Was Covestro so attraktiv für Abu Dhabis Adnoc macht

Düsseldorf Die anhaltenden Übernahmegerüchte überlagern auch die Halbjahresbilanz von Covestro. Statt um Details zu den Zahlen ging es bei der Vorstellung des Geschäftsberichts vielmehr um die Frage, was an den Spekulationen um ein Kaufangebot für den Dax-Konzern dran ist.

Im Halbjahresfinanzbericht taucht der Name Adnoc nicht auf. Aber angedeutet wird er, auf Seite 7: „Seit Anfang Juni 2023 befindet sich die Aktie in einem anhaltenden Aufwärtstrend, der durch Marktgerüchte noch verstärkt wurde“, heißt es dort.

Covestro-CEO Markus Steilemann verweist im Gespräch mit dem Handelsblatt lediglich darauf, Marktgerüchte nicht zu kommentieren. Was er jedoch sagt: „Wir sind Kernspieler in den Märkten, in denen wir unterwegs sind, und sehr kundenzentriert – und fühlen uns damit hervorragend aufgestellt.“

Insgesamt sind die Zahlen von Covestro robust, was auch das mögliche Investoreninteresse erklärt: Anders als Konkurrenten wie BASF, Lanxess oder Evonik musste der Kunststoffkonzern seine Jahresaussichten nicht kappen.

Vielmehr bestätigte Covestro bei Vorlage der Zahlen die Gesamtjahresprognose bei schwacher Konjunktur, auch wenn das Ergebnis nun eher in der unteren Hälfte des angegebenen Korridors landen könnte. Beim Ebitda etwa rechnet Covestro mit einem Wert zwischen 1,1 Milliarden und 1,6 Milliarden Euro. Es lohnt sich nicht nur der Blick auf das Unternehmen, sondern die ganze Industrie.

Hat Covestro tiefgestapelt oder klug geplant?

Dass Covestro bei Erstellung der Jahresziele tiefgestapelt habe – und deshalb nun eines der wenigen Chemieunternehmen ist, die ihren Ausblick nicht senken müssen –, würde Covestro-CEO Markus Steilemann so nicht formulieren. Er sagt: „Wir haben die makroökonomischen Daten bekommen und sehen, dass die geopolitischen Spannungen geblieben sind und dass die Sparraten weltweit zurückgegangen sind – die Unsicherheit der Konsumenten ist groß.“

Covestro leidet wie der Rest der Branche unter niedriger Nachfrage, hohen Lagerbeständen bei den Kunden und Preisdruck. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) prophezeit, dass der Umsatz der chemisch-pharmazeutischen Unternehmen in diesem Jahr um 14 Prozent zurückgehen könnte und die Produktion um acht Prozent.

„Wir sehen ein Licht am Ende des Tunnels – das ist aber eher eine Taschenlampe und kein Flutlicht“, kommentiert der CEO die Lage. Aus der Autoindustrie gebe es etwa positive Signale – allerdings nur verglichen mit 2021, das ein schlechtes Jahr war. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 würde weiterhin ein Fünftel weniger Autos verkauft.

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Bei Elektronik und Möbeln sieht Steilemann eine weitere Abwärtsbewegung, „bis wir die Talsohle Ende des Jahres erreicht haben“. Bis es in der Bauindustrie zu einer Trendwende komme, dauere es eher noch bis ins kommende Jahr, so der Covestro-CEO: „Auch das Jahr 2024 wird herausfordernd.“

Im zweiten Quartal des Jahres sank der Konzernumsatz um knapp 21 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro. Das Vorsteuerergebnis lag 30 Prozent unter dem Vorjahr, der Konzerngewinn knickte um über drei Viertel auf nur noch etwas mehr als 46 Millionen Euro ein. Ähnlich erging es BASF, die beim Nachsteuergewinn ebenfalls gut drei Viertel unter dem Vorjahresquartal landete.

Markus Mayer, Chemieexperte bei der Baader Bank, wertet die Zahlen von Covestro aber positiv: „Wenn man auf die zwei operativen Divisionen schaut, fällt auf, dass die Zahlen deutlich besser sind, als von allen erwartet wurde.“

Was ist nun mit der potenziellen Übernahme durch Adnoc?

Und der potenzielle Deal mit Adnoc? Mayer glaubt, dass Covestro mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent das Angebot des Staatskonzerns annehmen könnte. Dafür müsste aber der Preis stimmen.

Im Juni soll Adnoc Covestro ein Angebot vorgelegt haben, das einen Preis von 55 Euro je Aktie hatte. Finanzkreisen zufolge soll Covestro das aber ausgeschlagen haben. Zuletzt soll Adnoc sein Angebot dann auf 57 Euro erhöht haben – das brächte Covestro eine Bewertung von elf Milliarden Euro ein.

Markus Steilemann

Der Covestro-Chef gibt nur vage Hinweise darauf, was er von einem möglichen Kaufinteressenten aus den arabischen Emiraten hielte.

(Foto: imago images/Rainer Unkel)

Doch Analysten und Marktbeobachter halten auch das für deutlich zu niedrig: Unter 60 Euro dürfte Covestro gar nicht in Gespräche einsteigen, heißt es. Und ein Preis unter 70 Euro sei immer noch unattraktiv. Kommentieren will das alles keine der Parteien, meldepflichtige offizielle Gespräche gibt es bisher ebenfalls noch nicht.

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Die Araber wollten sich unter anderem Zugang zu Zukunftstechnologien in der Chemie sichern. Deswegen schaut sich Adnoc den Kreisen zufolge derzeit verstärkt nach Übernahmeobjekten in Europa um.

Einen Hinweis darauf, wie Steilemann zu einem Engagement Adnocs stehen könnte, gibt er im Gespräch allerdings schon. Den Trend, dass immer mehr Wirtschaftsgüter in die Hände autokratischer Regime kämen, sehe man über alle Branchen hinweg – etwa auch in der Unterhaltung und im Sport. „Man muss sich nur mal überlegen, was es für die gesamte westliche Welt bedeutet, wenn sich dieser Trend unvermindert fortsetzt und es zum Ausbruch von Konflikten kommt“, sagt Steilemann.

Durch zunehmende Regulierung sei es zur Abkehr bestimmter Kapitalmarktteilnehmer zur Finanzierung von Anlagen gekommen – etwa von Öl-, Gas- und Kohleanlagen, aber auch in der petrochemischen Chemie, die etwa Öl als Inputfaktor braucht. „In die Bresche gesprungen sind Staatsfonds, die teilweise in den Händen autokratischer Regime liegen.“

Deutschland verlassen will der Konzern laut Steilemann nicht: „Wir kommen von hier, wir operieren von hier, und wir wollen auch in Zukunft an einem starken deutschen Standort arbeiten.“ Das hänge allerdings auch an den Rahmenbedingungen der Politik. „Wenn sich da nichts ändert, dann sprechen wir nur noch davon, dass wir den Standort halten – und ihn nicht weiterentwickeln.“

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