„43 Milliarden können nur der Anfang sein“

Die staatlichen Subventionen sind nach Ansicht von Branchenvertretern aber noch lange nicht ausreichend. „Die 43 Milliarden aus dem Chips Act können nur der Anfang sein“, sagte der CEO des Chipzulieferers AT&S, Andreas Gerstenmayer, dem Handelsblatt. „Wir müssen noch eine Null hinten dranhängen, damit wir mit dem Rest der Welt mithalten können.“ Das börsennotierte österreichische Unternehmen beliefert unter anderem Apple.

Die EU hat große Ambitionen. Bis Ende des Jahrzehnts will die Brüsseler Kommission den Anteil Europas an der weltweiten Chipproduktion von derzeit unter zehn auf 20 Prozent mehr als verdoppeln. Dafür ermöglicht sie über den Chips Act Subventionen von 43 Milliarden Euro.

Alle großen Chipnationen fördern derzeit mit Milliardenbeträgen die Ansiedlung von Halbleiterwerken. Trotz der jüngsten europäischen Erfolge: Die Hersteller investieren Everstream Analytics zufolge in Nordamerika rund fünfmal so viel in neue Kapazitäten wie in Europa. In den ostasiatischen Chipnationen Japan, Südkorea und Taiwan fließt etwa viermal so viel Geld in moderne Fabriken. Auch in China investieren einheimische Produzenten viele Milliarden.

Die Subventionen, um die Firmen anzulocken, sind in Deutschland allerdings umstritten. Viel sinnvoller wäre es, den Standort etwa durch Steuersenkungen für Investoren attraktiv zu machen, sagte jüngst Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts. Der Wirtschaftsforscher bezweifelte auch, dass Deutschland mit den Werken unabhängiger bei der Versorgung mit Halbleitern wird. Würden die Bauelemente eines Tages knapp, etwa weil das wichtige Produzentenland Taiwan als Lieferant ausfalle, würden international tätige Konzerne wie Intel sie meistbietend weltweit losschlagen, erklärte der Ökonom.

„Die Subventionen sind keine Geschenke“

Vorstandschef Gerstenmayer hält dagegen: „Die Subventionen sind keine Geschenke an unsere Branche. Vielmehr werden damit Wettbewerbsnachteile ausgeglichen, die wir in Europa bei Löhnen, Energie und Steuern haben.“ Das heißt: Ohne staatliche Zuschüsse würde die Industrie Europa über kurz oder lang verlassen.

Dass sich Europa eines Tages mit Chips selbst versorgt, ist tatsächlich unrealistisch. Ondrej Burkacky, Halbleiterexperte von McKinsey, sagt: „Europa ist aktuell sehr weit weg davon, bei Chips autark zu werden. Dafür wären 60 zusätzliche Halbleiterfabriken allein für die Front-End-Fertigung notwendig.“ Das Front-End ist der Kern der Chipproduktion.

Durch die geplanten Werke, so die Hoffnung der Politik, kann Europa Schlüsselindustrien wie die Autobranche aber zumindest zuverlässiger versorgen. Größte Nutznießer des Chips Act sind bislang der US-Konzern Intel und nun TSMC aus Taiwan. Darüber hinaus errichten die europäischen Halbleiterhersteller Infineon und STMicroelectronics mit öffentlicher Unterstützung neue Werke in der EU.

Experten mahnen unterdessen, dass sich Europa um die gesamte Wertschöpfungskette kümmern muss. „Es ist wichtig, auch die vor- und nachgelagerten Bereiche im Blick zu behalten“, sagt Burkacky von McKinsey. Das Testen und Verpacken der Chips beispielsweise, das sogenannte Back-End, wird bislang hauptsächlich in Asien erledigt, weil es dort günstiger ist.

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Doch es könnte sich lohnen, auch auf diesem Feld Anbieter anzulocken. Chipspezialist Burkacky: „Das Back-End wird technologisch immer anspruchsvoller. Für Europa ist das eine Chance, sich hier zu positionieren.“

Abgesehen von den Subventionen sei Europa als Standort nicht so schlecht wie häufig behauptet wird, findet AT&S-Chef Gerstenmayer. „In den USA zu investieren ist nicht unbedingt die bessere Wahl. Denn der Fachkräftemangel ist dort mindestens so schlimm wie bei uns.“

TSMC fehlt das Personal

So tut sich die Chipbranche weltweit schwer, geeignetes Personal zu gewinnen. TSMC hat gerade den Betriebsbeginn für sein milliardenschweres neues Werk in Arizona um ein Jahr auf 2025 verschoben. Den Taiwanern fehlen in Amerika die nötigen Fachleute. „Wir arbeiten daran, dies zu verbessern, indem wir qualifizierte technische Arbeitskräfte von Taiwan in die USA entsenden“, sagte TSMC-Chairman Mark Liu.

Produktion bei AT&S

Der Chef von AT&S, Andreas Gerstenmayer, fordert noch weit mehr Subventionen für die Chipbranche als bisher.

(Foto: AT&S)

AT&S-Chef Gerstenmayer fordert unterdessen ein größeres Engagement der EU. Dass sich TSMC nämlich gerade in Deutschland niederlässt, liegt nicht nur am Chipcluster Dresden. Es hat auch damit zu tun, dass kleinere EU-Nationen wie Österreich nicht genügend Subventionen aufbringen können.

Denn die Fördermittel stammen größtenteils aus den nationalen Haushalten. Gerstenmayer: „Wichtig wäre ein europäischer Fonds, um die Chipbranche zu unterstützen. Denn derzeit können sich nur große EU-Länder wirklich Subventionen in Milliardenhöhe leisten.“

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