnische Anlagen fehlen oft Komponenten.

Also Chips?
Fabian Bauwens-Adenauer: Ja, auch. Aber wir haben zum Beispiel bei einem Hotelprojekt in Frankfurt Schaltschränke nicht rechtzeitig bekommen. Wir wussten, dass alles teurer wird, aber dass man manche Komponenten gar nicht bekommt, war schon eine Erfahrung. Man muss sich einfach mehr Gedanken um die Vorlieferanten machen und da auch Partner aufbauen.

Der Gebäudesektor steht für 38 Prozent der CO2-Emissionen. Was tun Sie, damit die Energiewende bei Ihnen gelingt?
Fabian Bauwens-Adenauer: Unser konkretes Ziel ist bei unseren Produkten eine Halbierung bis 2030 und auf Net Zero bis spätestens 2045. Wir haben eine eigene Tochter für Proptech Investments gegründet, Beyond Build. Diese hat sich an dem Start-up Aedifion beteiligt, das den Energieverbrauch mithilfe von Künstlicher Intelligenz analysiert und eine Reduktion des Energieverbrauchs von bis zu 30 Prozent erreichen kann. Und bei unserer eigenen Gründung Empact geht es um die energetisch optimale Konzeption von Neuprojekten, die energieautark funktionieren sollen. Und: Wir können Bestandsgebäude energetisch sanieren. Da werden viele ältere Immobilien auf den Markt kommen.

Wie finanzieren Sie das?
Patrick Adenauer: Das geht im großen Stil nicht mit klassischen Krediten, wir wollen dafür gegebenenfalls einen Fonds auflegen.

Wie sieht denn die CO2-Bilanz bei Ihren Gebäuden aus?
Ann-Sophie Bauwens-Adenauer: Wir kommen von 37 Kilogramm CO2-Äquivalent pro Quadratmeter und Jahr nach bisheriger Bauweise und Energieversorgung runter auf 14, davon entfallen rund sechs bis sieben auf die Erstellung, der Rest auf den Betrieb. Das Ziel ist beim grauen CO2 für die Erstellung, auf fünf Kilogramm zu kommen und beim Betrieb durch Photovoltaikanlagen und moderne autarke Energiekonzepte auf minus fünf Kilogramm. So würden wir am Ende bei Net Zero landen. 

Frau Bauwens-Adenauer, Herr Bauwens-Adenauer, Herr Adenauer, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Jetzt kaufen oder verkaufen? Sieben Markttrends, die Sie für das kommende Jahr kennen sollten

source site-15