Marktanalyse: Unwiderstehlicher Reiz des Luxusobjekts

Berlin Es ist eine alte Weisheit: Der Kunstmarkt ist keine Einheit, sondern eine Melange aus vielen Sammelgebieten, die alle ihre eigenen Trends und Moden haben. Die Auktionen, die immer mehr von „Trophäen“ in der Millionenpreis-Kategorie beherrscht werden, haben seit Beginn dieses Jahrhunderts vor allem einen Bereich kontinuierlich ausgebaut: den der Luxusgüter.

Waren es seit den 1970er-Jahren vor allem Juwelen, Armbanduhren und Autos, die diese Sparte belebten, so wird heute in Live- und Online-Auktionen alles angeboten, was den Charakter einer Luxusware qua Herkunft erhält. Den Lifestyle oder die Sammellust reicher Kunden prägen Sneaker eines berühmten Sportstars und Grand Cru-Burgunder genauso wie ein Yves Saint Laurent-Kleid oder ein Burma-Saphir.

Es ist für die Wichtigkeit dieses Bereichs charakteristisch, dass Phillips jetzt seine Juwelen- und Uhrenauktionen ausbauen will, statt die weniger erfolgreichen Versteigerungen junger Kunst weiterzuführen. Ausgewählten Künstlern will das von Russen geführte Unternehmen künftig auf einer neuen Plattform einen Primärmarkt bieten. Das haben die beiden großen Konkurrenten Sotheby’s und Christie’s in der Covidphase vorexerziert.

Es gibt auch andere Methoden, neue Käufer zu gewinnen. Bei Christie’s werden die Versteigerungen von Handtaschen, die schon mal über 20.000 Dollar für ein begehrtes Hermès-Exemplar erzielen, als Einstieg einer reichen Kundschaft in den Auktionsmarkt betrachtet.

In seinen weltweiten Luxusauktionen erlösten Christie’s 2022 imposante 779 Millionen Dollar. Zu Vergleich: Im selben Jahr spielten die Auktionen von Kunst der sogenannten „emerging artists“ in allen drei großen Häusern nicht mehr als 350 Millionen Dollar ein.

Asiaten bilden die wichtigste Käuferschicht. Im ersten Halbjahr 2023 dominierten laut „Asianews“ asiatische Käufer zu 38 Prozent die globalen Luxusgüter-Auktionen, während amerikanische Bieter nur zu 28 Prozent aktiv waren. Die starke Präsenz der Luxusgüter in den weltweiten Auktionen geht einher mit einer schleichenden Marktveränderung, die vom thematischen zum vielgestaltigen Sammeln führt.

Sport-Erinnerungsstücke

Es gab keinen Aufschrei, als Sotheby’s, die in der Crossover-Praxis stark voranschreiten, im Januar 2023 in einer „The One“ betitelten Auktion neben Ikonen, Skulpturen, asiatischen und ägyptischen Objekten ein Trikot des amerikanischen Baseballspielers James LeBron von 2013 anboten. Es erzielte 3,6 Millionen Dollar.

Das war der höchste Preis in dieser strategisch kühn gemischten Auktion. In ihr wurde ein Strassburger Apostelkopf der Spätromanik um 1220 auf 730.800 Dollar hochgeboten, ein Ballkleid von Lady Diana auf 604.800 Dollar.

Luxusuhren für den Mann

Zu den kontinuierlich hoch bewerteten Dauersellern des Luxusmarktes gehören Armbanduhren vor allem der Firmen Audemars Piguet oder Patek Philippe. Ein von Letzterem 1946 produzierte Exemplar der goldenen „Pink-on-Pink“ erzielte im Juni bei Sotheby’s 3,9 Millionen Dollar. Sie wanderte, wie so viele ihrer Vorgänger in den Auktionen, in den Besitz eines asiatischen Käufers.

Patek Philippe:

Die goldene „Pink-on-Pink“ von 1946 erzielte im Juni bei Sotheby’s 3,9 Millionen Dollar. Ersteigert hat sie ein Käufer aus Asien. Quelle: Sotheby’s

Ein absoluter Höhepunkt war schon die Auktion von Patek Philippe-Uhren im Mai im neuen Hongkonger Hauptquartier von Phillips. Hier spielte die historische „Reference 96 Quantiéme Lune“ aus dem Besitz des letzten Kaisers von China 6,6 Millionen US-Dollar ein. Stark beboten war auch eine im Juni bei Phillips in New York für 4,9 Millionen Dollar versteigerte goldene Taschenuhr des britischen Uhrmachers Roger Smith von 1998.

Michael Jordans Jacke

Doch nicht nur in Versteigerungen dieser Art werden Hochpreise erzielt. Es lohnt sich, einen Blick auf Objekte zu werfen, die im letzten Halbjahr aus dem Rahmen einer normalen Preiskategorie fielen. Was im Januar mit dem oben genannten Millionen-Trikot begann, setzte sich am 29. Juni bei Sotheby’s fort, als das 1992 von dem Basketballer Michael Jordan getragene und signierte Reebok-Jacket 1,5 Millionen Dollar erzielte. Schon im April hatte ein Paar 1998 getragene Sneaker desselben Baseball-Stars bei Sotheby’s 2,2 Millionen Dollar eingespielt, was dem ohnehin erhitzten Markt für Sport-Memorabilia noch einen weiteren Schub gab.

Teuerste antike Münze

Doch es gab auch Überraschungspreise in klassischen Marktbereichen. So wurde ein Gold-Stater, eine griechische Münze des 4. vorchristlichen Jahrhunderts mit dem Kopf eines Satyrs, im Mai 2023 mit 5,4 Millionen Schweizer Franken die teuerste je versteigerte antike Münze. Sie zählte zu den Objekten, die die Sowjetregierung in den 1930er-Jahren als Devisenbringer aus dem Weltklassemuseum Eremitage verkaufte. Sie kam jetzt im Züricher Haus Numismatica Ars Classica unter den Hammer.

Zwei Hochpreise fielen in Christie’s Pariser Auktion afrikanischer und ozeanischer Kunst am 23. Juni, als eine Baule-Maske der Elfenbeinküste 2 Millionen Euro und eine stark kraquelierte Tellem-Figur aus Mali 1,2 Millionen Euro erzielten.

Was finanzstarke Asiaten kaufen

Auch der Markt für asiatische Kunst ist immer wieder offen für Preiskometen. Sechs Bieter trieben den Preis für Katsushika Hokusais berühmten Farbholzschnitt „Große Welle“ im März bei Christie’s in New York von 500.000 auf die Rekordsumme von 2,8 Millionen Dollar. Es handelte sich hier nach Händlermeinung um den besten Abdruck dieser weltbekannten Grafik, der in den letzten 20 Jahren auf dem Markt war.

Katsushika Hokusai:

Der weltberühmte Farbholzschnitt „Große Welle“ kam in New York von 500.000 auf die Rekordsumme von 2,8 Millionen Dollar. Sechs Bieter kämpften um den brillanten Abdruck. Quelle. Christie’s

Immer wieder sind es chinesische Porzellane des 18. Jahrhunderts, die zweistellige Millionenpreise erzielen. Ein Paradestück ist eine in duftigen „Falangcai”-Farben bemalte Porzellanschale, die im April bei Sotheby’s in Hongkong für umgerechnet 25 Millionen US-Dollar unter den Hammer kam. Sie entstand in der kurzen Regierungsphase des Kaisers der Yongzheng-Dynastie, der von 1722 bis 1735 regierte.

Millionenzuschläge für islamische Kunst sind in den letzten drei Jahren rarer geworden, einerseits weil die Museen der Golfstaaten gesättigt sind, andererseits, weil weniger bedeutendes Material in den Markt fließt. Ein Ausnahmepreis sind die 14 Millionen Pfund, die im Mai bei Bonhams ein 1799 von den Briten erbeutetes Moghul-Schwert aus dem Besitz eines südindischen Sultans realisierte.

Weltbeste Violinen

Auch Musikinstrumente gehören seit den 1970er-Jahren zu den unter das Label „Collectibles“ fallenden Kunstmarkt-Objekten. Immer wieder sind es Stradivari-Violinen aus dem Besitz berühmter Virtuosen, die Millionenpreise erzielen. Diesmal war es eine 1731 datierte Violine des nach Antonio Stradivari in Cremona tätigen Giuseppe Guarneri, die im März in einer Online-Auktion des New Yorker Musikinstrumenten-Hauses Tarisio für 9,4 Millionen Dollar ersteigert wurde. Der Preis ist angemessen, weil es im Gegensatz zu rund 600 erhaltenen Stradivari-Violinen nur 150 seines nicht minder berühmten Nachfolgers gibt.

Giuseppe Guarneri:

Die Violine wechselte im März in einer Online-Auktion für 9,4 Millionen Dollar die Hände. Der Preis ist angemessen, schließlich gibt es nur 150 Guarneri-Geigen. Quelle: Tarisio

Der Blick auf Extrempreise sollte nicht vernebeln, dass auf dem Kunstmarkt Sammelgebiete gibt, die ein sich immer rascher wandelnder Geschmack zu Sparten macht. Zu solchen gleichwohl sammelwürdigen Marktsektoren gehören weite Bereiche der Kunst des 19. Jahrhunderts. Hier klafft zwischen der marktgängigen Kunst der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und den zunehmend begehrten Symbolisten eine große Absatzlücke.

Reiz der Orientalisten

Auch bei den Orientalisten, deren beste Marktzeit vor 15 Jahren war, ist Ernüchterung eingekehrt. Es gibt selektiven Zuspruch, der sich auf besonders attraktive Motive wie historische Szenen oder topographisch exakte Reisemalerei bezieht. Aber selbst bei großen Namen setzt Abstinenz ein.

Ein Musterbeispiel ist Sotheby’s Orientalisten-Auktion vom 25. April, in der Werke hoch dotierter Künstler wie Jean-Léon Gérome, Rudolf Ernst und C.H.J. Cordier zurückgingen. Ihren Höhepunkt hatte die Orientalisten-Welle in den Jahren 2006 bis 2008, als Werke von Ludwig Deutsch, John Frederick Lewis, Jean-Léon Gérome Höchstpreise brachten.

So erzielte etwa Gustav Bauernfeinds Gemälde der „Jerusalemer Klagemauer“ 2007 bei Sotheby’s 3 Millionen Pfund. Eine auf dieselbe Summe geschätzte Jerusalem-Ansicht des berühmten schwäbischen Orientmalers ging 2019 im selben Auktionssaal zurück. Der Zuspruch von Sammlern aus dem Nahen Osten ist inzwischen abgeflaut. Im breiten fünfstelligen Marktfeld gibt es noch genug sammelwürdige Werke zu entdecken.

Günstige Einstiegspreise

Gleiches gilt für deutsche und österreichische Künstler des 19. Jahrhunderts, die ihren Marktgipfel vor 20 Jahren hatten. Dazu gehört Ferdinand Georg Waldmüller, von dem in den letzten Jahren im Wiener Dorotheum charakteristische Werke zu moderaten Summen zwischen 200.000 und 300.000 Euro zugeschlagen wurden.

Noch 2005 hatte hier das Gemälde „Die unterbrochene Wallfahrt“ 1,3 Millionen Euro erlöst. Als ein Maler, der stets die ‚Wahrheit der Natur‘ im Auge hatte und dessen Interieurs und ländliche Szenen geradezu den Charakter von Film-Stills haben, ist Waldmüller ein zeitlos sammelwürdiger Künstler.

Auch Carl Spitzweg, der produktivste Maler der Münchener Schule, ist nach einem zeitweiligen Höhenrausch nahe der Millionengrenze wieder erschwinglich geworden: die Auktionsergebnisse für herausragende Werke haben sich halbiert. Am unteren Ende der Preisskala liegt nach wie vor die Münchener Tier- und Genremalerei von Heinrich Bürkel und Eduard Grützner bis Heinrich von Zügel. Hier fehlt unwiederbringlich jene bürgerliche Klientel, die noch im späten 20. Jahrhundert für diese Werke geschwärmt hatte.

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