Nach Einbruch der Frachtraten: Umsatz von Hapag-Lloyd halbiert

Containerschiff „Al Nefud“ von Hapag-Lloyd im Hamburger Hafen

Nach den Milliardengewinnen normalisiert sich das Geschäft mit dem Übersee-Transport.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Die Erlöse der Hamburger Container-Reederei Hapag-Lloyd, der größten Schiffsgesellschaft Deutschlands, haben sich im zweiten Quartal halbiert. Nach 8,99 Milliarden Euro Umsatz im vergleichbaren Vorjahresquartal flossen zwischen April und Juni nur noch 4,42 Milliarden Euro in die Konzernkasse. Gleichzeitig verdienten die 258 Containerschiffe vor Zinsen und Steuern lediglich 808 Millionen Euro – nach 4,8 Milliarden im zweiten Quartal 2022. Der Gewinn pro Aktie sackte auf 5,71 Euro – nach 25,48 Euro im vergleichbaren Vorjahresquartal. Analysten hatten im Vorfeld sogar nur mit einem Ertrag je Anteilschein von 5,21 Euro gerechnet.

Die Zeiten überbordender Gewinne im Geschäft mit der Seefracht scheinen vorbei. Mit dem Ende der Coronapandemie hat sich das weltweite Transportgeschehen normalisiert – und damit die Gewinnsituation der Seefahrtbetriebe.

Vor wenigen Tagen schon hatte der dänische Wettbewerber Maersk einen ähnlichen Geschäftseinbruch im Vergleich zum Vorjahr gemeldet. Im zweiten Quartal verlor die weltweit zweitgrößte Containerreederei 40 Prozent an Umsatz, der Ertrag vor Zinsen und Steuern (Ebit) brach um 82,1 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro ein. Im vorangegangenen Quartal hatte Maersk noch 2,3 Milliarden Dollar verdient.

Im Jahr 2021 bis zum Herbst vergangenen Jahres hatten Lockdowns in Chinas Häfen zu Engpässen geführt. Der weltweite Containertransport auf See geriet ins Stocken. Die fehlenden Kapazitäten lösten einen rasanten Anstieg der Frachtraten aus, was den Reedereien Milliardengewinne bescherte – zumal die neun größten von ihnen inzwischen mehr als 80 Prozent des globalen Containertransports kontrollieren und ihre Fahrtrouten in nur drei weltweiten Allianzen abstimmen.

Schiffstransporte sind weniger gefragt – Preise brechen ein

Doch im vergangenen Dezember hatte China ein Ende seiner Null-Covid-Politik beschlossen und seine Häfen wieder geöffnet. Damit verschwanden auch die Staus vor den Terminals, und die Schiffskapazitäten stiegen wieder. Darüber hinaus hatten Importeure ihre Lagerbestände seit dem vergangenen Weihnachtsgeschäft abgebaut, und auch die aktuell schwächelnde Konjunktur hatte die Nachfrage nach Seetransporten sinken lassen. Allein im Juli gingen Chinas Lieferungen ins Ausland im Vergleich zum Vorjahr um 14,5 Prozent zurück – der stärkste Einbruch seit Februar 2020. Auch die Importe ließen um 12,4 Prozent nach.

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Weil Länder wie Indien oder Thailand das Defizit nicht ausgleichen konnten, lag das Container-Frachtvolumen in den Monaten April bis Juni zwischen zwei und fünf Prozent unter den Werten des Vorjahrs, wie die maritime Marktbeobachtung Drewry ermittelte. Die Frachtraten sind binnen Jahresfrist massiv eingebrochen. Kostete die Seereise eines 40-Fuß-Großcontainers (FEU) von Shanghai nach Rotterdam vor einem Jahr noch 9000 US-Dollar, waren es am 3. August nur noch 1620 Dollar – ein Minus von 82 Prozent.

Für das Gesamtjahr rechnet Drewry Shipping Consultants mit einem Rückgang der weltweiten Frachtraten um fast 60 Prozent im Vergleich zu 2022. Der drastische Rückgang kommt auch dadurch zustande, dass viele Langzeitverträge mit Speditionen und anderen Großkunden aktuell auslaufen, die sich die Reedereien 2021 auf dem Höhepunkt des Tarifniveaus gesichert hatten.

Lagerbestände in Europa und den USA sinken

Doch seit einigen Tagen gibt es unter den Reedereien wieder Hoffnung, dass die Frachtraten ihren Tiefpunkt Mitte Juli überschritten haben könnten. So meldete Drewry in dieser Woche durchschnittliche Frachtraten von 1761 US-Dollar pro Großcontainer (FEU). Innerhalb einer Woche sind die Preise für den Schiffstransport damit um 11,8 Prozent gestiegen – so stark wie seit Dezember 2020 nicht mehr. Die Lagerbestände in den USA seien gesunken, berichten die Marktbeobachter. In Europa und den USA lasse der starke Anstieg der Inflation langsam nach. Aktuell liege der Schwerpunkt der Importeure wieder beim Lageraufbau für die Weihnachtsfeiertage.

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So gehen Analysten bei Hapag-Lloyd für das gesamte Geschäftsjahr im Durchschnitt von einem Gewinn pro Anteilschein von 16,81 Euro aus, während im vergangenen Jahr noch 96,89 Euro verdient wurden. Ende Juli hatte JP Morgan Chase seine Einstufung für Hapag-Lloyd mit „untergewichten“ bestätigt. Als Kursziel nannte die US-Bank 88 Euro. JP-Morgan-Analyst Samuel Bland erwartet, dass das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf den Hauptrouten Transpazifik und Asien-Europa in den kommenden Jahren anhalten wird. Seit Mitte April ist der Kurs der Hapag-Aktie von 359 auf 194 Euro gesunken. Im vorbörslichen Handel fiel der Kurs um weitere 1,2 Prozent auf 193,50 Euro.

Hapag-Vorstandschef Rolf Habben Janssen erklärte am Donnerstag, dass die Reederei für das Gesamtjahr 2023 unverändert von einem Ertrag vor Zinsen und Steuern (Ebit) zwischen zwei und vier Milliarden Euro ausgehe. Im Vorjahr hatten die Hamburger 17,5 Milliarden Euro verdient. „Angesichts des andauernden Kriegs in der Ukraine und weiterer geopolitischer Konflikte sowie der Auswirkungen der hohen Inflation und der hohen Lagerbestände ist die Prognose mit erheblichen Unsicherheiten behaftet“, teilte er mit.

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