China lässt westliche Chipkonzerne auflaufen

Intel in China

Intel präsentiert sich an einem Messestand in China: Das Land ist der wichtigste Markt für den Chipkonzern.

(Foto: AP)

München/Peking Technologisch hinkt die chinesische Chipindustrie den westlichen Anbietern um Jahre hinterher. Aber die Volksrepublik ist der größte Halbleitermarkt weltweit. Das hat die Regierung in Peking jetzt genutzt, um die milliardenschwere Übernahme des israelischen Auftragsfertigers Tower Semiconductor durch den US-Konzern Intel zu vereiteln.

Die Chinesen gingen trickreich vor: Sie äußerten sich zu dem 5,4 Milliarden Deal schweren Deal innerhalb der vorgesehenen Frist schlichtweg nicht. Die Genehmigung der Behörden in Peking wäre aber nötig gewesen. Denn im Kaufvertrag hatten Intel und Tower vereinbart, dass sämtliche wichtigen Länder den Deal akzeptieren müssen.

So kommt es, dass China eine Transaktion blockiert, mit der das Land auf den ersten Blick gar nichts zu tun hat. Gleichwohl sei die entsprechende Klausel im Vertrag zwischen Intel und Tower kein Zufall, meint Rechtsanwalt Horst Grätz von der Beratungsgesellschaft Rödl & Partner. Vielmehr sei das bei derartigen Übernahmen aus gutem Grund durchaus üblich.

Intel kann China nicht einfach ignorieren

„Fehlt die Zustimmung auch nur eines Landes, könnte der gesamte Deal unwirtschaftlich werden, weil die Lieferbeziehungen gefährdet sind“, sagt der M&A-Spezialist. „Daher sind die Genehmigungen der Behörden häufig Teil von Kaufverträgen.“

Tower Semiconductor

Techniker in einer Fabrik von Tower: Der US-Konzern Intel musste die Übernahme des israelischen Wettbewerbers wegen des Widerstands von China aufgeben.

(Foto: Bloomberg)

Intel kann es sich nicht leisten, China zu brüskieren. Vergangenes Jahr erzielte der Konzern aus dem Silicon Valley dort mehr als ein Viertel des Umsatzes. Kein anderes einzelnes Land ist so bedeutsam für den zweitgrößten Chipkonzern der Welt. Das ist bei den meisten Mitbewerbern nicht anders. Der Münchener Dax-Konzern Infineon etwa kam im zweiten Quartal auf einen China-Anteil von 26 Prozent.

Mit seiner Blockade setzt China nach Ansicht von Rechtsanwalt Grätz ein Zeichen: „Das Scheitern von Intel zeigt, dass selbst die Größten der Branche mit ihren Fusionen nicht mehr durchkommen. Das könnte dazu führen, dass Firmen vor weiteren Akquisitionen zurückschrecken.“

China blockiert alle Übernahmen von Amerikanern

Für amerikanische Chipfirmen werden Übernahmen damit immer schwieriger. Die chinesische Staatsführung blockiere mithilfe des Kartellrechts im Wesentlichen alle Fusionen und Übernahmen, an denen Unternehmen der US-Halbleiterindustrie beteiligt sind, warnt Gregory C. Allen, Tech-Experte beim US-Thinktank Center for Strategic and International Studies (CSIS).

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Dies sei die Antwort der Chinesen auf weitreichende Tech-Sanktionen, die vergangenen Herbst von den USA gegen China verhängt wurden, um den Zugang der Volksrepublik zu Hightech-Halbleitern sowie Maschinen zu deren Herstellung einzuschränken. Andere Länder wie die Niederlande und Japan hatten sich den Exportrestriktionen auf Druck der USA angeschlossen.

Das Kalkül der Chinesen ist einfach: Je mehr Chipfirmen von US-Konzernen übernommen werden, umso schlechter für China. Denn die US-Sanktionen zielen darauf ab, China zwar weiter „technologische Fortschritte zu ermöglichen, aber das Tempo zu begrenzen, damit die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten einen dauerhaften Vorsprung behalten“, so Allen. Führende chinesische Halbleiterhersteller wie Biren, YTMC und SMIC würden dadurch „um Jahre zurückgeworfen“. Mehr noch: Der Rückstand dürfte in den kommenden Jahren wachsen, „da die Welt Fortschritte macht und China zurückbleibt“.

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China hat in jüngster Zeit darum immer heftiger auf die US-Restriktionen reagiert. Bei Gallium und Germanium müssen chinesische Produzenten seit 1. August Exportlizenzen beantragen, wenn sie die für die Halbleiterbranche wichtigen Materialien ausführen wollen. Zuvor war im Frühjahr der amerikanische Speicherchipspezialist Micron ins Visier der Behörden geraten. Peking hat den Betreibern von Infrastruktureinrichtungen in China den Einsatz der Chips des Konzerns wegen Datensicherheitsbedenken untersagt.

Behörden werden sich weiter einmischen

Branchenbeobachter rechnen damit, dass weitere Schritte folgen werden. „Die Befürchtung in der Industrie ist, dass dies noch nicht das Ende der Fahnenstange ist“, sagt Ondrej Burkacky, Chipexperte der Beratungsgesellschaft McKinsey.

Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass China eine Akquisition in der Chipindustrie platzen lässt, mit der das Land unmittelbar nichts zu tun hat. Vor fünf Jahren musste der US-Konzern Qualcomm den geplanten Kauf des niederländischen Mitbewerbers NXP auf Betreiben Pekings aufgeben. Mit 44 Milliarden Dollar wäre es eine der größten Akquisitionen aller Zeiten in der Industrie gewesen.

Anwalt Grätz geht unterdessen davon aus, dass sich die Behörden weltweit künftig noch häufiger einmischen werden: „Wir sehen immer öfter eine angstgetriebene politische Sorge, bei den Halbleitern die Kontrolle ausüben zu müssen.“

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