NatWest-Chefin tritt nach umstrittener Kontoauflösung zurück

London Um kurz vor 18 Uhr am Dienstagabend sprach der Verwaltungsrat der britischen Großbank Natwest der Vorstandschefin Alison Rose noch sein „volles Vertrauen“ aus. Knapp sechs Stunden später erklärte die 54-jährige Topbankerin mitten in der Nacht ihren Rücktritt. Bis ein Nachfolger für Rose gefunden ist, wird Paul Thwaite, der Leiter für die Bereiche Geschäftskunden und institutionelle Anleger, zunächst für zwölf Monate die Führung von Natwest übernehmen.

„Dies wäre nie passiert, wenn Natwest nicht entschieden hätte, ein Bankkonto aufgrund der rechtmäßigen politischen Ansichten einer Person aufzuheben“, twitterte Andrew Griffith, Minister für Finanzdienstleistungen in der Londoner City, am Mittwochmorgen. „Das war und ist immer inakzeptabel. Ich hoffe, der gesamte Finanzsektor lernt daraus.“ Ein Regierungssprecher bestätigte zudem, dass auch Premierminister Rishi Sunak besorgt über die Entwicklung gewesen sei, und begrüßte den Rücktritt als folgerichtig. 

Rose hatte behauptet, Farages Konto bei der Privatbank Coutts sei allein aus kommerziellen Gründen aufgelöst worden. Der Ex-Politiker hatte danach jedoch interne Dokumente der Bank vorgelegt, die zeigen, dass die Natwest-Tochter den Rechtspopulisten loswerden wollte, weil dessen umstrittene politische Ansichten nicht zum Image der Bank passten. Die zurückgetretene Vorstandschefin hatte sich später bei Farage für die Kontoauflösung entschuldigt und einen „schwerwiegenden Fehler“ ihrerseits eingeräumt.

Am Dienstag hatte sie nach langem Zögern zugegeben, dass sie über die Geschäftsbeziehungen von Farage zu Coutts mit dem BBC-Journalisten Simon Jack gesprochen hat. Die BBC hatte anschließend berichtet, das Konto des Ex-Politikers sei nicht aus politischen Gründen geschlossen worden, sondern weil Farages Vermögen nicht mehr die Mindestanforderungen von Coutts erreiche.

Die Privatbank, die auch die Reichtümer der britischen Königsfamilie verwaltet, betreut nur Kunden mit einem Vermögen von mehr als einer Million Pfund.

Rose stand für einen Kulturwandel

Farage forderte nach Roses Rücktritt weitere Konsequenzen. „Andere müssen folgen“, verlangte der frühere Brexit-Vorkämpfer. Er hoffe, dass dies als Warnung für das Bankgewerbe diene.

City-Minister Griffith hat die Chefs der britischen Banken am Mittwoch einbestellt, um ihnen zu erklären, dass die Regierung es nicht hinnehmen will, wenn Kreditinstitute Kundenkonten aufgrund von nicht genehmen politischen Ansichten schließen. Die Banker sollen künftig gesetzlich verpflichtet werden, ihre Entscheidungen zu erklären.

Rose ist eine der prominentesten Bankerinnen in Großbritannien und arbeitete mehr als 30 Jahre lang für Natwest. „Es ist ein trauriger Moment. Sie hat ihr gesamtes bisheriges Arbeitsleben der Natwest gewidmet und wird viele Kollegen zurücklassen, die sie respektieren und bewundern“, erklärte Verwaltungsratschef Howard Davies.

Die Topbankerin, die 2019 als erste Frau an die Spitze einer britischen Großbank berufen wurde und sich selbst als „überzeugte Anhängerin von Vielfalt, Gerechtigkeit und Integration“ bezeichnete, stand vor allem für einen Kulturwandel.

Zugleich gelang es ihr, die Bank nach jahrelangen Verlusten nachhaltig profitabel zu machen. Für den britischen Staat, der seine Beteiligung von einst 62 auf nunmehr 39 Prozent sukzessive verringert hat, war die Rettung der Großbank nach der Finanzkrise allerdings ein Verlustgeschäft. Natwest legt am Freitag die neuesten Geschäftszahlen vor. Am Donnerstag reagierte die Börse auf Roses Rücktritt mit einem Verlust von etwa drei Prozent. 

Mehr: Privatbank löst Konto des unliebsamen Brexit-Vorkämpfers auf


source site-12