Was uns frühere Misserfolge über die Ambitionen Europas für grünen Stahl verraten


Europa braucht einen Leitmarkt, um grünen Stahl auszubauen. Und obwohl der Block weder über die Bargeld-Bazooka des US-amerikanischen Inflation Reduction Act noch über den Staatskapitalismus Chinas verfügt, kann die Automobilindustrie der Leitmarkt sein, um Europas grüne Stahlpläne voranzutreiben, schreibt Julia Poliscanova.

Julia Poliscanova ist Senior Director für Fahrzeuge und E-Mobilitäts-Lieferketten bei Transport & Environment, einer Kampagnengruppe für saubere Mobilität.

A123 Systems, ein US-Startup mit dem Ziel, Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos herzustellen, erhielt 2009 bekanntermaßen Hunderte Millionen Dollar an Unterstützung von der US-Regierung.

Im selben Jahr sammelte das US-amerikanische Solarpanel-Startup Solyndra ebenfalls über eine halbe Milliarde Subventionen ein, um das Unternehmen bei der Expansion zu unterstützen.

Beide gingen pleite.

Obwohl die Umstände unterschiedlich sind, haben beide Unternehmen gemeinsam, dass es ihnen nicht gelingt, einen Markt für ihr Produkt zu sichern.

In den USA waren die Verkäufe von Elektroautos im Jahr 2009 stagnierend, da es noch keine ausreichend strengen Regeln für saubere Autos gab. Die mangelnde Nachfrage nach lokal hergestellten Solaranlagen (lange vor dem US-amerikanischen Inflation Reduction Act) führte dazu, dass Solyndra mit billigeren Konkurrenten aus anderen Ländern konfrontiert war.

Etwas Ähnliches passiert derzeit im europäischen Stahlsektor.

Stahl ist für 7 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich und steht damit ganz oben auf der industriellen Dekarbonisierungsagenda.

Die gebräuchlichste Produktionsmethode erfordert die Reduktion von Eisenerz mit kohlebefeuerten Hochöfen bei Temperaturen über 1500°C. Durch die Verwendung von recyceltem Stahl bzw. Schrott in Elektrolichtbogenöfen können die Gesamtemissionen des Stahlsektors um ca bis 2050 fast die Hälfte.

Doch um Stahl vollständig zu dekarbonisieren, sind neue Herstellungsverfahren für die Primärstahlproduktion erforderlich.

Eine Möglichkeit besteht darin, grünen Wasserstoff als Reduktionsmittel in einem DRI-Verfahren (Direct Reduction of Iron Ore) einzusetzen. Auch die direkte Elektrifizierung (durch Elektrolyse) wird entwickelt.

Weitere Optionen sind die Herstellung von Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas und die Abscheidung von CO2 mithilfe von Kohlenstoffabscheidungstechnologien.

Die Entwicklung sauberer Stahlherstellungsprozesse erfordert Zeit, Mühe und viel Kapital, was die Regierungen dazu veranlasst, lokale Unternehmen zu subventionieren.

Der deutsche Riese ThyssenKrupp erhielt kürzlich Staatshilfen in Höhe von zwei Milliarden Euro für sein grünes Stahlwerk in Duisburg. ArcelorMittal hat bisher fast 2,3 Milliarden US-Dollar an Subventionen von der französischen und kanadischen Regierung für seine eigenen Pläne für umweltfreundlichen Stahl erhalten. Die Liste geht weiter.

Es ist nicht klar, ob alle diese Subventionen nur für grünen Stahl gelten. Noch unklarer ist jedoch, wer all diesen grünen Stahl zu welchem ​​Preis kaufen wird.

Abgesehen von freiwilligen Selbstverpflichtungen einiger Premium-Automobilhersteller wie BMW, Mercedes und Volvo Cars, die leicht verzögert oder gestrichen werden können, fehlt derzeit ein verlässlicher Leitmarkt in Europa.

Eine zuverlässige Marktabnahme ist der Schlüssel zu Kosteneffizienz und Skalierung. Es kann die nötige Volumensicherheit geben und die Investition freisetzen.

Während Solyndra und A123 Systems im Jahr 2009 scheiterten, spielt sich in Europa im Jahr 2023 eine andere Geschichte ab.

Auch ohne hohe Subventionen dominieren die europäischen Windkraftanlagenhersteller globale Top 10während in Europa aufgrund der Gewissheit des Elektroautomarktes Dutzende Batteriefabriken gebaut werden. Der CEO eines dieser Batterieunternehmen kürzlich erklärt dass das Verbot von Automotoren im Jahr 2035 ihn dazu bewogen hat, sich für Europa zu entscheiden.

Während Europa weder über die Bargeld-Panzerfaust der US-amerikanischen IRA noch über den Staatskapitalismus Chinas verfügt, kann die Automobilindustrie der Leitmarkt sein, um Europas Pläne für umweltfreundlichen Stahl voranzutreiben.

Automobillieferketten sind das Herzstück des europäischen Industriegefüges. Sie kaufen 30 % des europäischen Qualitätsstahls (und sogar fast die Hälfte der Produktion von Unternehmen wie ThyssenKrupp). Automobilhersteller wachsende Gewinnmargen Dies bedeutet auch, dass sie die kurzfristige grüne Prämie von saubererem Stahl absorbieren können.

Die EU sollte ab 2030 grüne Stahlquoten für Neuwagen einführen. Dies kann entweder über das derzeit diskutierte Altauto-Gesetz (ELV) oder über separate CO2-Standards für Automobilstahl (ausgedehnt auf Lkw, Züge und Busse) erfolgen in der Zukunft).

Autoherstellern kann ein durchschnittliches Ziel vorgegeben werden, das sie für ihr gesamtes Angebot an Neuwagen erreichen müssen. Premium-Modelle erreichen dieses zunächst, bevor sie es in der gesamten Fahrzeugpalette kommerzialisieren.

Dies sollte durch eine überarbeitete Handelspolitik flankiert werden, die eine lokale Industriebasis für grünen Stahl unterstützt, beispielsweise durch die Ausweitung von CBAM auf stahlverarbeitende Produkte wie Autos. Staatliche Beihilfen könnten dann Innovationen unterstützen und Lücken schließen (z. B. in Form von Differenzverträgen), aber sie können nicht das einzige Instrument sein, um den Ausbau der Produktion zu unterstützen.

Subventionen allein werden die europäische Stahlindustrie nicht verändern, werden den Steuerzahler aber teuer zu stehen kommen. Ein sicherer Automobil-Leitmarkt und eine kluge Handelspolitik sind das, was Europa braucht, um seine grüne Stahlindustrie aufzubauen.



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