So sollen Kühlschränke ohne klimaschädliche Chemikalien auskommen

Gründerteam von Magnotherm

Max Fries (2.vl.) und Timur Sirman (2.v.r.) führen das Unternehmen aus Darmstadt.

(Foto: Jonathan Chan)

Düsseldorf Wird es draußen heiß, steigt die Nachfrage nach Klimaanlagen und Kühlschranken. Doch die Kühlgeräte selbst beschleunigen den Klimawandel, warnt die Deutsche Umwelthilfe. Obwohl die EU zuletzt strengere Regeln erlassen hat, arbeiten 80 Prozent aller Kühlungsanlagen noch mit sogenannten fluorierten Treibhausgasen (F-Gase).

Werden sie freigesetzt, seien sie rund 100- bis 24.000-mal klimaschädlicher als CO2, warnt das Bundesumweltministerium. Magnotherm möchte das ändern.

Dafür nutzt das Start-up einen magnetischen Effekt, der Kühlungsanlagen nachhaltiger machen soll. Aktuell arbeitet das Unternehmen aus Darmstadt vor allem mit Supermärkten zusammen, doch es hat auch schon einen eigenen Kühlschrank entwickelt.

Um wen geht es?

Magnotherm wurde im Juli 2019 gegründet. Das Start-up ist aus einer Forschungsgruppe der Technischen Universität Darmstadt entstanden. Seit der Gründung führen Max Fries und Timur Sirman das Unternehmen zusammen.

Beide sind Ingenieure: Sirman hat an der TU Darmstadt und an der FU Berlin Ingenieurwissenschaften und Management studiert. Nach dem Ende seines Studiums hatte er mit anderen Alumni der Hochschule weiter an der Kühlung auf Basis von magnetischem Material geforscht. Sein Mitgründer Fries, der ebenfalls in Darmstadt studiert hat, ist Experte auf dem Gebiet magnetokalorischer Materialien und magnetischer Kühlvorrichtungen.

Ein Jahr haben beide gemeinsam daran geforscht, Magnetismus für die Kühlung einzusetzen. Aus ihrer Forschung wollen sie nun ein Geschäftsmodell machen. In Darmstadt-Eberstadt haben sie darum die Zentrale für Magnotherm eingerichtet.

Wie funktioniert die magnetische Kühlung?

Die Kühlungsanlagen des Start-ups basieren auf dem sogenannten magnetokalorischen Effekt. Dieser besagt, dass Magnetismus gewisse Metalle erwärmen und kühlen kann. Wenn das Material in das Magnetfeld kommt, ordnen sich winzige magnetische Teile in diesen Metallen neu an, was zu einer Abkühlung führt. Wenn das Magnetfeld entfernt wird, kehren die magnetischen Teile in ihre ursprüngliche Anordnung zurück und das Material erwärmt sich wieder. So entsteht ein Zyklus von Erwärmung und Abkühlung.

Dieser Effekt kann in umweltfreundlichen Kühlsystemen verwendet werden, ohne klimaschädliche Chemikalien benutzen zu müssen. „Wenn wir alle Kühlschränke auf magnetische Kühlung umstellen würden, könnten wir allein bis 2030 rund 1,3 Gigatonnen CO2 einsparen“, sagt Sirman. Darüber hinaus sei das System auch sparsamer und damit günstiger: Die entwickelten Systeme seien 40 Prozent energieeffizienter als herkömmliche Kühlgeräte im Supermarkt.

Prototyp eines Kühlschranks

Das Start-up hat nach seiner Gründung auch eigene Kühlschränke mit eigener Kühltechnologie entwickelt.

(Foto: Jonathan Chan)

Ziel sei es, mit der Anlage fünfmal so viel Kälteenergie zu erzeugen, wie die Anlage an Strom verbraucht. Damit wäre das System in etwa so effizient wie gute Wärmepumpen. Der aktuelle Getränkekühler des Start-ups liefert allerdings nur knapp mehr Kälteenergie als elektrische Energie eingesetzt wird.

Dass der Durchbruch auf dem Massenmarkt für das Start-up allein schwierig ist, wissen auch die Gründer. Sie wollen darum mit etablierten Herstellern von Kühlgeräten zusammenarbeiten – und die Technologie so in möglichst viele Geräte bringen.

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Für diese Idee hat Magnotherm eine Reihe von Investoren gewonnen. Ihre Gründung haben sie einerseits durch Venture-Capital-Investoren wie Extantia Capital und das Beteiligungsmanagement Hessen (BM-H) der Landesbank Hessen-Thüringen finanziert. Darüber wurde Magnotherm mit einer Million Euro aus dem LOEWE-Programm des Landes Hessen gefördert. Die zuletzt abgeschlossene Finanzierungsrunde brachte sieben Millionen Euro ein. Der Umsatz des Darmstädter Start-ups liegt aktuell im sechsstelligen Bereich.

Einer der Investoren ist auch das Venture-Capital-Unternehmen Revent. „Das Gründerteam von Magnotherm kombiniert tiefe akademische Expertise und jahrelange Forschungserfahrung mit kommerziellem Know-how“, sagt Henrik Grosse Hokamp von Revent.

Welche Herausforderungen gibt es?

„Das Geld war zwischenzeitig sehr, sehr knapp“, erinnert sich Sirman. Die Gründer hatten mit Fördergeldern der EU gerechnet, doch die Auszahlung verzögerte sich. Und auch die Coronapandemie war eine Herausforderung für das junge Start-up. Die Lieferketten gerieten weltweit unter Druck, wichtige Materialien für die Entwicklung wurden knapp oder fehlten ganz.

Um zu zeigen, dass die Entwicklung funktioniert, hat Magnotherm zehn eigene Kühlschränke gebaut, in denen die magnetische Kühlungstechnologie bereits zum Einsatz kommt. Die Prototypen sollen potenziellen Kooperationspartnern und Investoren zeigen, was mit der Technologie möglich ist.

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Die Konkurrenz ist groß. „Der [Kühlschrank-]Markt ist mit Miele und Bosch hart umkämpft“, sagt Andreas Hütten. Der Physiker an der Universität Bielefeld forscht selbst zu magnetischem Material. Die Technologie des Start-ups hält er für gut entwickelt. Doch erst in den kommenden Jahren werde sich herausstellen, ob sie sich auch durchsetzen kann. Insbesondere stehe noch der Beweis aus, wie langlebig das Material für die magnetische Kühlung ist.

Wie geht es jetzt weiter?

„Das wirklich Entscheidende ist ein gutes Netzwerk“, sagt Sirman. Darum hat er in den vergangenen Jahren den Kontakt zu den wichtigen Supermarktketten aufgebaut. So habe das Start-up die ersten Kunden gewonnen können. Im Netzwerk der TU Darmstadt habe man die passenden Mitarbeiter rekrutiert. Magnotherm beschäftigt aktuell 33 Mitarbeiter.

In den nächsten Jahren will Magnotherm seine Technologie in Supermärkten etablieren und in den kommenden Jahren auch profitabel werden.

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