Unter Anlegern herrscht Panik – Doch die Zuversicht ist groß

Bulle und Bär

Das Anlegersentiment ist auf minus 6,3 Punkte eingebrochen.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Stimmungseinbruch an der Börse: Seit Ende Oktober vergangenen Jahres gab es keine derart schlechte Laune unter den Anlegern: Aktuell herrschen Angst und Panik, ist an den Werten der Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment abzulesen.

Das Anlegersentiment ist auf minus 6,3 Punkte eingebrochen. Bereits ein Wert von minus vier signalisiert Panik. „Wir befinden uns mitten in einem Ausverkauf“, sagt der Sentimentexperte Stephan Heibel, der die Umfrage auswertet.

Um die weitere Entwicklung abschätzen zu können, hilft ein Blick zurück. Einen vergleichbar extrem negativen Wert gab es zuletzt im vergangenen Oktober, kurz vor dem Tief des Bärenmarkts 2022. Ein Bärenmarkt beginnt ab einem Rückgang von 20 Prozent, ausgehend von einem definierten Niveau.

In solchen Bärenmarkten kommen Angst und Panik öfter vor und bleiben häufig über eine längere Phase. So hielten sich vergleichbare extrem negative Stimmungswerte im vergangenen Jahr dreimal über einen Zeitraum von fünf Wochen: nach Kriegsbeginn in der Ukraine im März 2022, dann im Sommer und zuletzt im Herbst.

Zweimal folgte nur eine kleine Erholung, anschließend rutschte der Dax auf noch tiefere Tiefstände ab. Erst im Oktober endete der Bärenmarkt endgültig.

Doch in diesem Jahr herrscht ein Bullenmarkt. Seit dem Tiefstand im Oktober liegt der Dax mehr als 20 Prozent höher. „Ausverkäufe in intakten Bullenmärkten sind jedoch in der Regel sehr kurzlebig, sodass es durchaus möglich ist, dass wir den Großteil des Ausverkaufs bereits hinter uns haben“, erläutert Heibel.

Erwartungshaltung steigt

So stark die Gefühle der Angst und Panik augenblicklich dominieren, so stark ist auch die Zuversicht, dass die Probleme schon bald gelöst werden. Entsprechend bullish blicken insbesondere heimische Anleger in die Zukunft.

Denn wie zum Trotz steigt die Erwartungshaltung laut der Dax-Sentimentumfrage auf einen Wert von 3,7 Punkten an und damit auf den höchsten Wert seit anderthalb Jahren. Eine vergleichbar große Zuversicht gab es zuletzt zum Beginn des Bärenmarktes 2022. Damals wurden die Optimisten aber auf dem falschen Fuß erwischt.

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Die Investitionsbereitschaft bleibt aktuell mit einem Wert von 2,1 auf einem moderat positiven Niveau. Doch das Abrutschen der Aktienmärkte hat die Anleger stark verunsichert. Die Selbstgefälligkeit ist auf einen Extremwert von minus 5,6 abgerutscht. Eine vergleichbar große Verunsicherung tritt jedoch häufiger auf als Angst und Panik.

Für die weitere Entwicklung sollten Anleger nach Meinung des Sentimentexperten Heibel auf die Entwicklung der Short-Quote achten, also darauf, wie groß die Bereitschaft der Anleger ist, auf fallende Kurse zu setzen oder sich gegen schwächere Kurse abzusichern.

Denn laut der umfangreicheren Sentimenterhebung des Analysehauses AnimusX ist die Investitionsquote der Privatanleger in den vergangenen Monaten zurückgegangen, während die Short-Quote deutlich angestiegen ist. „Aktuell haben Anleger wenig Cash, sind jedoch mit sogenannten Leerpositionen gegen fallende Kurse abgesichert“, erläutert Heibel, der auch Geschäftsführer von AnimusX ist.

Bei Leerverkäufen kauft ein Anleger ein Short-Produkt auf den Dax. Dabei wird zunächst der Leitindex verkauft. Beim Schließen der Leerposition muss der Dax wieder zurückgekauft werden, was den Kurs eher steigen lässt. Also werden Leerpositionen durch Aktienkäufe aufgelöst, die einen Ausverkauf an den Aktienmärkten bremsen.

„Es dürfte spannend werden, wie sich Aktienmarkt und Anlegersentiment im Wechselspiel in den kommenden Tagen entwickeln“, erläutert Heibel. Ein zu schnelles Auflösen der Leerpositionen würde die Börse anfällig dafür machen, anschließend nach unten durchzurutschen. Laut Charttechnik gilt der Bereich zwischen 15.550 und 15.600 Punkten als Trennlinie für den intakten Bullenmarkt.

Weitere Indikatoren

Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart, an der Privatanleger handeln, ist auf plus 2,5 angestiegen. Es sind mittlerweile wieder mehr Call- als Put-Hebelprodukte auf den Dax in den Depots der Privatanleger. Die moderaten Absicherungspositionen der Vorwochen wurden aufgelöst, nun positionieren sich die Anleger wieder für steigende Kurse.

Auch institutionelle Anleger kaufen wieder vermehrt Produkte, mit denen sie von steigenden Kursen profitieren. Das Put-Call-Verhältnis an der Frankfurter Terminbörse Eurex ist auf 1,2 gesackt, was eine vergleichsweise hohe Nachfrage nach Call-Optionen widerspiegelt.

US-Anleger verhalten sich wie auch schon in den Vorwochen anders: Das Put-Call-Verhältnis der Chicagoer Terminbörse CBOE ist deutlich angestiegen, was eine verstärkte Nachfrage nach Put-Absicherungen bedeutet. Offensichtlich bereitet man sich in den USA auf schwerere Zeiten vor.

Auch die US-Fondsanleger reagierten entsprechend und senkten die Investitionsquote auf 60 Prozent, das sind fünf Prozentpunkte weniger als in der Vorwoche. Die Bulle-Bär-Differenz unter den US-Privatanlegern ist auf 5,7 Prozentpunkte gesunken, nachdem die Bullen in den vergangenen zehn Wochen mit Werten zwischen plus 15 und plus 25 Prozentpunkten die Oberhand hatten. Inzwischen stehen 36 Prozent Bullen 30 Prozent Bären gegenüber.

Der anhand technischer Marktdaten berechnete „Angst-und-Gier-Indikator“ der US-Märkte ist auf einen Wert von 44 Prozent gesunken und signalisiert erste Anzeichen von Angst. Andere wesentlich stärker schwankende technische Indikatoren signalisieren eine kurzfristig überverkaufte Marktverfassung.

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