Wie grün können Waschmaschinen, Kühlschränke und Smartphones sein?

Berlin Für die Besucher der Elektronikmesse IFA dürfte es eine unerwartete Begegnung sein: In Halle 2.2 reckt ein Hüne aus Computern, Tastaturen, einer Kabeltrommel und einem Staubsauger seinen Kopf Richtung Decke. Der Künstler HA Schult will mit der Figur aus Elektroschrott den unreflektierten Konsum veranschaulichen. Die Botschaft steht auf einem Schild daneben: „Wirf nicht weg, was du noch brauchst.“

Das Exponat fällt auf, nicht nur wegen seiner Größe. Konsumkritik steht normalerweise nicht auf dem Programm der weltgrößten Messe für Hausgeräte und Unterhaltungselektronik. Die seit Freitag auf dem weitläufigen Gelände unter dem Berliner Funkturm laufende IFA soll die Öffentlichkeit und den Handel auf das Weihnachtsgeschäft einstimmen.

Und das tut sie auch: Firmen wie Grundig, Jura, Loewe, Miele, Panasonic, Samsung, Sharp oder Sony präsentieren ihre neuesten Geräte vom kleinen Kofferfernseher über leuchtende Deckenlautsprecher, Kühlschränke mit durchsichtigen Türen bis zu mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten Waschmaschinen.

Und doch trifft der „Wertgigant“ den Nerv der Zeit. Für viele Verbraucher ist Nachhaltigkeit inzwischen zum wichtigen Entscheidungskriterium geworden, gerade bei Hausgeräten, die oft oder sogar permanent laufen. Geschirrspüler, Ofen oder Fernseher sollen bitte wenig Energie verbrauchen, aus recycelten Stoffen bestehen und leicht reparierbar sein.

„Die Produkte werden immer länger genutzt. Deswegen wird Nachhaltigkeit nach und nach zum wichtigsten Kaufargument“, sagte Sara Warnecke, Geschäftsführerin des IFA-Mitorganisators GFU. Das ist aktuell wichtig, weil viele Verbraucher nach der Sonderkonjunktur durch die Coronapandemie ihr Geld beisammenhalten. Und künftig, weil die Hersteller ihre Marken glaubwürdig ergrünen lassen müssen – damit beim nächsten Kauf der Verbraucher auch an sie denkt.

IFA 2023: Umsatz in Elektronikbranche ist rückläufig

Die IFA feiert inzwischen zwar wieder wachsende Ausstellerzahlen, die Unternehmen spüren jedoch die Zurückhaltung der Kunden angesichts hoher Inflation und wirtschaftlicher Unsicherheit. Während 2020 in Deutschland mit Unterhaltungselektronik noch 9,3 Milliarden Euro umgesetzt wurden, rechnet der Branchenverband Bitkom dieses Jahr mit dem dritten Rückgang in Folge auf nur noch rund 8,1 Milliarden Euro.

„Wertgigant“ vor den Berliner Messehallen

Die Schrottskulptur ist ein für die weltgrößte Elektronikmesse ungewohntes Beispiel für Konsumkritik.

(Foto: obs)

„Verbraucher wollen ihren CO2-Fußabdruck verringern“, beschreibt Bitkom-Experte Sebastian Klöß die Einstellung vieler. „Es muss nicht immer ein neues Gerät sein.“

Wie sehr Nachhaltigkeit inzwischen zu einem Entscheidungskriterium geworden ist, zeigen mehrere Studien des Marktforschers GfK: Beim Kühlschrankkauf ist beispielsweise für 64 Prozent der Verbraucher die Energieeffizienz entscheidend. Auch Lebensdauer, Reparierbarkeit und die Garantie seien wichtige Faktoren. Das kommt nicht von ungefähr: In Umfragen nennen viele Menschen den Klimawandel nach der Inflation als eine ihrer größten Sorgen.

Die Regulierung bewege den Markt ebenfalls, berichtet Alexander Dehmel, Branchenexperte bei der GfK – etwa das Energieeffizienzlabel der Europäischen Union (EU). Seit der Einführung einer neuen Klassifizierung gebe es immer mehr Großgeräte wie Backöfen, Kühlschränke und Waschmaschinen, die die Kategorie A erreichen. „Die Hersteller nehmen die Vorgaben gerne auf, weil sie sich damit differenzieren können“, sagt Dehmel.

Bosch, Miele und Co.: Elektrogeräte sollen sich für Kunden auszahlen 

Das gilt zum Beispiel für Bosch-Siemens-Hausgeräte (BSH), Europas größten Hausgerätehersteller. „Wir wollen Dinge machen, die für den Kunden Relevanz haben“, sagt Rudolf Klötscher, Mitglied der Geschäftsführung. „Und das ist das Thema Nachhaltigkeit.“ Deswegen baue BSH nun auch sein Mietangebot namens Bluemovement aus.

Daneben wirbt das Unternehmen an seinem Stand für „nachhaltige Wäschepflege“ und Geräte mit einem geringeren Wasser- und Stromverbrauch – viele davon „made in Germany“. Zudem betont der Konzern, dass er bei immer mehr Geräten grünen Stahl einsetzt. Die CO2-Bilanz der Produkte soll damit deutlich besser ausfallen. Auch wenn BSH noch bei Weitem nicht klimaneutral ist.

Messestand von Bosch Siemens Hausgeräte

Der Hersteller wirbt für Geräte mit einem geringeren Wasser- und Stromverbrauch.

(Foto: Bloomberg)

Digitale Technologie hilft, die Effizienz zu steigern. LG Electronics zeigt auf der Messe einen Kühlschrank, der das Nutzungsverhalten registriert und beispielsweise morgens vorkühlt, um den Energieverlust einzuschränken. Im Hintergrund, so der koreanische Konzern, arbeite Künstliche Intelligenz. Miele wiederum hat ein „Consumption Dashboard“ entwickelt, das den Stromverbrauch der Geräte anzeigt und Energiesparmöglichkeiten vorrechnet.

Das niederländische Start-up Fairphone stellt sein neuestes Smartphone vor, bei dem zumindest schon mal 70 Prozent der wichtigsten Materialien recycelt oder fair gewonnen werden. Für jedes Gerät gibt es eine fünfjährige Garantie und die Ansage, dass viel selbst repariert werden könne.

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Wer durch die 26 einzelnen IFA-Hallen läuft, stellt fest, wie wichtig die Präsentation ist. Beim Netzwerktechniker AVM hängt Moos an den Wänden, beim türkischen Elektronikkonzern Vestel baumelt Efeu von der grauen Decke. Und LG Electronics hat ein ganzes Dorf aus nachhaltigen Materialien bauen lassen, in dem sogar die einzelnen Stände recycelt werden können. Nachhaltigkeit, wohin man nur blickt.

Aufbau des „Sustainability Village“

Messebesucher können hier Elektrogeräte wie Lampen, Föns und Kameras reparieren lassen.

(Foto: dpa)

Die Messe selbst setzt ebenfalls Akzente. Erstmals gibt es ein „Sustainability Village“, in dem auch der „Wertgigant“ zu finden ist. Besucher können in einer Werkstatt Elektrogeräte wie Lampen, Föns und Kameras reparieren lassen. Ein „House of Smart Living“ zeigt, wie Gebäudeautomation Energie spart. Und am Stand der Plattform Treedom ist zu sehen, wo die Messe in Kamerun einen Wald mit 5000 Bäumen hat pflanzen lassen.

Bei allen Versprechungen: Den Widerspruch zwischen Weihnachtsgeschäft und Nachhaltigkeit kann die IFA nicht auflösen. Denn natürlich präsentiert die Branche auf der IFA auch ihre Neuheiten, die Verbraucher zum Kauf verlocken sollen.

Angesichts immer neuer Produkte und Produktkategorien wächst der Berg an Elektroschrott immer weiter. Der Spezialversicherer Wertgarantie hat ermittelt, dass sich in Deutschland jährlich rund 377.000 Tonnen Elektroschrott anhäufen, weil Haushalte defekte Geräte entsorgen. Alle anderthalb Minuten fällt damit so viel an, wie die Schrottstatue in Halle 2.2 wiegt.

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