Dynamisch, aber nicht ungefährlich – Warum indische Staatsanleihen in den Fokus rücken

Bombay Stock Exchange

Aktuell hat Indien Staatspapiere im Wert von knapp 1,2 Billionen Dollar ausstehen.

(Foto: dpa)

Frankfurt Indien ist derzeit auf Siegeszug. Laut Schätzungen hat der Subkontinent China knapp als bevölkerungsreichstes Land der Welt abgelöst, zudem wird die indische Wirtschaft laut Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr um 6,1 Prozent wachsen und damit so schnell wie keine andere große Volkswirtschaft. Indien profitiert von den Bemühungen Europas und der USA, sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China zu lösen, sagen Ökonomen. Als Ausrichter des G20-Gipfeltreffens am kommenden Wochenende rückt das Land zusätzlich in den Fokus.

Am Anleihemarkt dürfte Indien als Nächstes aufholen. Denn Investorinnen und Investoren rechnen damit, dass die US-Bank JP Morgan in den nächsten Wochen ankündigen wird, Indien kommendes Jahr in den „JP Morgan-GBI-EM Global Diversified“-Index aufzunehmen. Dies ist der weltweit wichtigste Index für Staatsanleihen aus Schwellenländern in Lokalwährung, den viele börsengehandelte Indexfonds (ETF) nachbilden. Zudem plant der Indexanbieter Bloomberg, Indien in seinen „Bloomberg Global Aggregate Index“ aufzunehmen.

Die Aufnahme in die beiden Indizes dürfte viel zusätzliches Geld in indische Staatsanleihen dirigieren. Volker Kurr, Europachef für den institutionellen Vertrieb bei Legal & General Investment Management (LGIM), rechnet in den nächsten ein bis anderthalb Jahren mit Zuflüssen von 40 Milliarden Dollar. Die US-Großbank Morgan Stanley prognostiziert eine ähnliche Summe.

Aktuell hat Indien Staatspapiere im Wert von knapp 1,2 Billionen Dollar ausstehen. Damit gibt es fast so viele indische Staatsanleihen wie deutsche Bundesanleihen. Unter den Schwellenländern hat Indien nach China die meisten Zinspapiere an den Markt gebracht.

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Erst vor dreieinhalb Jahren öffnete Indien seinen Anleihemarkt für ausländische institutionelle Anleger und führte dafür das „Fully Accessible Route“-Programm (FAR) ein. Seither können zugelassene Investoren indische Staatsanleihen in der Lokalwährung Rupie kaufen, ohne Quoten oder anderen Beschränkungen zu unterliegen.

Indexgewicht von zehn Prozent

Experte Kurr schätzt, dass bis Mitte 2025 unter diesem Programm indische Staatsanleihen mit einem Gesamtvolumen von umgerechnet 400 Milliarden Dollar verfügbar sein werden. Indien wäre dann nach China der zweitgrößte Markt im JP-Morgan-Index und würde (wie China) auf das Indexmaximalgewicht von zehn Prozent kommen. Die Aufnahme der indischen Anleihen in den Index dürfte schrittweise mit einem Prozent pro Monat erfolgen, meint Kurr.

Dass es für ausländische Investoren bis vor dreieinhalb Jahren so schwer war, indische Staatsanleihen zu kaufen, ist der Grund dafür, dass das südostasiatische Land bislang noch nicht in globalen Schwellenländer-Indizes enthalten ist. Dabei sind die Papiere nach Einschätzung von Investoren durchaus attraktiv. Indische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren werfen mehr als sieben Prozent Rendite ab.

Indiens Nationalbank hat ihren Zinserhöhungszyklus beendet, und die Regierung arbeitet weiter an der Konsolidierung des Haushalts. Als Gefahr für die wirtschaftliche und politische Stabilität des Landes gelten indes Armut, Korruption und die autokratischen Bestrebungen von Premierminister Narenda Modi. Die großen Ratingagenturen S&P, Moody’s und Fitch bewerten die Bonität des Landes daher mit „BBB-“ auf der untersten Stufe des Investmentgrade für solide Schuldner.

Mehr: Indiens Aufstieg: Warum das Land seinen Erfolg jetzt nur noch selbst gefährden kann

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