So hat sich Garmin vom Navi-Hersteller zum Sportuhr-Experten gewandelt

Garmin-Deutschlandchef Kai Tutschke

Inzwischen ist Sport für den Elektronikkonzern das Thema Nummer eins.

(Foto: Garmin)

München Von der Straße in den Wald, von der Windschutzscheibe ans Handgelenk: Waren einst Navis der mit Abstand größte Umsatzbringer des Elektronikkonzerns Garmin, so sind es inzwischen smarte Sportuhren. Was 2003 mit dem elektronischen Laufcoach Forerunner begann, ist heute ein Milliardengeschäft – auch hierzulande.

„In den vergangenen 20 Jahren haben wir über sieben Millionen Smartwatches im deutschsprachigen Raum verkauft“, sagte Deutschlandchef Kai Tutschke dem Handelsblatt. Normalerweise gibt Garmin keinerlei Auskunft zu Verkaufszahlen in einzelnen Ländern.

Dabei hat Garmin einen in der Elektronikbranche völlig unüblichen Weg eingeschlagen. Der US-Konzern entwickelt alle Geräte selbst und produziert sie in eigenen Fabriken. Für gewöhnlich lagern Marken zumindest die Fertigung an Spezialisten wie Foxconn aus. „Outsourcing ist bei uns kein Thema“, beteuert Tutschke.

Garmin holt sich noch mehr Wissen ins eigene Haus

Die Amerikaner holen sich sogar immer mehr Technik-Kompetenz ins Haus. Gerade erst kündigte Konzernchef Cliff Pemble an, den Lautsprecherspezialisten JL Audio aus Florida samt seinen 600 Mitarbeitenden zu übernehmen.

Garmin geht es glänzend: Im zweiten Quartal kletterte der Umsatz um sechs Prozent auf 1,3 Milliarden Dollar (1,2 Milliarden Euro). Der Gewinn stieg sogar um zwölf Prozent auf 288 Millionen Dollar (262 Millionen Euro). Besonders Konsumenten in Europa griffen zu Garmin-Produkten: In der Region wuchsen die Erlöse um elf Prozent auf 458 Millionen Dollar.

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Das Geschäft mit den sogenannten Smartwatches und Fitnessarmbändern steht inzwischen für mehr als die Hälfte des Umsatzes. 2015 waren es noch nicht einmal 40 Prozent. Inzwischen ist der Sport das Thema Nummer eins, auch in der Außendarstellung von Garmin. „Wir glauben daran, dass ein aktives Leben die Grundlage für ein erfülltes Leben ist“, sagt Deutschlandmanager Tutschke.

Konkurrent Tomtom ist mit den Sportuhren gescheitert

Nicht jedem Navihersteller ist so eine Weiterentwicklung des Portfolios gelungen. Tomtom, einst größter Rivale, ist mit seinen Sportuhren krachend gescheitert. Aus der Not heraus waren die Niederländer Mitte des vergangenen Jahrzehnts in das für sie völlig neue Geschäft eingestiegen.

Denn mit dem Boom der Smartphones und der freien Verfügbarkeit aktueller Routenplaner etwa über Google verloren die Autofahrer die Lust an den von Karten-Abos getriebenen Navis. Zu diesem Zeitpunkt hatte Garmin bereits zehn Jahre Erfahrung mit elektronischen Fitnesstrackern gesammelt.

Smartwatch von Garmin

Der US-Konzern entwickelt alle Geräte selbst und produziert sie in eigenen Fabriken.

(Foto: Reuters)

Die Computeruhren von Tomtom blieben Ladenhüter, 2017 zog sich die Firma aus dem Markt zurück. Das börsennotierte Unternehmen ist bis heute weit von den Umsatzdimensionen entfernt, die es zu den Boomzeiten der Navis 2007 erreicht hatte. Ganz anders Garmin: Wenn CEO Pemble seine Prognose für das laufende Jahr erreicht, hat sich der Umsatz in der letzten Dekade verdoppelt, und zwar auf gut fünf Milliarden Dollar.

Apple führt das Feld an

Das ist bemerkenswert angesichts des harten Wettbewerbs. Garmin konkurriert bei seinen Computeruhren inzwischen sowohl mit Sportspezialisten wie Polar und Suunto als auch mit IT-Riesen wie Apple, Huawei und Samsung.

Apple ist den Marktforschern von Counterpoint zufolge mit 30 Prozent Marktanteil weltweit führend bei den Smartwatches. Mit seiner Apple-Watch richtet sich der iPhone-Hersteller indes an alle Konsumenten, während Garmin vor allem Athleten und Outdoor-Begeisterte anspricht. Garmin kommt laut Counterpoint auf gut vier Prozent Weltmarktanteil.

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Gut für Garmin: Vor allem teure Uhren mit Preisen von 400 Dollar und mehr sind derzeit gefragt, so die Branchenbeobachter. 2022 hat sich der Absatz der Topmodelle gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Die günstigsten Varianten von Garmin kosten bei Onlinehändlern rund 100 Euro, die teuersten sind für etwa 2300 Euro bei Juwelieren erhältlich.

Navis hat Garmin zwar nach wie vor im Angebot. Aber das meiste Geld in der Autoindustrie verdient die Firma aus Kansas inzwischen mit fest eingebauten Lösungen für das Infotainment. Einer der größten Kunden ist BMW. Darüber hinaus verkauft die Firma Navis für Radfahrer sowie Bordcomputer fürs Cockpit von Flugzeugen sowie für Schiffe.

An der Börse kommt der Aufwärtstrend gut an. Seit Jahresbeginn kletterte der Kurs um mehr als zehn Prozent auf rund 104 Dollar, nachdem die Papiere 2022 fast ein Drittel an Wert verloren hatten.

Deutschlandchef Tutschke ist derweil zuversichtlich: „Die Konsumflaute trifft uns bislang kaum, dank unserer Diversifikation wachsen wir weiter. Auch, weil immer mehr Menschen aktiver und gesünder leben möchten.“
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