Naturkatastrophen, Cyberangriffe, Unruhen – wo Munich Re Risiken sieht

Frankfurt Der weltgrößte Rückversicherer Munich Re sieht in einem „weiterhin komplexen Marktumfeld“ gute Geschäftsmöglichkeiten. Es gebe zwar Unsicherheiten durch die Inflation, die möglichen Folgen geopolitischer Risiken und der De-Globalisierung sowie durch Klimawandel und Cybergefahren, sagte Munich Re-Vorstandsmitglied Thomas Blunck am Rande des Branchentreffens in Monte Carlo, das von Samstag bis nächsten Dienstag stattfindet. Dort loten Rückversicherer mit ihren Kunden die Konditionen für das nächste Jahr aus.

Auch in diesen schwierigen Zeiten sei Munich Re bereit, mehr Rückversicherungsschutz zu bieten, sofern die Raten und Bedingungen stimmten, betonte Blunck.

Bereits in diesem Jahr habe man das Geschäft zum Teil deutlich ausweiten können, so der Munich Re-Vorstand weiter. Ein Grund war, dass sich kleinere Rückversicherer im schwierigen wirtschaftlichen Umfeld aus manchen Märkten zurückgezogen oder ihre Risiken reduziert haben. Große Anbieter wie Munich Re boten weiterhin Rückversicherungsschutz an, erhöhten aber die Preise und verschärften die Konditionen – keine einfache Gemengelage für die Erstversicherer.

Laut einer Umfrage der Ratingagentur Moody’s erwarten über 70 Prozent der teilnehmenden Erstversicherer, dass die Rückversicherungspreise im Schaden- und Unfallbereich im nächsten Jahr weiter steigen, auch weil die Schäden immer teurer werden. 91 Prozent der Befragten wollen aber nicht mehr Rückversicherungsschutz kaufen, sondern einen größeren Teil der Risiken selbst tragen.

Blunck von Munich Re dagegen rechnet mit einem weiteren Wachstum des Geschäfts, auch wenn dieses nicht mehr so stark ausfallen dürfte wie zuletzt. Er beobachtet aktuell eine Stabilisierung der Rückversicherungsmärkte: Es treffe wieder mehr Angebot auf eine anhaltend hohe Nachfrage.

Das Rückversicherungskapital, ein wichtiger Indikator für die bereitstehende Rückversicherungskapazität, dürfte nach Daten von AM Best und Guy Carpenter im Jahr 2023 wieder auf 461 Milliarden Dollar steigen, nachdem es im Vorjahr auf 434 Milliarden Dollar gesunken war.

Inflation bleibt wichtiger Unsicherheitsfaktor

Im Fokus steht für Erst- und Rückversicherer bei den anstehenden Vertragsverhandlungen die Frage, ob die Preise ausreichen, um die hohe Inflation auszugleichen. „Die Inflation wird die Rückversicherungspreise wohl auch weiterhin steigen lassen, wenn auch in einem geringeren Umfang als in den letzten zwei Jahren“, erklärte Blunck.

Inzwischen sinken die Inflationsraten zwar wieder, dürften allerdings nach Einschätzung von Munich Re im Schnitt bis 2030 über den Notenbankzielen von etwa zwei Prozent liegen und damit weit über den Inflationsraten früherer Jahre.

Prämienanstiege in der Erst- und Rückversicherung erwartet Blunck insbesondere bei Autopolicen: „Aus unserer Sicht haben manche Erstversicherungsmärkte noch Nachholbedarf, die Preise bei Kfz-Versicherungen zu erhöhen.“

In diesem Segment seien nach Corona der Wiederanstieg der Schadenfrequenz und die Inflation teilweise unterschätzt worden. „Prämienanstiege würden sich dann bei unseren meist proportionalen Verträgen automatisch in unserem Portfolio widerspiegeln“, sagte er.

Daneben beschäftigt sich Munich Re vor allem mit den sich ständig ändernden Risiken, insbesondere bei Naturgefahren. Der Klimawandel begünstigt dem Rückversicherer zufolge das Auftreten von Schwergewittern. Allein im ersten Halbjahr 2023 lag der Gesamtschaden aus diesen Gewittern bei 35 Milliarden Dollar, 25 Milliarden Dollar waren versichert.

Auch die Schäden aus Waldbränden und Sturzfluten nähmen in vielen Regionen weltweit zu. Blunck zieht in Bezug auf das Geschäft dennoch ein positives Fazit: „Wir konnten mit den meisten unserer Kunden Preise aushandeln, die diese höheren Risiken widerspiegeln.“

Cyberrisiken gewinnen an Bedeutung

Zudem hat Munich Re die steigenden Cyberrisiken besonders im Blick. Volkswirtschaftliche Schäden durch Cyberattacken werden sich zwischen 2022 und 2027 auf schätzungsweise 24 Billionen Dollar verdreifachen. Für Unternehmen werde es immer bedeutsamer, sich besser zu schützen und zu versichern, so der Rückversicherer.

Munich Re rechnet mit einem Wachstum des Markts für Cyberversicherungen um das Zweieinhalbfache bis zum Jahr 2027, mit Prämien von dann rund 33 Milliarden Dollar. Für Munich Re seien Cyberversicherungen weiterhin ein Wachstumsfeld für die nächsten Jahre, betonte Blunck. Attacken auf kritische Infrastruktur und Cyberkriege seien aber von der Deckung ausgeschlossen.

Weitere Herausforderungen sieht Munich Re in einer sogenannten „Social Inflation“ in den USA, vor allem bei langlaufenden Haftpflichtdeckungen. Gemeint ist, dass die Summen vor Gericht erstrittener Schadenersatzzahlungen zuletzt deutlich angestiegen sind.

Auch politische Risiken haben dem Rückversicherer zufolge in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Lokal begrenzte Unruhen und die daraus entstehenden Schäden lassen sich durch Sachversicherungen abdecken, während nicht versicherbare Risiken aus Kriegen und Terrorattacken auch hier ausgeschlossen sind.

Mehr: Preise der Rückversicherer schrecken Erstversicherer ab

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