So gewinnen Mittelständler neue Mitarbeiter

Fachkräftemangel

Mitarbeitende werden mittlerweile mit ungewöhnlichsten Aktionen angeworben.

(Foto: Imago/Westend61)

Köln Der Kampf um Arbeits- und Fachkräfte macht Unternehmen erfinderisch. Ein Beispiel dafür liefert die EBM-Papst-Gruppe, ein Hersteller von Ventilatoren und Motoren mit Hauptsitz in Mulfingen in Baden-Württemberg. Auf der diesjährigen Hannover-Messe verantworteten die Auszubildenden den Auftritt des Familienunternehmens mit knapp 15.000 Mitarbeitern, wie eine Sprecherin des Unternehmens mitteilt: „Mit diesem Projekt wollten wir zeigen, dass junge Menschen schon in der Lehre Verantwortung übernehmen können und mit ihren Ideen die gesamte Mitarbeiterschaft inspirieren können.“ Gleichzeitig will die Firma Interesse für Ausbildungs- und Studienplätze wecken.

Damit steht das Unternehmen in einer Reihe mit anderen, die mit kreativen Ideen Fachkräfte gewinnen wollen. So auch Karsten Drews und Frank Walter, Geschäftsführer und Ausbildungsleiter bei HBS Elektrobau mit Sitz in Oettersdorf, sie reisen dafür ins Ausland, auch nach Marokko.

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Dort suchen sie bei Sprachschulen nach potenziellen Mitarbeitenden „Wir legen uns mächtig ins Zeug, um gute Facharbeitende zu gewinnen“, berichtet Walter. Geeignete Bewerberinnen und Bewerber lädt das Unternehmen nach Deutschland ein: „Wir bieten ein Rundum-sorglos-Paket mit eigenem Ausbildungszentrum, eigenen Wohnheimen, und die Berufsschule ist nur 100 Meter entfernt.“

Dieser Einsatz ist immens, aber zunehmend notwendig. Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist ein riesiges Problem für die deutsche Wirtschaft und zieht sich durch alle Branchen. Unternehmen lassen sich viel einfallen, um Mitarbeiterende zu gewinnen. So hat Malermeisterin Jessica Hansen in ihrem Betrieb im schleswig-holsteinischen Osterby die Viertagewoche eingeführt, die An- und Abfahrt zur Baustelle wird als Arbeitszeit bezahlt, sie hat Sachbezüge wie Tank- und Wertgutscheine eingeführt und bewirbt das neue Konzept in sozialen Medien.

Ebenfalls einen neuen Weg geht Bäckermeister Andreas Fickenscher, Inhaber des gleichnamigen Backhauses im oberfränkischen Münchberg: Er hat seine Attraktivität als Arbeitgeber gesteigert, indem er 70 Prozent der Nachtarbeit auf den Tag verlegt hat. Ungewöhnliche Wege beschreitet auch die Bäckerei Biokaiser, die 35 Menschen in vier Lehrberufen ausbildet.

Ein Weizenfeld für Auszubildende

„Wir verstehen den Arbeitsprozess auch als Lebensschule für alle Mitarbeitenden“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Volker Schmidt-Sköries. Und weiter: „Aus diesem Grund wurden spezielle Bausteine auch für die individuelle Entwicklung für die Azubis aufgebaut und in der sogenannten Jugendwerkstatt zusammengefasst.“

So bestellen die Auszubildende gemeinsam ein eigenes Weizenfeld. Unter anderem ein Agrarökonom und ein Pädagoge begleiten das Projekt, das die soziale Kompetenz fördern soll. Zudem gibt es einen Azubi-Stammtisch gemeinsam mit der Geschäftsführung und der Personalleiterin, um Erfahrungen auszutauschen. Und weil Schmidt-Sköries sich sozial orientierten Zielen verpflichtet fühlt, würde der Gewinn mit Mitarbeitenden, Bauern und sozialen Initiativen geteilt: „Zum fairen Wirtschaftsleben gehört das Geben und Nehmen.“ Auch über sinnstiftende Arbeit lassen sich Facharbeiter gewinnen, ist er überzeugt.

Auch Marie-Christine Ostermann, Co-Geschäftsführerin des Lebensmittelgroßhändlers Rullko Großeinkauf, berichtet von einem „immer extremeren Fachkräftemangel“. Durch die eigene Ausbildung von Kaufleuten und Personal in der Lagerlogistik versucht das Unternehmen, das Problem in den Griff zu bekommen. Inzwischen würde fast jeder Bewerber eingestellt. „So können wir dem Mangel aktiv und frühzeitig entgegenwirken“, schildert Ostermann.

Weil viele Jugendliche nach der Schule nicht gut genug das Rechnen oder die deutsche Sprache beherrschen, müsse sich das Unternehmen mehr darum kümmern. Zum Einsatz käme auch die digitale Lernplattform von Simpleclub. Der Lernfortschritt der Nachwuchskräfte sei für den Betrieb digital nachvollziehbar. „So können wir die Auszubildenden zeitgemäß und optimal auf die Abschlussprüfung vorbereiten“, unterstreicht Ostermann die Bedeutung dieses Ansatzes.

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