Bauwirtschaft fordert mehr als Steueranreize für Wohnungsbau

Berlin Die Pläne von SPD, Grünen und FDP, durch erleichterte Abschreibungsregelungen für den Bau neuer Wohnungen zu sorgen, gehen der Wirtschaft nicht weit genug. Diese Maßnahme werde „nicht ausreichen, um den Wohnungsbau als Ganzes in Schwung zu bringen“, sagte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), dem Handelsblatt.

Für Wohngebäude, mit deren Bau nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 begonnen wird, plant die Regierung eine Abschreibung von sechs Prozent der Investitionskosten, ohne Baukostenobergrenze. 

Die Regelungen gelten also auch für Bauvorhaben, für die bereits eine Baugenehmigung vorliegt. „Das ist unser Angebot an die Bau- und Immobilienbranche, um den Wohnungsbau in Deutschland wieder in Schwung zu bringen“, erklärte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Dienstagnachmittag. Bauvorhaben könnten nun „zügig“ umgesetzt werden.

Baubranche fordert verlässliche Anreize für Investitionen

Der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, sprach von einem „guten Anfang“ und „etwas Hoffnung für den Wohnungsbau in Deutschland“. Aber: „Abschreibungen sind nur möglich, wenn vorher investiert werden konnte.“

Damit dies möglich werde, brauche es zusätzlich Zinsverbilligungen, Investitionszuschüsse für öffentliche Wohnungsunternehmen, eigenkapitalstärkende Darlehen, eine geringere Grunderwerbsteuer sowie niedrigere Gebäudestandards. „Nur wenn Kosten gesenkt werden, wird das Bauen wieder bezahlbar“, sagte Müller dem Handelsblatt.

Baustelle in Niedersachsen

Neue Abschreibungsregelungen sollen zu mehr Wohnungsbau führen.

(Foto: dpa)

Die Politik müsse sich entscheiden, appelliert ZDB-Hauptgeschäftsführer Pakleppa: „Sorgt sie mit verlässlichen Investitionsanreizen für Mut und Investitionsfreude am Wohnungsmarkt oder bleibt es bei dem Trend, entgegen jeglicher Kosten-Nutzen-Analyse die energetischen Anforderungen immer weiter zu verschärfen?“

Pakleppa lobte, dass die neuen Abschreibungsregelungen ab dem Effizienzhaus 55-Standard (EH55) gelten sollten – und nicht erst ab dem energetisch anspruchsvolleren und damit teureren Standard EH40.

Er forderte aber auch Investitionsanreize für den selbst genutzten Wohnungsbau, um private Bauherren zu unterstützen. „Bei der Wohneigentumsförderung für Familien sollte, wie bei der neuen Afa im Mietwohnungsbau, die Kopplung an den EH40-Standard entfallen“, sagte Pakleppa.

Wirtschaft kritisiert hohe energetische Standards

Der Verbandschef forderte den Bund auf, auch Zuschüsse zu gewähren statt wie bisher nur zinsverbilligte Darlehen. Förderberechtigt sollten zudem Familien mit einem Jahreseinkommen von 90.000 Euro bei einem Kind plus 15.000 Euro für jedes weitere Kind sein. Derzeit liegt die Vorgabe bei maximal 60.000 Euro bei einem Kind plus 10.000 Euro für jedes weitere Kind.

>> Lesen Sie hier: Bauen wird immer teurer – ein Investor zeigt, wie es anders geht

Um die beiden energetischen Standards EH55 und EH40 gibt es heftige Debatten. Staatliche Fördermittel fließen seit einigen Monaten nur noch für den energetisch höheren Standard EH40, nicht mehr für EH55. Dieser wurde von der Regierung zum gesetzlichen Mindeststandard beim Neubau erklärt.

Die Wirtschaft argumentiert, dadurch sei Bauen noch teurer geworden. Viele Unternehmer halten den EH40-Standard für einen Kostentreiber, ohne dass sehr viel mehr Energie eingespart wird.

Wer nun künftig nach EH55-Standard baut, kann zwar weiterhin keine staatlichen Fördermittel beantragen, profitiert aber von besseren Abschreibungsregelungen als bisher.

Die Bau- und Wohnungswirtschaft steckt in einer tiefen Krise. Immer mehr Projekte werden storniert oder gestoppt. Stark steigende Material- und Energiekosten, höhere Zinsen, aber auch eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und Normen sowie eine unsichere Förderkulisse setzen die Unternehmen unter Druck.

Thomas Reimann, Chef der Alea Hoch- und Industriebau AG in Frankfurt am Main, sagte: „Die degressive Afa allein wird das Problem nicht lösen.“ Die anhaltend dramatische Lage im Wohnungsbau, vor allem infolge des scharfen Zinsanstiegs und der gestiegenen Baukosten, „wird wohl noch einige Zeit anhalten“. Es brauche eine „konsequente Deregulierung bei den Vorschriften rund um das Bauen und Wohnen“.

Erst vergangene Woche zeigte die Halbjahresbilanz der Bauwirtschaft eine verheerende Entwicklung. „Seit über einem Jahr sehen wir Monat für Monat markant sinkende Baugenehmigungszahlen und Auftragseingänge“, beklagte ZDB-Hauptgeschäftsführer Pakleppa.

Im ersten Halbjahr 2023 fehlten im Vorjahresvergleich Baugenehmigungen für fast 51.000 Wohnungen. Das sei ein Rückgang um 27 Prozent. Besonders eklatant sei der Rückgang der Baugenehmigungszahlen für Ein- und Zweifamilienhäuser. Sie seien um mehr als 40 Prozent eingebrochen.

Die Bundesregierung hatte sich zu Beginn der Legislaturperiode vorgenommen, für 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu sorgen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Tatsächlich wurden 2022 nach Zahlen des Statistischen Bundesamts 295.275 Wohnungen fertiggestellt.

Für die nächsten Jahre rechnen Verbände wie der Spitzenverband der deutschen Wohnungswirtschaft GdW mit abnehmenden Zahlen bis hin zu nur noch 200.000 neuen Wohnungen jährlich.

FDP-Politiker Föst fordert weitere Maßnahmen

Bessere Abschreibungsregelungen dürften darum kaum die letzte Entscheidung der Regierung sein, um die Bauwirtschaft zu stärken. Daniel Föst, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sprach von einem „ersten Baustein eines umfangreichen Maßnahmenpakets“.

In der momentanen Baukrise müsse die Politik alles tun, um das Bauen zu vereinfachen, die Kosten zu senken und die Verfahren zu beschleunigen, sagte Föst. Die FDP erwarte von Bauministerin Geywitz „zügig weitere Maßnahmen zur Rettung unserer Bauwirtschaft“.

Tatsächlich wird derzeit an einem Papier gearbeitet, um das regemäßig einmal im Jahr stattfindende Treffen des „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ im Kanzleramt vorzubereiten. Nach Angaben aus Branchenkreisen ist das Treffen für den 25. September geplant, eine offizielle Einladung gibt es aber noch nicht. Das von Geywitz initiierte Bündnis umfasst Vertreter von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Mehr: Wie DIN-Normen das Bauen verteuern – und was dahintersteckt

source site-12