„Unsere Erwartungen wurden nicht erfüllt“

Strommarkt

Die Bundesregierung will den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch von derzeit rund 45 Prozent bis 2030 auf 80 Prozent erhöhen.

(Foto: IMAGO/BildFunkMV)

Berlin Die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) initiierte „Plattform Klimaneutrales Stromsystem“ (PKNS) bleibt weit hinter den Erwartungen der betroffenen Branchen zurück. In einer Stellungnahme des Verbandes der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA), die dem Handelsblatt vorliegt, heißt es, die PKNS müsse ihre Arbeitsweise „dringend anpassen“.

Angesichts der Herausforderungen beim Umbau des Stromsystems und des zeitlichen Vorlaufs müsse „die Plattform vom Diskussionsraum zu einem Gremium werden, das konkrete Handlungsempfehlungen“ an die Politik gebe.

„Unsere Erwartungen, mit denen wir an dem Prozess teilnehmen, wurden bisher nicht erfüllt“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Im Kern müsse es um die Frage gehen, welcher Marktrahmen erforderlich sei, um Investitionsentscheidungen zu ermöglichen. Diese Frage sei aber bislang unbeantwortet geblieben.

Eine Plenarsitzung der PKNS, die für Donnerstag dieser Woche anberaumt war, hat das Bundeswirtschaftsministerium abgesagt, weil „kein Diskussionsbedarf“ bestehe. Vertreter der beteiligten Branchen sind irritiert.

Bereits im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Koalitionäre die PKNS angekündigt. Die Plattform soll unter breiter Einbindung von Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft Ansätze für das Strommarktdesign in einem weitgehend klimaneutralen Stromsystem zu entwickeln. Die Plattform nahm ihre Arbeit im Februar auf und soll noch in diesem Jahr Handlungsempfehlungen präsentieren. Die Ergebnisse der PKNS seien „eine wichtige Grundlage für politische Weichenstellungen in Deutschland und Europa“, schreibt das Wirtschaftsministerium auf seiner Website.

Auch Kritik an der Arbeitsweise

Die Arbeit ist aufgeteilt in vier Arbeitsgruppen, die durch übergreifende Plenarsitzungen ergänzt werden. Anfang August hatte die Deutsche Energie-Agentur (Dena) im Auftrag des Ministeriums einen ersten Zwischenbericht über die Arbeit der PKNS vorgelegt.

Robert Habeck

Die Plattform des Ministers bleibt hinter den Erwartungen.

(Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur)

Hintergrund ist der geplante Umbau des Stromversorgungssystems. Die Bundesregierung will den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch von derzeit rund 45 Prozent bis 2030 auf 80 Prozent erhöhen. Ein System, das bislang auf Kernkraftwerken und Kohleverstromung basierte, muss sich vollständig auf erneuerbare Energien umstellen.

Hinzu kommt, dass der Stromverbrauch massiv ansteigen wird, da die Dekarbonisierung in anderen Sektoren ebenfalls mit grünem Strom erfolgen wird, wie beispielsweise über Wärmepumpen und Elektroautos. Zusätzlich wird die Industrie viele Prozesse elektrifizieren, für die derzeit noch Erdgas, Kohle oder Öl eingesetzt werden. Dafür ist ein ganz neues, flexibles und interagierendes Stromsystem notwendig.

Bereits im Juli hatte Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kritik an den Abläufen geäußert. „Die Zeit droht davonzulaufen. Deshalb reicht es nicht aus, Reformen für ein Marktdesign post 2030 zu vereinbaren“, hatte Andreae gesagt. „Die Reformen, die sich als notwendig erweisen, müssen so schnell wie möglich in Gesetze und administratives Handeln gegossen werden“, sagte Andreae. Das heutige Marktdesign sei „kein Garant dafür, dass die gesetzten Erneuerbare-Energien-Ausbauziele erreicht werden und die Versorgungssicherheit erhalten bleibt“. Es seien zusätzliche Instrumente erforderlich.

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Neben inhaltlicher Kritik häuft sich auch die Kritik an der Arbeitsweise. In einem Mitgliederrundschreiben des Verbandes der Industriellen Kraftwirtschaft (VIK), das dem Handelsblatt vorliegt, heißt es, der Anfang August veröffentlichte Zwischenbericht über die Arbeit der PKNS reihe lediglich Allgemeinplätze aneinander. „Zudem wurden wesentliche Themen ausgeklammert, insbesondere die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung, die für ein künftiges Strommarktdesign erkennbar von großer Relevanz sein wird. Auch ist die europäische Anbindung der Diskussionen in der PKNS oft nur schwer erkennbar“, heißt es in dem Schreiben an die VIK-Mitglieder weiter.

Der VIK spricht damit einen wesentlichen Kritikpunkt an, der in den vergangenen Wochen immer wieder geäußert wurde: Die PKNS soll die Grundzüge des Marktdesigns ab 2030 skizzieren.

Parallel entwickelt das Ministerium eine kurzfristige Kraftwerksstrategie hinter verschlossenen Türen. Beide Themen gehören aber nach Ansicht vieler Akteure aus der Branche zusammen. Die Kraftwerksstrategie soll bewirken, dass in den kommenden Jahren Gaskraftwerke mit 25 Gigawatt Leistung gebaut werden, die als Back-up für die Erneuerbaren fungieren sollen. Sie sollen zunächst mit Erdgas, später dann mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden.

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