Düsseldorf Der Brauereiriese Heineken hat sein Russlandgeschäft endgültig verkauft. Der niederländische Konzern veräußert seine sieben Standorte zum symbolischen Preis von einem Euro, teilte das Unternehmen am Freitag mit. Unter dem Strich bedeute der Rückzug einen Verlust von 300 Millionen Euro.
Heineken war der drittgrößte Braukonzern in Russland und erzielte dort zwei Prozent seines Umsatzes. Das Unternehmen ist einer der wenigen internationalen Konsumgüterhersteller, die den Rückzug aus dem Land nach dem russischen Angriff auf die Ukraine forciert und umgesetzt haben.
Nur wenige bekannte Namen der Branche wie Coca-Cola und der Persil-Hersteller Henkel haben das Land komplett verlassen. Insgesamt waren es laut der Kyiv School of Economics nur 22 Prozent der westlichen Firmen.
Die meisten Hersteller von Alltagsprodukten und Genussmitteln halten trotz des Angriffskriegs in der Ukraine weiter an ihrem Russlandgeschäft fest – etwa der Süßwarenhersteller Mars, Mondelez (Milka, Philadelphia), der Softdrinkproduzent Pepsi, der Tiefkühlgemüsehersteller Bonduelle, Nestlé (Kitkat, Nespresso), Unilever (Dove, Knorr), Beiersdorf (Nivea) oder Procter & Gamble (Ariel, Pampers). Viele haben ihre Aktivitäten jedoch reduziert oder Neuinvestitionen gestoppt.
Konsumgüterhersteller sind anders als andere Branchen kaum von internationalen Sanktionen betroffen. Allerdings geraten Konzerne, die weiter in Russland wirtschaften, in ihren Heimatmärkten verstärkt unter Druck von Aktivisten und Verbrauchern.
Rückzug aus Russland wird immer schwieriger
Wer sich aber komplett zurückziehen will, läuft Gefahr, sein Geschäft an den russischen Staat zu verlieren. Erst im Juli hatte Moskau den Heineken-Konkurrenten Carlsberg und den Molkereikonzern Danone enteignet. Beide Konzerne standen kurz vor dem Verkauf ihrer Werke – bis Russland die Kontrolle über die Fabriken übernommen hat. Welche Unternehmen es trifft, unterliegt russischer Willkür.
Diese Gefahr sei auch für Heineken real gewesen, räumte Heineken-Chef Dolf van den Brink am Freitag ein. „Der Rückzug aus Russland war unglaublich komplex.“ Den 1800 Beschäftigten vor Ort habe auch die Strafverfolgung gedroht. Heineken hatte kurz nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 angekündigt, das Land verlassen zu wollen.
Nach Berechnung der Kyiv School of Economics erzielte Heineken in Russland im vergangenen Jahr einen Umsatz von 613 Millionen Dollar – fast 20 Prozent mehr als 2021. Alkohol- und Tabakhersteller aus dem Ausland steigerten 2022 demnach insgesamt ihre Gewinne in Russland von 1,4 auf 2,4 Milliarden Dollar.
Man habe unter dem Druck der Verbraucher gestanden, sich aus Russland zurückzuziehen, so van den Brink. Die Brauerei hatte Produktion, Verkauf und Werbung für die Biermarke Heineken 2022 eingestellt. Allerdings geriet die Firma in die Kritik, weil andere Aktivitäten weiterliefen und neue Biermarken auf den Markt kamen. So soll auch die Produktion der Marke Amstel erst in den kommenden sechs Monaten auslaufen.
„Wenn Unternehmen Geschäfte in Russland machen, ist das für ihre Reputation ein gefährlicher Kurs“, sagt Markenexperte Stephan Grünewald, Mitgründer des Rheingold-Instituts. „Die Aufregung der Kunden ist zwar oft größer als die eigentliche Verhaltensänderung, aber den Firmen droht eine schleichende Imageschädigung.“
Rückzug aus Russland wird zum Verlustgeschäft
Wohl auch deshalb hat Heineken den Verlust von 300 Millionen Euro hingenommen. Die Verluste seien bereits zum großen Teil abgeschrieben worden. Auch für andere Firmen wurde der Rückzug zum Zuschussgeschäft. Henkel etwa erzielte im Frühjahr für seine Russlandtochter mit über einer Milliarde Euro Umsatz nur einen Verkaufserlös von 600 Millionen Euro, musste unter dem Strich ein Minus von 214 Millionen Euro verkraften.
Unternehmen aus „unfreundlichen Staaten“, zu denen auch Deutschland und die Niederlande zählen, müssen sich laut einem Dekret von Staatschef Wladimir Putin ihren Verkauf von den Behörden genehmigen lassen. Heineken wartete darauf seit diesem April. Ein russischer Gutachter beurteilt den Firmenwert, für den Kaufpreis werden davon mindestens 50 Prozent abgezogen.
Künftig drohen noch höhere Abschläge. Manche Firmen müssen eine zusätzliche Abgabe an den Staat zahlen. Die „Exit-Steuer“ beträgt mindestens fünf Prozent des Marktwertes.
Firmen, denen im Frühjahr der Rückzug gelungen war, hatten sich oft Rückkaufklauseln zusichern lassen, um langfristig die Option eines Wiedereinstiegs zu haben. Auch das hat der Kreml seit Juli erschwert: Solche Optionen können nun nur noch für eine Zeit von zwei Jahren vereinbart werden. In der Praxis bedeutet das den endgültigen Abschied, eine so rasche Rückkehr ist derzeit unrealistisch.
Auch Heineken hat sich nun keine Rückkaufoption gesichert. Käufer der russischen Aktivitäten ist die Firma Arnest. Der Hersteller von Verpackungsmaterial, Kosmetik und Haushaltswaren hatte bereits im September 2022 das Russlandgeschäft des US-Aluminiumdosenherstellers Ball für 530 Millionen Dollar übernommen. Die 1800 Heineken-Beschäftigten vor Ort sollen bei Arnest für drei Jahre eine Beschäftigungsgarantie bekommen.
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