Wie die Chefin der BRICS-Bank den Dollar zurückdrängen will

Dilma Rousseff

Die brasilianische Ex-Präsidentin ist im eigenen Land umstritten, für den globalen Süden soll sie aber nun eine gemeinsame Finanzpattform schaffen.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Salvador Als Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und seine Ehefrau Janja aus der Maschine treten, erwartet sie ein Empfang mit militärischen Ehren. Kaum Beachtung hingegen findet die Frau, die hinter dem Paar allein die Gangway heruntersteigt und sich in die Delegation einreiht. Dabei zählt sie zu den zentralen Personen des BRICS-Gipfels, der am Dienstag in Johannesburg begonnen hat: Dilma Rousseff, von 2011 bis 2016 Präsidentin Brasiliens.

Doch nach Südafrika ist sie nicht in ihrer Rolle als Ex-Präsidentin angereist: Im März dieses Jahres wurde sie zur Chefin der New Development Bank (NDB) ernannt, der Entwicklungsbank der BRICS-Staaten in Shanghai. Damit kommt ihr eine Schlüsselrolle zu, denn es ist dieses Institut, das dem losen Staatenbund eine operative Grundlage geben soll.

Zwei Jahre wird die 77-Jährige die jüngste der globalen Entwicklungsbanken führen: Die NDB soll sich noch stärker als Alternative zu den westlichen Entwicklungsinstitutionen wie Weltbank und anderen Bretton-Woods-Institutionen positionieren.

So geht es darum, mehr Finanzierungen in den fünf Währungen der BRICS-Staaten (Real, Rubel, Rupie, Renminbi, Rand) auf den Weg zu bringen. Als konkretes Ziel nennt sie, in diesem Jahr ein Drittel der neuen Kredite von insgesamt acht bis zehn Milliarden Dollar auf diese Weise zu vergeben. Sie wolle den Dollar nicht ersetzen, aber den Staaten des globalen Südens eine Alternative bieten, erklärte sie gerade in einem Interview mit der „Financial Times“.

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Dabei strich sie auch heraus, dass die Bank demnächst wachsen könnte. 15 weitere Staaten stünden auf der Beitrittsliste, es gehe darum, die Entwicklungsbank geografisch zu diversifizieren. Die Aufnahmeverfahren für vier bis fünf weitere Mitgliedstaaten könnten jetzt in Johannesburg eingeleitet werden. Bisher sind außer den BRICS-Staaten bereits Ägypten, Bangladesch, die Vereinigten Arabischen Emirate und bald Uruguay Teilhaber des Instituts.

Rousseff an der Spitze der NDB – das löste in Brasilien vor einigen Monaten zunächst einmal Erstaunen und teilweise auch Empörung aus. Es war der gerade zum dritten Mal gewählte Lula, der den Personalentscheid im Februar verkündete.

New Development Bank in Shanghai

Und sofort stand die Ex-Präsidentin, die sich seit ihrem Impeachment 2016 weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, wieder im Mittelpunkt der Kritik: 50.000 Dollar Monatsgehalt für jemanden wie sie, die nie einen akademischen Abschluss in Ökonomie geschafft hat und Brasilien mit ihrer erratischen Wirtschaftspolitik in die schwerste Rezession seit 20 Jahren gefahren hat – so lautete der Tenor der Kommentare.

Tatsächlich aber ist die öffentliche Meinung in Brasilien gespalten. Der politische Flügel links der Mitte sieht Rousseff immer noch als Opfer eines inszenierten Putsches und der traditionellen Frauenfeindlichkeit im Land. Für die Linke und Lulas Arbeiterpartei ist klar, dass Rousseff keine Verantwortung für die gewaltigen Korruptionsskandale trägt, obwohl sie doch in dieser Zeit zunächst als wichtige Ministerin Lulas (Energie, Präsidialamt) wirkte, später dann sogar als Präsidentin.

Nachdem sie erfolglos versucht hatte, für den Senat zu kandidieren, wurde auch der Arbeiterpartei klar, dass sich mit Rousseff politisch nichts mehr gewinnen lässt. Ihr zuweilen spröder, manchmal besserwisserischer Auftritt kostet sie bis heute Sympathien. Auch im Wahlkampf des vergangenen Jahres vermied Lula es, mit ihr aufzutreten, um keine Stimmen zu verlieren.

Die Ernennung Rousseffs als NDB-Chefin wird in Brasilien als ein geschickter Personalentscheid Lulas gesehen. Einerseits rehabilitiert er sie mit dem internationalen Spitzenjob als Vertreterin seiner Regierung und zeigt sich mit ihr solidarisch. Andererseits ist sie in Shanghai auch so weit weg, dass sie ihm in Brasilien keine Sympathien kosten kann.

Luiz Inacio Lula da Silva

Brasiliens Präsident hat wesentlich dazu beigetragen, dass Dilma Rousseff zur Chefin der NDB ernannt wurde.

(Foto: Reuters)

Außerdem passt der technokratische Spitzenjob auch ideologisch zu ihr: Die Tochter eines nach Brasilien ausgewanderten bulgarischen Kommunisten hat als spätere Guerillakämpferin Gefangenschaft und Folter durchlebt. Sie fühlt sich zweifellos ideologisch China näher als den USA, deren Geheimdienst einst ihr Präsidenten-Handy abhörte.

In einem Interview mit dem chinesischen Fernsehen lobte sie zu Beginn dieser Woche noch Xi als großen Führer und verdammte die Handelsrestriktionen gegen China als neue Form des Kriegs.

Ihr neuer Job jedenfalls ist alles andere als einfach: Während ihres ersten Besuchs beim BRICS-Partner Russland vor wenigen Wochen musste sie Putin die schlechte Nachricht persönlich überbringen, dass die Bank die Finanzierungen aller Projekte in Russland eingefroren hat. „Vermutlich, um Sanktionen der USA zu vermeiden“, glaubt Günther Maihold, Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Gemessen wird Rousseff daran, ob sie das Kreditvolumen der NDB ausweiten kann. Bisher ist dieses bescheiden: Mit 33 Milliarden Dollar an Krediten hat die Entwicklungsbank des Südens seit 2015 so viel finanziert, wie die Weltbank allein vergangenes Jahr an neuen Krediten vergeben hat.

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