The Lost Daughter-Rezension: Maggie Gyllenhaal und Olivia Colman umarmen die Dornen der Mutterschaft

Regie: Maggie Gyllenhaal. In der Hauptrolle: Olivia Colman, Dakota Johnson, Jessie Buckley, Peter Sarsgaard, Ed Harris. 15, 122 Minuten.

Olivia Colman lässt selbst die flüchtigsten Emotionen poetisch erscheinen. In Die verlorene Tochter, Maggie Gyllenhaals Regiedebüt, wird einer leichten Irritation das Gewicht der Trauer zugeschrieben – die zerklüfteten Linien, die sich um einen säuerlichen Mund bilden. Ihre Figur Leda Caruso, eine britische Akademikerin, die mit einem Koffer voller Bücher auf die griechische Insel Spetses gekommen ist, ist aus ihrem Schützenloch einer Mietwohnung und der stillen Gesellschaft ihres Hausmeisters Lyle (Ed Harris) aufgetaucht. Endlich auf ihrem Strandstuhl sitzend, ein Eis in der Hand, wird Ledas Frieden gewaltsam durch die Ankunft einer großen Familie von Amerikanern unterbrochen, die alle aus Queens stammen und alle von einem ständigen Chaos angeheizt werden.

Es ist etwas amüsant, dass Gyllenhaal bei der Adaption dieses weniger bekannten Elena Ferrante-Romans aus dem Jahr 2006 die neopolitanischen Wurzeln des Protagonisten durch britische (insbesondere Leeds) ersetzt hat. Ihr Film lehnt sich natürlich – vielleicht unbewusst – an den über den Atlantik grenzenden Zusammenprall von amerikanischer Vulgarität und britischem Eigensinn an. Als eine der Amerikanerinnen, die schwangere Callie (Dagmara Dominczyk), fragt, ob sie ihren Stuhl verschieben würde, damit ihre Familie zusammensitzen kann, spuckt Leda ein „Nein“ aus, das so scharf und plötzlich ist wie ein Vipernangriff. Das ist das Wunderbare daran Die verlorene Tochter – es umfasst Dornen. Es behandelt es nicht als Persönlichkeitsfehler, sondern als Abzeichen des Überlebens. Traurigkeit ist durch das Herz von Gyllenhaals Film gebohrt, den sie sowohl adaptiert als auch inszeniert hat, aber er ist reich und luxuriös in seiner Textur.

Callie und Leda versöhnen sich später. Sie reden ein wenig über Mutterschaft. Ohne viel Nachdenken entgleitet Leda der Satz „Kinder sind eine erdrückende Verantwortung“. Diese Worte folgen ihr tagelang, als hätten sie eine kleine Regenwolke über ihrem Kopf gebildet. Wenn jede Ambivalenz gegenüber der Mutterschaft als ein perverses Geheimnis behandelt wird, kann die selbst auferlegte Scham beginnen, einen Menschen zu zerfressen. Gyllenhaal schwelgt in der semi-fabelhaften Bildsprache von Ferrantes Schriften: die Fruchtschale, die sich als dick mit Maden herausstellt, oder die Zikade, die Leda halbtot und schreiend auf ihrem Kissen findet. Es ist fast so, als rebellierte die Natur gegen sie – sie, die sich selbst als Übertretung sieht.

Leda fühlt sich zu Callies Schwägerin Nina (Dakota Johnson) und ihrer wilden Tochter Elena hingezogen. In den kohlrandigen Augen der jungen Mutter scheint sie immer nach etwas zu suchen (und Johnsons Performance schafft die ideale Balance zwischen Glamour und Hochmut). Leda will wissen, wie sie von Nina wahrgenommen wird. Oder wie sie von Will wahrgenommen wird (Normale Leute‘s Paul Mescal), der gutaussehende Student, der an der Strandbar arbeitet. Oder wie Nina von Will wahrgenommen wird. Schon eine kleine Geste des Verständnisses könnte die spürbare Spannung zwischen allen Parteien durchbrechen. Als Leda auf Elenas verlorene Puppe stößt, warum bringt sie es dann nicht über sich, sie zurückzugeben?

Die jüngere Leda wird in einer Rückblende von Jessie Buckley mit natürlicher Offenheit gespielt

(Netflix)

Die Wahrheit kommt in einer Reihe methodischer Rückblenden ans Licht, die von der Kamerafrau Helene Louvart mit einer Unschärfe aufgenommen wurden, die niemals zur Wärme einlädt. Die jüngere Leda wird in diesen Szenen von Jessie Buckley gespielt. Wir sehen zu, wie ihre beiden Töchter, die beide Angst schreien, sie zwingen, sich in eine Zimmerecke zurückzuziehen. Winzige Hände greifen nach Fleisch und Stoff. Sie duckt sich, ihre zitternde Stimme versucht immer noch, ein Gespräch mit einem Kollegen am Telefon zu führen. “Ich ersticke!” schreit sie, als Buckleys natürliche Offenheit immer hektischer wird. Zurück in der Gegenwart fragt Nina Leda nach den Jahren, die sie seither von ihren Töchtern getrennt hat. „Es hat sich unglaublich angefühlt“, antwortet sie. Es ist keine leichte Emotion, nein – aber Die verlorene Tochter gibt ihm etwas Raum zum Atmen.

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