Türkische Zentralbank hebt die Inflationsprognose massiv an

Hafize Gaye Erkan

Am Donnerstag stand die neue Chefin der türkischen Zentralbank erst einmal vor einer wenig erfreulichen Aufgabe.

(Foto: via REUTERS)

Istanbul Hafize Gaye Erkan will das Vertrauen der Investoren in die Türkei zurückgewinnen. Doch am Donnerstag stand die neue Chefin der türkischen Zentralbank erst einmal vor einer wenig erfreulichen Aufgabe.

Erkan musste einräumen, dass die türkische Volkswirtschaft zunächst weiter unter Druck steht, bevor es dann bald wieder besser werden soll: Die Notenbank hat die Inflationsprognose mehr als verdoppelt.

58 Prozent bis zum Jahresende lautet die Prognose, die Gouverneurin Erkan, im Juni nach den Präsidentschaftswahlen im Land neu ernannt, nun bekannt gab. Unter ihrem Vorgänger war noch die Rede von 22,3 Prozent bis Ende 2023 gewesen.

Offizielles Preisziel verfehlt

Die neuesten Prognosen zeigen demnach, dass die Türkei ihr offizielles Preisziel von fünf Prozent über einen Zeithorizont von drei Jahren verfehlen wird.

Dennoch betonte die neue Notenbankchefin, dass die Zentralbank den Grundstein für den Beginn einer nachhaltigen Inflationsbekämpfung im Jahr 2024 lege. Eine Verbesserung der Verbraucherpreisentwicklung im zweiten Quartal des kommenden Jahres werde erwartet, versprach sie.

„Wir befinden uns in einem Übergang zu den von uns geplanten Inflations- und Stabilisierungsphasen“, sagte sie. Während dieses Übergangs sollten die Märkte „innerhalb ihrer eigenen internen Dynamik“ stabilisiert werden.

Viele Analysten hatten vorab eine niedrigere Inflationsprognose erwartet. Laut Bloomberg gingen die Marktkenner im Schnitt von einem Wert zwischen 40 bis 44 Prozent aus.

Fehler in der Kommunikation erkennbar

All das lässt Raum für Interpretation – und lässt einen Fehler in der Kommunikation der Zentralbank erkennbar werden. Denn der im Mai wiedergewählte Staatschef Erdogan hatte sich auf die Fahnen geschrieben, die Inflation im Land zu senken. Dazu berief er Mehmet Simsek zurück ins Amt, der bis 2018 Finanzminister war und großes Vertrauen unter Investoren besitzt.

Simsek wiederum warb dafür, die Princeton-Absolventin und ehemalige Vorständin der US-Bank First Republic als Frontfrau für die Geldpolitik nach Ankara zu holen.

Und nun das. Mit der krassen Erhöhung der Inflationserwartung räumt die neue Zentralbankchefin indirekt ein, dass ihre Institution wohl kaum alle Hebel in Bewegung setzen wird, um genau diese Preissteigerungen effektiv zu bekämpfen.

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Denn das Hauptinstrument dafür ist der Leitzins der Zentralbank. Genau bei diesem blieb die neue Zentralbankchefin hinter den Erwartungen zurück. Zwar erhöhte Erkan den Leitzins von 8,5 auf jetzt 17,5 Prozent. Doch die Inflation ist immer noch mehr als doppelt so hoch.

Preissteigerungen in Kauf nehmen

Die nun erfolgte Erhöhung der Inflationsprognose deutet an, dass das neue geldpolitische Team der türkischen Regierung bereit ist, die Preissteigerungen in Kauf zu nehmen.

„Niemand sollte nach der heutigen Bekanntgabe große Erhöhungen des Leitzinses erwarten“, urteilt daher auch Ökonom Erdal Yalcin, der unter anderem an der Hochschule Konstanz sowie dem Kieler Institut für Weltwirtschaft forscht.

Der Grund dafür dürfte politischer Natur sein. Mit hohen Leitzinsen lässt sich zwar in der Regel effektiv die Inflation bekämpfen. Ein Nebeneffekt ist aber häufig eine höhere Arbeitslosigkeit. Die aber kann Staatschef Erdogan derzeit nicht gebrauchen.

Der türkische Staatschef will die Kommunalwahlen im März kommenden Jahres gewinnen. Dafür setzt er schon jetzt alle Hebel in Bewegung. Eine straffere Geldpolitik könnte dieses politische Ziel konterkarieren.

Wohl aus diesem Grund übt sich das türkische Finanzministerium in einem Spagat: Minister Simsek und seine Zentralbankchefin versuchen, das Vertrauen der Investoren so weit wie möglich wiederherzustellen – ohne dabei ihrem Präsidenten zu stark in die Quere zu kommen.

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