Wie die Schweiz eine neue Großbankenkrise verhindern will

Zürich 168 Milliarden Franken – umgerechnet mehr als 170 Milliarden Euro: Diese Summe musste die Schweizer Nationalbank (SNB) auf dem Höhepunkt der Bankenkrise Mitte März der Credit Suisse leihen. Nur so konnte die einst zweitgrößte Schweizer Bank vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Einen großen Teil dieser Liquiditätshilfen gewährte die SNB ohne im Gegenzug Sicherheiten von der Credit Suisse zu erhalten. Im Fall einer Pleite hätte daher auch der Schweizer Steuerzahler Milliarden verlieren können.

Die Schweizer Politik will deshalb verhindern, dass die UBS, irgendwann in eine ähnliche prekäre Lage gerät. Ein Expertengremium aus Forschern, Bankern und Wirtschaftsvertretern hat am Freitag Lehren aus dem Credit-Suisse-Debakel und passende Reformvorschläge veröffentlicht.

In dem Bericht des vom Basler Volkswirtschaftsprofessors Yvan Lengwiler geleiteten Expertengremiums heißt es: „Weil die UBS die einzige verbleibende global systemrelevanter Bank des Landes ist, wird bei einer Krise der UBS die Übernahme innerhalb der Schweiz nicht mehr als Option zur Verfügung stehen.“ Die Fragen, wie eine Großbank abgewickelt werden könnte, stelle sich daher „mit verschärfter Dringlichkeit.“ Darum unterbreiten die Experten vier Reformvorschläger.

1. Mehr Macht für die Aufsicht

Die Experten halten fest, dass die Finanzaufsicht Finma zwar eine Reihe von Sanktionen gegen die Credit Suisse eröffnet hat. Doch diese sogenannten Enforcement-Verfahren hatten nicht die erhoffte Wirkung. „Im Vergleich zu ausländischen Aufsichtsbehörden verfügt die Finma über weniger Instrumente, um eine wirksame Aufsicht durchzusetzen“, so das Fazit der Experten.

Sie schlagen daher vor, dass die Finma künftig systemrelevanten Banken organisatorische Änderungen aufzwingen kann, um sie frühzeitig sanierungsfähiger zu machen. Zudem solle die Finma früher eingreifen und Schutzmaßnahmen bereits vor einer Insolvenzgefahr anordnen können. Die Finma selbst hatte nach dem Untergang der Credit Suisse schärfere Instrumente gefordert.

2. Verbesserte Liquiditätsversorgung

Auf dem Höhepunkt des Banksturms im März zogen Kunden der Credit Suisse täglich bis zu zehn Milliarden Dollar ab. Auf einen solchen Bank Run war die Schweiz jedoch nicht vorbreitet. Sie musste per Notrecht Liquiditätshilfen schaffen, die mit Staatsgarantien abgesichert sind.

Schweizer Notenbank

Auf dem Höhepunkt der Bankenkrise hat die SNB der Credit Suisse mehr als 170 Milliarden Euro Liquidität zur Verfügung gestellt.

(Foto: dpa)

In anderen Währungsräumen sind solche Instrumente Standard. Daher empfehlen die Experten, diese mit Staatsgarantien abgesicherten Hilfen in ein Gesetz zu gießen. Zudem soll die Finma systemrelevante Banken schon vor einer Sanierung anweisen können, genügend Sicherheiten bei der SNB und ausländischen Zentralbanken zu platzieren, um im Krisenfall Liquidität abrufen zu können.

3. Reform bei Nachrang-Anleihen

Die Abschreibung bestimmter Nachranganleihen der Credit Suisse im Zuge der Rettungsaktion hat die Investoren schockiert. Investoren verloren mit diesen sogenannten AT1-Anleihen rund 16 Milliarden Franken. Für großes Unverständnis hatte zudem gesorgt, dass die Gläubiger einen Totalverlust erlitten, die Aktionäre der Credit Suisse jedoch nicht.

Damit wurde die international gängige Gläubiger-Rangfolge ausgehebelt. Die Folge: „Der Markt für AT1-Anleihen von Schweizer Banken wurde durch die Krise der Credit Suisse beeinträchtigt.“ Doch die Schweizer Banken sind auf die Möglichkeit angewiesen, ihr Eigenkapitalpolster mit solchen nachrangigen Schuldpapieren zu stärken.

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Daher empfehlen die Experten, die Klauseln für AT1-Anleihen in der Schweiz an internationale Standards anzupassen. Der Markt benötige eine „Revitalisierung“. Ob das gelingt, wird sich schon bald zeigen. Denn die UBS könnte Medienberichten zufolge schon bald selbst neue AT1-Anleihen am Markt platzieren.

4. Verbessertes Krisenmanagement

Die Experten gehen mit den handelnden Akteuren hart ins Gericht: Das Trio aus Finanzministerium, Finanzaufsicht Finma und SNB habe zwar mit der staatlich orchestrierten Notrettung durch die UBS eine Lösung der Krise gefunden. Doch: „Der Entscheidungsprozess ist nicht nachvollziehbar“, er sei zudem „beunruhigend wenig institutionalisiert“, so das Fazit der Experten.

Sie schlagen unter anderem vor, dass Finanzministerium, Finma und SNB künftig gemeinsam die Verantwortung für eine Abwicklung der Bank oder die Krisenbewältigung tragen. „Die Behördenkoordination im Umgang mit Krisenszenarien soll periodisch im Rahmen von Krisensimulationen getestet werden“, so der Vorschlag der Experten.

Die Empfehlungen des Gremiums haben keine direkten Auswirkungen, dürften aber in die von der Regierung für das kommende Jahr geplante Überprüfung der Großbanken-Regulierung einfließen. Den beiden größten Schweizer Parteien gehen die Vorschläge wohl nicht weit genug. Die Sozialdemokraten fordern zusätzlich ein Boni-Verbot bei systemrelevanten Banken und höhere Eigenkapitalanforderungen.

Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei will, dass Banken im Notfall auch fallengelassen werden können. Sie fordert zudem eine Trennung der Spar-, Kredit- und Vermögensverwaltungsbanken von den Banken mit Eigenhandel.

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