Absturz eines Spitzenjuristen: Schwere Vorwürfe gegen Ex-Freshfields-Anwalt

Prozessbeginn am Landgericht in Frankfurt

Frankfurt Ulf Johannemann wirkt angespannt, als er mit seinen beiden Anwälten Werner Leitner und Martin Würfel den Saal 009 im Landgericht Frankfurt betritt. Die Kameras sind auf ihn gerichtet. Rund zehn Medienvertreter und 50 Besucher haben sich im Saal versammelt. Johannemann hat einen schwarzen Anzug an und ein weißes Hemd.

„Ulf Johannemann, geboren am 8. Februar 1971, verheiratet, drei Kinder“, benennt der groß gewachsene Anwalt dem Vorsitzenden Richter Werner Gröschel mit fester Stimme seine Personalien. „Mein Beruf ruht“, lässt er den Richter wissen. Wenn es wieder gehe, ja, dann wolle er wieder als Rechtsanwalt und Steuerberater arbeiten.

Johannemanns Fall ist ohne Beispiel: Noch nie musste sich ein Partner von Freshfields Bruckhaus Deringer – deren Wurzeln in Deutschland bis ins Jahr 1840 zurückreichen – für seine Arbeit vor einem deutschen Strafgericht verantworten. Neben Johannemann ist ein weiterer Mann angeklagt: Hagen W., ein früherer Geschäftsführer der Maple Bank. Doch im Mittelpunkt des Geschehens steht Johannemann.

Als der Staatsanwalt Hun Chai mit der Verlesung der Anklage beginnt, hört Johannemann konzentriert zu. Die Vorwürfe gegen ihn und seinen Mitangeklagten sind heftig.

Hun Chai kommt schnell auf den Punkt: Die Angeklagten hätten gegenüber den Finanzbehörden „unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht“ und dadurch Steuervorteile in großem Ausmaß erlangt.

„Der Angeschuldigte Dr. Johannemann war im Tatzeitraum Rechtsanwalt und Steuerberater bei der Sozietät Freshfields und beriet die Maple Bank im Hinblick auf die anklagegegenständlichen Cum-Ex-Transaktionen federführend“, sagt Chai. Johannemann sei sowohl an der Entwicklung als auch an der anschließenden Verschleierung der illegalen Deals beteiligt gewesen.

Der lateinische Begriff Cum-Ex bezeichnet eine Methode des Aktienhandels mit (cum) und ohne (ex) Dividende. Im Ergebnis handelt es sich um ein Verwirrspiel zulasten des Fiskus: Die Beteiligten ließen sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer doppelt erstatten. Inzwischen haben höchste Gerichte geurteilt, dass die Geschäfte rechtswidrig waren. Wer sich daran beteiligte, machte sich laut Bundesgerichtshof strafbar.

Besonders drastischer Fall

Die Maple Bank gehörte nach den Erkenntnissen der Ermittler zu den aggressivsten Cum-Ex-Geschäftemachern. Das liegt zum einem an dem gewaltigen Schaden, den die Staatsanwaltschaft mit 388.557.251,30 Euro beziffert.

Zum anderen wählte die Maple Bank eine besonders dreiste Methode: Während bei den Cum-Ex-Geschäften üblicherweise verschiedene Banken zusammenarbeiteten, um zumindest den Anschein eines normalen Aktiengeschäfts zu erwecken, machte die Maple Bank Geschäfte mit sich selbst. Eine „zirkuläre Struktur innerhalb der Maple-Gruppe“ nennt das die Staatsanwaltschaft, Maple habe gewissermaßen die Aktien konzernintern im Kreis gedreht.

Freshfields und dem Team um Johannemann kam dabei eine besondere Rolle zu: Die Kanzlei mit dem tadellosen Ruf gab dem Treiben den Anschein von Legalität. Das tat sie laut Staatsanwaltschaft, indem sie „Gefälligkeitsgutachten“ ausstellte. In der Anklageschrift heißt es dazu: „Um zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen, wurde im Gutachten des Angeschuldigten Dr. Johannemann – wie alle Angeschuldigten wussten – bereits der Sachverhalt gezielt falsch dargestellt.“

„Ohne Freshfields säßen wir nicht hier“, sagte dazu der Verteidiger in einem schon abgeschlossenen Strafverfahren gegen vier führende Maple-Banker. Hier verurteilte das Gericht den ehemaligen Bankchef Wolfgang Schuck zu vier Jahren und vier Monaten Gefängnis. Zwei weitere Angeklagte erhielten ebenfalls Haftstrafen. Einer kam mit Bewährung davon, weil er mit der Justiz kooperierte.

Johannemann trifft nun zusätzlich der Vorwurf, er habe die Betriebsprüfer getäuscht. Als diese den Cum-Ex-Geschäften auf den Grund gehen wollten, habe Johannemann bei einer Besprechung am 18. April 2011 die Aktiendeals in Abstimmung mit Maple-Chef Schuck wahrheitswidrig als anonymen Börsenhandel dargestellt. Das sei nicht das erste Mal gewesen, und danach habe Johannemann an dieser Darstellung festgehalten.

Freshfields steht noch einiges bevor

Freshfields möchte sich heute zu dieser Episode nichts mehr äußern. Früher war das anders: Man sei überzeugt, dass die Beratung der geltenden Rechtslage entsprach, hieß es immer wieder. Nach einer Klage des Maple-Insolvenzverwalters zahlte Freshfields in einem außergerichtlichen Vergleich zwar 50 Millionen Euro, dies geschehe allerdings ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, hieß es damals. Die Beteiligung am Maple-Strafprozess konnte die Kanzlei mit einer Zahlung von zehn Millionen Euro abwenden.

Ausgestanden ist das Thema für Freshfields damit aber noch nicht, auch wenn aus der Kanzlei zu hören ist, dass man alles tue, dass Vergleichbares nie wieder passiere. 2020 berief Freshfields aus diesem Grund einen Ethikrat ein.

Die Altlasten sind damit allerdings nicht erledigt. Denn Maple war längst nicht das einzige Cum-Ex-Mandat der Kanzlei. Mindestens zwei Dutzend Finanzdienstleister setzten auf ihren Rat. Neben Johannemann waren etliche Ex-Partner und -Anwälte damit befasst. Gegen einige von ihnen wird ebenfalls ermittelt, ihr Tag im Gericht könnte noch kommen.

Mehr: Rechtsprofessorin zu Cum-Ex-Gerichtsprozessen: „Beim Thema Compliance hinken Kanzleien hinterher“

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