BRICS-Staaten wollen sich von Dollar-Abhängigkeit lösen

Kapstadt, Peking, Düsseldorf, Frankfurt Die sogenannten BRICS-Staaten wollen ihre Anstrengungen intensivieren, Geschäfte ohne die Nutzung von Dollar abzuwickeln. Man habe über die Verwendung lokaler Währungen gesprochen, sagte am Mittwoch der Gastgeber des BRICS-Gipfeltreffens in Johannisburg, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa. Es gehe darum, den gegenseitigen Handel und Investitionen zu erleichtern.

Der Gruppe gehören China, Indien, Russland, Brasilien und Südafrika an. Die Staats- und Regierungschefs beraten noch bis Freitag über eine engere Zusammenarbeit. Russlands Präsident Wladimir Putin war nicht nach Südafrika gereist, weil der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hat.

Die BRICS-Staaten wickeln wie der Rest der Welt den größten Teil ihres Handels in US-Dollar ab. Ihr Ziel ist es jedoch, Alternativen zu westlich dominierten Institutionen zu schaffen, auch etwa zur Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Diese bekamen vor einigen Jahren Konkurrenz durch die vom BRICS-Bündnis gegründete Neue Entwicklungsbank (NDB).

Dabei dürfte es aus der Sicht von Experten schwierig werden, zügig eine Alternative zum Dollar zu schaffen. „Das Thema ist nicht neu, es hat jetzt aber durch die Sanktionen gegen Russland wieder an Aktualität gewonnen“, sagt Sonja Marten von der DZ Bank, die seit rund 25 Jahren das Geschehen als Devisenexpertin beobachtet. Sie findet es nachvollziehbar, dass die Länder sich aus der Vorherrschaft des Dollars lösen wollen. „Aber das ist Wunschdenken, weil es keine echte Alternative zum Dollar gibt“, sagt sie. „Ob im Handel, bei Währungsreserven oder am Devisenmarkt: Die Welt ist extrem dollarisiert.“

Laut Daten des Zahlungsdienstleisters Swift hatte der Dollar im Juni 2023 einen Anteil von 85 Prozent an der internationalen Handelsfinanzierung. Auf Platz zwei kam der Euro mit knapp sechs und danach der chinesische Yuan (auch Renminbi genannt) mit 4,2 Prozent. Das sei eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorjahresmonat, wie China betont. Damals lag der Yuan noch bei 3,4 Prozent, der Dollar hingegen bei knapp 87 Prozent. Trotzdem ist der Weg zur Ablösung vom Dollar noch kaum absehbar.

Laut Marten gab es einige große bilaterale Deals, die in Yuan abgewickelt wurden, etwa eine zwischen Frankreich und China vereinbarte Lieferung von Flüssiggas. „Auch der Irak erlaubt die Bezahlung in chinesischer Währung“, sagt die Expertin der DZ Bank. Brasilien und Argentinien hätten ebenfalls über bilaterale Zahlungen in einer neuen, gemeinsamen Währung gesprochen. „Aber das sind global betrachtet Kleinigkeiten“, bilanziert sie.

Selbst Chinas Zentralbank braucht den US-Dollar

Ähnlich dominant wie im Welthandel ist der Dollar im Devisenhandel und als Weltreservewährung. Die Zentralbanken halten selbst riesige Dollar-Reserven, auch jene von China und Russland. China nutzt diese Reserven derzeit, um Yuan aufzukaufen und damit seine Währung stabil zu halten. Russland hat diese Möglichkeit nur bedingt, da die USA und die EU-Staaten Reserven der russischen Zentralbank in Höhe von 300 Milliarden Dollar einfroren, nachdem Russland die Ukraine überfallen hatte.

Dass solche Reserven in Dollar gehalten werden, ist kein Zufall. „China hätte gerne das Prestige, eine Welt-Reservewährung zu besitzen, möchte aber nicht die nötige Transparenz dafür zulassen“, sagt Martens. So setzte das chinesische Statistikamt kürzlich seine Berichte über die Jugendarbeitslosigkeit aus, nachdem die Werte enorm gestiegen waren.

In den vergangenen Jahren reduzierten einige Zentralbanken ihre Dollar-Bestände leicht, kauften dafür aber keine Yuan, sondern Euro oder Gold.

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva beschwor zwar in Johannisburg erneut die Schaffung einer gemeinsamen BRICS-Währung, doch die Idee ist so alt wie das Bündnis selbst. Fortschritte wurden dabei in den vergangenen Jahren nicht erzielt.

Gipfel läuft nicht reibungslos

Die ersten Gipfeltage zeigten auch, dass es an Geschlossenheit fehlt, um solch ambitionierte Projekte umzusetzen. So wird berichtet, dass Indiens Premierminister Narendra Modi bei seiner Ankunft in Pretoria ungewöhnlich lange in seinem Flugzeug wartete. Gastgeber Südafrika hatte zu seiner offiziellen Begrüßung nur einen Kabinettsminister entsandt.

Im Gegensatz dazu war Chinas Präsident Xi Jinping am Vortag von Ramaphosa persönlich abgeholt worden. Erst als Ramaphosa seinen Stellvertreter Paul Mashatile zu Modi beorderte, glätteten sich die Wogen.

Modi dürfte es zusätzlich geärgert haben, dass sein Konkurrent Xi den Eröffnungstag mit einem offiziellen Staatsbesuch dominiert hatte, bei dem ihm auch der „Orden von Südafrika“ verliehen wurde – die höchste offizielle Auszeichnung des Landes.

Verwunderung wiederum löste der chinesische Präsident aus, als er eine angekündigte Rede ausfallen ließ. Am Dienstagabend vertrat ihn Handelsminister Wang Wentao in der Runde der Staats- und Regierungschefs. Eigentlich misst die chinesische Staatsführung der BRICS-Gruppe hohe Bedeutung bei, wenn es darum geht, eine neue Weltordnung ohne westliche Dominanz voranzutreiben.

In der Rede hieß es in deutlicher Anspielung auf die USA, ein Land sei „besessen davon, seine Hegemonie aufrechtzuerhalten, und hat alles darangesetzt, die Schwellen- und Entwicklungsländer auszubremsen“. In offiziellen chinesischen Verlautbarungen wurde Xis Fernbleiben nicht erwähnt. Dort hieß es, der Staatschef habe eine Rede gehalten.

Lula kritisiert Ukraine-Krieg

Wladimir Putin nutzte seinen Auftritt, um den russischen Überfall auf die Ukraine als heroischen Akt darzustellen. Der westliche „Neokolonialismus“ und ein Putsch in Kiew hätten zu der „Krise“ in der Ukraine geführt, sagte er. Russlands „Aktionen“ in der Ukraine sollten jene unterstützen, die für ihre Kultur, Tradition, Sprache und Zukunft kämpften.

Xi und Modi erwähnten die Ukraine nicht. Ramaphosa sagte, die BRICS-Runde habe sich darauf verständigt, weiter bei Verhandlungen über eine friedliche Lösung zu helfen.

Von Lula kam in Richtung Putin der spitze Hinweis, es seien weltweit insbesondere die Entwicklungsländer, die unter den Folgen des Kriegs zu leiden hätten. Es könne auch nicht sein, dass die weltweiten Rüstungsausgaben mehr als zwei Billionen Dollar betrügen, während 735 Millionen Menschen auf der Welt hungerten.

Mehrfach erwähnt wurde am Mittwoch die Absicht der Gruppe, weitere Länder aufzunehmen. Welche das sein werden, wurde aber nicht gesagt. Auch war unklar, ob dadurch eine neue Organisation gegründet werden muss – ein „BRICS plus“.

Vor allem in Indien stoßen die von China angeschobenen Erweiterungspläne auf Skepsis. Die Regierung in Neu-Delhi fürchtet, dass sich die Machtverhältnisse in der Staatengruppe durch die Aufnahme neuer Länder verschieben. Vor allem eine zunehmende Dominanz des großen Rivalen China wäre für Indien ein Problem. Der Subkontinent lässt keinen Zweifel daran, dass er die Macht Chinas in Asien begrenzen will. Dafür kooperiert Modi bereits mit den USA, Australien und Japan. Auch will Indien die Rüstungszusammenarbeit mit den USA ausbauen – unter anderem, um sich mit Blick auf den gegenwärtigen Grenzkonflikt mit China besser zu wappnen.

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