Zinserhöhungen laut Fed-Chef Jerome Powell möglich

Frankfurt EZB-Chefin Christine Lagarde und Fed-Präsident Jerome Powell positionierten sich auf dem Notenbanker-Treffen in Jackson Hole mit fast identischen Botschaften: Die Märkte müssen sich auf weitere Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Fed einstellen.

„Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht gewonnen“, betonte Lagarde bei ihrer Rede am Freitag. Sie wolle die Zinssätze so lange „auf einem restriktiven Niveau halten, wie nötig, um die Inflation zurück zu unserem mittelfristigen Ziel von zwei Prozent zu bringen.“

Allerdings ließ Lagarde offen, was das für die kommende EZB-Sitzung Mitte September bedeutet. Diskutiert wird, ob die Notenbank den Leitzins ein weiteres Mal anheben oder eine Pause einlegen wird, um die vergangenen Zinsschritte erst einmal wirken zu lassen.

Lagarde warnte in ihrer Rede zudem vor den wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels und der jüngsten geopolitischen Spannungen. Diese Entwicklungen könnten auch den Inflationsdruck aufrecht erhalten und die Arbeit der Notenbanker erschweren. „Wenn wir uns auf größere und häufigere Schocks einstellen müssen, könnten die Unternehmen die Kostensteigerungen konsequenter weitergeben“, glaubt die EZB-Chefin.

Höhere Zinsen erschweren gleichzeitig die Investitionen in erneuerbare Energien, die sehr kapitalintensiv sind. Dennoch sei es wichtig, dass Notenbanken einen „Anker für die Wirtschaft bilden“, so Lagarde, „und die Preisstabilität im Einklang mit ihrem jeweiligen Mandat gewährleisten.“

Jackson Hole: Jerome Powell „bereit, Zinsen gegebenenfalls weiter anzuheben“

Auch Fed-Chef Powell betonte, die Inflation mittelfristig zurück zur Marke von zwei Prozent bringen zu wollen. Zuletzt war immer wieder darüber spekuliert worden, ob sich Notenbanker von diesem Ziel verabschieden könnten. Doch die Notenbank-Chefs aus Europa und den USA lehnen dies strikt ab.

„Wir sind bereit, die Zinsen gegebenenfalls weiter anzuheben und beabsichtigen, die Geldpolitik auf einem restriktiven Niveau zu belassen“, so Powell. Er verwies darauf, dass die US-Wirtschaft zuletzt stärker gewachsen sei, als viele erwartet hatten. Auch der Arbeitsmarkt sei nach wie vor robust und der Häusermarkt würde bereits wieder anziehen. „Wir achten auf Anzeichen dafür, dass sich die Wirtschaft nicht wie erwartet abkühlt“, stellte Powell klar.

Die Märkte schüttelten Powells resolute Rede schnell ab. Der Leitindex Dow Jones, der breit gefasste S&P 500 sowie der technologielastige Nasdaq rutschten in der Folge kurzzeitig ins Minus, legten dann jedoch wieder deutlich zu und gingen mit einem Plus von je etwas unter einem Prozent aus dem Handel.

US-Konjunktur hat Zinserhöhungen bisher gut verkraftet

Investoren waren zuletzt mehrheitlich davon ausgegangen, dass die Fed die Zinsen im September stabil halten wird und sie im November noch einmal anheben könnte. „In Anbetracht der bisherigen Fortschritte sind wir in der Lage, bei den kommenden Sitzungen vorsichtig vorzugehen“, sagte Powell. Er wolle weiterhin die neuesten ökonomischen Daten sowie die „Aussichten und die Risiken bewerten.“

Fed-Chef Jerome Powell

Die US-Notenbank Fed will die Inflation eindämmen und es von den hereinkommenden Daten abhängig machen, ob sie die Leitzinsen im September weiter anhebt oder nicht.

(Foto: Reuters)

Nach seiner Rede stieg die Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Zinsschritt im September jedoch an, wie aus Daten der Optionsbörse CME hervorgeht. Marktteilnehmer sehen die Wahrscheinlichkeit nun bei rund 20 Prozent, vor einer Woche hatten sie sie noch bei elf Prozent gesehen.

„Powell macht auf ernüchternde Weise deutlich, wie weit die Fed bereit ist zu gehen, um die Inflation zu bremsen“, gab Diane Swonk, Chefökonomin des Wirtschaftsprüfers KPMG, zu bedenken. Er wolle verhindern, dass die Inflation „durch die jüngste Wachstumsbeschleunigung wieder angefacht wird“. Ökonomen sorgen sich vor allem, dass ein Anstieg der Energiepreise im Herbst und Winter die Inflation erneut antreiben könnte.

In den USA hat die Wirtschaft die Serie an Zinserhöhungen bislang unerwartet gut weggesteckt. Und die Inflation ist auf dem Rückmarsch, auch wenn die Verbraucherpreise im Juli mit einer Teuerungsrate von 3,2 Prozent wieder leicht über dem Juni-Wert von 3,0 Prozent lagen. Experten hatten allerdings einen etwas stärkeren Anstieg auf 3,3 Prozent erwartet. In Europa lag die Inflationsrate im Juli bei 5,3 Prozent.

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Powell will auf keinen Fall zu früh mit den Zinsschritten aufhören. Gleichzeitig will der Notenbank-Chef verhindern, die Zinsen zu weit anzuheben und dadurch eine schwere Rezession zu verursachen, wie er am Freitag ebenfalls betonte. Für Lagarde ist die Lage schwieriger. Die Wirtschaft hat sich in Europa bereits deutlich abgekühlt und könnte kurz vor einer Rezession stehen. Die deutsche Volkswirtschaft stagnierte im zweiten Quartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag bekannt gab. In den beiden Quartalen zuvor war die Wirtschaftsleistung rückläufig.

Sowohl die Fed als auch die EZB haben die Leitzinsen seit dem vergangenen Jahr im Rekordtempo angehoben, um die hohe Inflation zu bekämpfen. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Zentralbankgeld besorgen können, liegt in Europa bei 4,25 Prozent, in den USA liegt er bei gut 5,25 Prozent.

Die Notenbanker-Tagung im Skiort Jackson Hole in den Rocky Mountains gilt als das wichtigste Branchentreffen des Jahres. Es wurde von Zentralbankern in der Vergangenheit immer wieder genutzt, um wichtige Erklärungen oder Strategieänderungen abzugeben. Für Lagarde war es der erste Auftritt in ihrer Rolle als EZB-Chefin.

Jackson Hole: Neue Phase der Geldpolitik

Marktteilnehmer müssen sich auf eine neue Phase in der Geldpolitik einstellen, glaubt David Zervos, Chef-Ökonom der Investmentbank Jeffries. Im vergangenen Jahr hatte Powell seine Rede dazu genutzt, einen harten Zinskurs anzukünden. Nun jedoch könnten es sich die Geldpolitiker erlauben, „absichtlich etwas vage zu bleiben“, gab Zervos im US-Börsensender CNBC zu bedenken.

Die derzeitige Phase in der Inflationsbekämpfung gilt als deutlich schwieriger. Die Notenbanker müssen nun abwägen, wie viel Straffung noch nötig ist. Powell räumte ein, dass dies nicht einfach sei.

Die Effekte der Zinserhöhungen würden sich in der Regel mit Verzögerung auf die Wirtschaft auswirken. Allerdings sind sich Notenbanker und Ökonomen nicht einig darüber, wie sehr diese Effekte in den kommenden Monaten noch zu spüren sein werden.

Mit Agentumaterial.

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