Deutsche Großbanken schneiden bei Stresstest vergleichsweise schlecht ab

Frankfurt Mehrere deutsche Großbanken haben bei einem europaweiten Stresstest vergleichsweise schlecht abgeschnitten: Die DZ Bank sowie die Landesbanken Helaba und NordLB zählten zu den schwächsten fünf Instituten. Die Deutsche Bank lag als achtschlechtestes Institut nur knapp etwas weiter vorn. Das geht aus den Zahlen hervor, die die EU-Bankenbehörde Eba und die Europäische Zentralbank (EZB) am Freitagabend vorlegten. Die Kapitalquoten der Banken lagen im härtesten Stressszenario zwischen sieben und acht Prozent.

Dennoch zeigen die Ergebnisse aus Sicht der Finanzaufsicht, dass die meisten europäischen Großbanken für einen harten Wirtschaftsabschwung gerüstet sind. „Wir sind insgesamt zufrieden mit den Ergebnissen des Stresstests“, sagte Eba-Direktor Jacob Gyntelberg dem Handelsblatt. Die europäischen Banken seien mit einer höheren Kapitalquote, einer höheren Qualität im Kreditbuch und einer besseren Ertragslage in den Stresstest gestartet. „Das hat sich ausgezahlt.“

Es gebe jedoch auch eine Handvoll Banken, deren Ergebnis nicht zufriedenstellend sei. „Harte Kernkapitalquoten von sechs bis acht Prozent sind für Banken kritisch.“ Für diese Institute könnte das Ergebnis nicht nur aufsichtsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern auch negative Marktreaktionen auslösen.

Die Banken mussten bei dem Stresstest simulieren, welche Folgen ein Einbruch der Wirtschaft, ein Verfall von Immobilien- und Aktienpreisen sowie ein Anstieg von Zinsen und Inflation für sie hätten. Bis Ende 2023 würden auf die Geldhäuser dadurch Verluste von 496 Milliarden Euro zukommen.

Bei den 70 Instituten, die von der Eba untersucht wurden, sank die harte Kernkapitalquote im Krisenszenario im Durchschnitt um 4,59 Prozentpunkte auf 10,4 Prozent. Damit schnitten die Banken minimal besser ab als bei der letzten Belastungsprobe 2021, obwohl der Test diesmal härter war.

Wie haben sich Deutsche Bank und Commerzbank geschlagen?

Die Deutsche Bank büßte beim Härtetest deutlich ein: Ihre harte Kernkapitalquote schrumpfte um 5,3 Prozentpunkte auf 8,1 Prozent. Gegenüber dem vorangegangenen Stresstest war das allerdings eine Verbesserung: Vor zwei Jahren schrumpfte ihre Kapitalquote noch um 6,1 Prozentpunkte auf 7,6 Prozent. Das Institut führt das auf seine verbesserte Profitabilität und den höheren Eigenkapitalbestand zurück. Der Stresstest zeige „die verbesserte Widerstandsfähigkeit“ des Instituts, sagte Finanzvorstand James von Moltke.

Bei der Commerzbank sank die harte Kernkapitalquote im Stressszenario um 460 Basispunkte auf 9,5 Prozent. Beim letzten Stresstest 2021 war die Quote noch etwas stärker von 13,2 auf 8,2 Prozent zurückgegangen.

Hauptgrund für das bessere Abschneiden der Commerzbank in diesem Jahr seien die höheren Gewinne, sagte Risikovorstand Marcus Chromik. „Wir haben mit unserer ,Strategie 2024‘ die Profitabilität der Bank nachhaltig gestärkt und sie damit noch widerstandsfähiger gemacht.“ Die Commerzbank startete in den aktuellen Stresstest mit einem Gewinn von 1,4 Milliarden Euro aus dem Jahr 2022. Vor drei Jahren waren es lediglich 644 Millionen Euro.

Wie haben die anderen deutschen Institute abgeschnitten?

Am schwächsten unter den deutschen Banken schnitt die DZ Bank ab. Ihre Kapitalquote sank im Stressszenario um 652 Basispunkte auf 7,0 Prozent. Nach Angaben des genossenschaftlichen Spitzeninstituts ist dies maßgeblich auf einen Bilanzierungseffekt zurückzuführen, von dem die Bank wegen ihrer Versicherungstochter R+V besonders stark betroffen ist. Insgesamt habe sich die DZ Bank „im Stresstest als robust kapitalisiert“ erwiesen.

Den vorletzten Platz in Deutschland teilen sich die Helaba und die NordLB mit einer Kapitalquote im Stressszenario von jeweils 7,6 Prozent. Bei der größten Landesbank LBBW belief sich die Quote auf 8,8 Prozent, bei der BayernLB auf 9,5 Prozent.

Die Europatochter von JP Morgan, die im vergangenen Jahr zur fünftgrößten Bank in Deutschland aufgestiegen ist, kommt auf vergleichsweise komfortable 13,9 Prozent. Spitzenreiter in der Bundesrepublik ist die Europatochter von Goldman Sachs mit 24,5 Prozent. Platz zwei belegt die Volkswagenbank mit 14,7 Prozent.

Warum haben die deutschen Banken vergleichsweise schlecht abgeschnitten?

„Geografisch sieht man Unterschiede zwischen Ländern, in denen eine feste Zinsbindung üblich ist, wie etwa Deutschland und Frankreich, und Ländern, in denen Kredite überwiegend variabel verzinst werden“, sagt Eba-Experte Gyntelberg. Banken in Ländern mit variablen Zinsen profitieren schneller von Zinserhöhungen, weil sich die Kreditkonditionen automatisch anpassen. In Deutschland sind jedoch fest verzinste Darlehen üblich. „Das bremst bei steigenden Zinsen die Erträge“, betont Gyntelberg.

Andererseits seien auch die Risikokosten deutscher Banken geringer. „Variable Zinsen können unter Umständen zu höheren Kreditausfällen führen, wenn sich Kunden die steigende Zinslast nicht mehr leisten können.“

Unter dem Strich zahlten sich diese Vorteile für die Banken nicht aus. Spanische Institute, die viele variable Kredite vergeben, schlugen sich im Stresstest im Durchschnitt besser. Es gab aber auch in anderen Ländern Banken, die durch die Szenarien erheblich unter Druck gerieten. Bei der französischen Postbank radierte der Stresstest das gesamte Eigenkapital aus. Und die Europatochter der britischen Barclays Bank schnitt mit einer Kapitalquote von 6,8 Prozent noch schwächer als die DZ Bank ab.

Welche Folgen hat ein schlechtes Stresstest-Resultat?

Mit dem Stresstest will die Finanzaufsicht überprüfen, wie gut Geldhäuser für wirtschaftliche Schocks gerüstet sind. Die Banken können dabei zwar nicht durchfallen. Die Aufsichtsbehörden lassen die Ergebnisse aber in die jährliche Bewertung der Banken einfließen. Neben dem gesetzlichen Minimum legt die Bankenaufsicht für jede Bank individuell sowohl einen verpflichtenden Kapitalpuffer fest als auch eine individuelle Empfehlung. Das Stresstest-Ergebnis beeinflusst die Höhe dieser individuellen Kapital-Empfehlung. Die Empfehlung ist zwar keine harte Pflicht, aber die Aufsicht drängt Banken dazu, auch diese Wunsch-Kapitalquote zu erfüllen.

Die Kapitalanforderungen an Banken unterteilen sich in zwei Stufen: Es gibt eine lebenswichtige Untergrenze, die aus dem Pflicht-Minimum sowie dem individuellen Pflicht-Kapitalzuschlag besteht. Fällt eine Bank unter diese Schwelle, schreitet die Aufsicht ein und ordnet Notfallpläne an. Darüber hinaus gibt es eine weichere Anforderung, bei der eine Bank zwar nicht mehr ohne Einschränkungen Dividenden und Boni zahlen darf, die aber noch keine strengen aufsichtlichen Maßnahmen nach sich zieht.

Von den 98 Banken, die die EZB überprüfte, hätten 53 Institute so viel Kapital verloren, dass die EZB ihnen nicht mehr uneingeschränkt Dividenden- oder Bonuszahlungen erlaubt hätte. Weitere neun Institute hätten sogar nicht einmal mehr die Anforderungen erfüllt, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind.

Wie verlief der Stresstest?

Beim ersten Stresstest von EZB und Eba im Jahr 2014 war die Aufregung in der Finanzbranche groß. Monatelang wurde hitzig über das Vorgehen und die Ergebnisse diskutiert. Seitdem hat es immer wieder Stresstests gegeben – und Finanzaufsicht und Banken sind professioneller und routinierter geworden.

Die meisten Investoren betrachten die Ergebnisse inzwischen auch relativ entspannt, zumal es dabei in den vergangenen Jahren keine großen Überraschungen mehr gab. „Der Stresstest wird immer mehr zu einem Non-Event – für uns genauso wie für den Markt“, sagt ein hochrangiger Banker. Nichtsdestotrotz sei die Übung gut, weil sei bei allen Beteiligten die Sinne dafür schärfe, welche Risiken auf die Banken zukommen könnten.

Was hält die Finanzaufsicht von den Ergebnissen der deutschen Banken?

Die deutsche Finanzaufsicht äußerte sich zufrieden zum Abschneiden der deutschen Geldhäuser. „Die Ergebnisse des Stresstests zeigen, dass deutsche Banken auch im Falle eines sehr harten wirtschaftlichen Abschwungs stabil wären“, sagte Raimund Röseler, der oberste Bankenaufseher der Finanzaufsicht Bafin.

Auch Bundesbank-Vorständin Claudia Buch wertet die Ergebnisse angesichts der großen makroökonomischen Unsicherheiten als „positive Botschaft“. Wegen ihrer guten Kapitalisierung könnten die deutschen Institute auch die Verluste in einem negativen Szenario verkraften. „Die Aufsicht muss aber weiter sehr wachsam bleiben“, mahnte Buch.

Wer und was wurde beim Stresstest getestet?

Im Stressszenario wurde untersucht, welche Folgen eine Verschärfung von geopolitischen Konflikten und ein Wiederaufflammen der Coronapandemie hätten. Dabei wurde unterstellt, dass das Bruttoinlandsprodukt in der EU von 2023 bis Ende 2025 um sechs Prozent sinkt. Die Annahmen waren damit so hart wie nie zuvor bei einem Stresstest.

An der Übung nahmen dieses Jahr 70 Institute teil. Darunter waren Banken aus 15 EU-Staaten sowie das größte norwegische Finanzinstitut DNB. Die Banken stehen laut Eba für 75 Prozent des Bankenmarktes in der EU und in Norwegen. 57 der 70 Institute im Eba-Stresstest sind Banken aus dem Euro-Raum, die von der EZB beaufsichtigt werden. Parallel dazu unterzog die EZB 41 weitere Banken einem Stresstest.

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