Manfred Knof warnt vor Risiken 2022

Die Commerzbank stellt sich in den nächsten Monaten auf Gegenwind ein. „2022 wird nicht nur wegen der Coronakrise ein herausforderndes Jahr“, warnt Vorstandschef Manfred Knof im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Die Inflation belastet viele unserer Kunden, insbesondere die gestiegenen Energie- und Immobilienpreise.“ Zudem gebe es infolge der Pandemie nach wie vor Probleme bei den Lieferketten und große geopolitische Risiken. 

Deutschlands zweitgrößte Privatbank sieht sich für drohende Kreditausfälle jedoch gut gewappnet und will darüber hinaus Wachstumschancen nutzen. „Im Privatkundenbereich werden wir das Wertpapiergeschäft und die Baufinanzierung weiter ausbauen“, kündigt Knof an. „Auch mit dem deutschen Mittelstand rechnen wir mit sehr soliden Geschäften, sowohl was die Vergabe von Krediten angeht als auch bei der Platzierung von Anleihen.“

Knof steht seit rund einem Jahr an der Spitze der Commerzbank. Er hat dem Institut einen radikalen Umbau verordnet, bis 2024 sollen 10.000 Stellen gestrichen werden. Nach einem Verlust von 2,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr hat das Institut laut Knof 2021 wieder schwarze Zahlen geschrieben. „Es ist ein großer Erfolg, dass wir trotz Restrukturierungsaufwendungen von einer Milliarde Euro 2021 ein leicht positives Ergebnis ausweisen werden.“ Mitarbeiter und Führungskräfte haben laut Knof einen höheren Bonus verdient als für 2020.

Lesen Sie hier das vollständige Interview:

Herr Knof, Sie sind seit einem Jahr Chef der Commerzbank. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Positiv, denn wir haben viel bewegt und eine Menge erreicht. Wir haben nach sehr kurzer Zeit eine neue Strategie verabschiedet, die von Investoren, Arbeitnehmervertretern und der Politik unterstützt wird. Beim notwendigen Abbau von 10.000 Stellen haben wir uns mit dem Betriebsrat innerhalb weniger Monate auf einen Rahmensozialplan und Teilinteressenausgleiche geeinigt. Unsere Transformation hat für mich Vorbildcharakter, wie eine faire und konstruktive Sozialpartnerschaft in Deutschland funktionieren kann.

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Kritisch sehen es Arbeitnehmervertreter aber, dass es für die Commerzbank-Tochtergesellschaften ComTS bisher keinen Tarifvertrag gibt. Warum waren Sie bisher nicht bereit, mit den Gewerkschaften über einen Tarifvertrag zu verhandeln?
Im Moment hat für uns die Umsetzung der Teilinteressenausgleiche und der neuen Führungsstruktur in der Commerzbank AG Priorität. Im Anschluss wollen wir dann schnell Klarheit schaffen, wo die einzelnen Mitarbeiter eingesetzt werden. Was die ComTS betrifft: Sie sind eigenständige Gesellschaften innerhalb des Commerzbank-Konzerns. Wir haben in diesen Gesellschaften – auch ohne Tarifvertrag – gute Arbeitsbedingungen, die flexibel auf die Situation und Bedürfnisse vor Ort ausgerichtet sind, und wir stehen auch dort im kontinuierlichen, konstruktiven Dialog mit den Betriebsräten.

Was hätte 2021 besser laufen können?
Im Rahmen unseres Transformationsprogramms gibt es aktuell rund 190 Teilprojekte. Die allermeisten sind voll im Plan. Aber natürlich gibt es bei einer so komplexen Transformation auch die eine oder andere Initiative, die nicht – oder noch nicht – funktioniert hat. Dazu zählt die gestoppte Auslagerung der Wertpapierabwicklung, die uns rund 200 Millionen Euro an Sonderabschreibungen gekostet hat. Wir holen die bereits ausgelagerten Prozesse nun wieder zurück in die Commerzbank. Das Kundengeschäft ist von alldem übrigens in keiner Weise tangiert.

Wird die Abwicklung von Wertpapiergeschäften dauerhaft in der Commerzbank verbleiben, oder sehen Sie sich nach Alternativen um?
Die Wertpapierabwicklung wird erst mal in der Commerzbank verbleiben. Aufgrund des deutlich gewachsenen Handelsvolumens und der technologischen Weiterentwicklung können wir sie profitabel fortführen. Es kann aber durchaus sein, dass wir uns das Thema irgendwann noch einmal ansehen und neu bewerten, wenn sich wesentliche Parameter wieder ändern sollten.

Wie fällt die finanzielle Bilanz des Jahres 2021 aus?
Es ist ein großer Erfolg, dass wir trotz Restrukturierungsaufwendungen von einer Milliarde Euro 2021 ein positives Ergebnis ausweisen werden. Das hat uns zu Jahresbeginn kaum jemand zugetraut. Wir werden die Erträge gegenüber 2020 steigern und sind damit besser als ursprünglich geplant. Zudem wird die Vorsorge für drohende Kreditausfälle geringer ausfallen als Anfang des Jahres befürchtet. Bei den Kosten liegen wir genau auf Kurs, wenn man die Belastungen durch die gestoppte
Auslagerung der Wertpapierabwicklung ausklammert. Das alles haben wir in einem Jahr geschafft, in dem wir eine gewaltige Transformation angeschoben und mit einer harten Restrukturierung begonnen haben. Ich finde, das kann sich sehen lassen.

Für das Geschäftsjahr 2020 hatte der Vorstand angesichts eines Verlustes von 2,9 Milliarden Euro keinen Bonus erhalten. Haben Sie für 2021 aus Ihrer Sicht einen Bonus verdient?
Die Mitarbeiter und Führungskräfte haben einen höheren Bonus verdient als für 2020. Was den Vorstand angeht, möchte ich der Einschätzung des Aufsichtsrates hier nicht vorgreifen. Grundsätzlich hat sich die Commerzbank aber immer dadurch ausgezeichnet, dass sie angemessene und keine exzessiven Boni gezahlt hat. Das wird auch so bleiben.

Von sich aus plant der Vorstand also keinen Verzicht auf einen Bonus für 2021?
Nein. Wir werden aller Voraussicht nach ein positives Ergebnis erwirtschaften und unsere Ziele erreichen oder sogar übertreffen. Wie hoch dann die variable Vergütung ausfällt, das entscheidet der Aufsichtsrat auf Basis der strengen Regeln unseres Vergütungssystems.

Lassen Sie uns einen Blick auf 2022 werfen: Angesichts hoher Infektionszahlen und der Ausbreitung der Omikron-Variante hat sich die Coronakrise wieder verschärft. Müssen Sie sich auf mehr Gegenwind einstellen?
Konjunkturellen Rückenwind können wir jedenfalls nicht erwarten. 2022 wird nicht nur wegen der Coronakrise ein herausforderndes Jahr. Die Inflation belastet viele unserer Kunden, insbesondere die gestiegenen Energie- und Immobilienpreise. Zudem gibt es infolge der Pandemie nach wie vor Probleme bei den Lieferketten und große geopolitische Risiken.

Braucht es wegen der steigenden Inflation einen entschlosseneren Kurswechsel in der Geldpolitik?
Dass die Güter des täglichen Bedarfs erheblich teurer geworden sind, spüren alle Bürger jeden Tag in ihrem Portemonnaie. Das ist eine Realität. Und die Hoffnung, dass die deutlich gestiegene Inflation ein temporäres Phänomen sein könnte, verflüchtigt sich. Die EZB sollte deshalb eher früher als später entschlossen handeln.

Stellen Sie sich im neuen Jahr auf höhere Belastungen durch Kreditausfälle ein?
Wir wollen unseren Corona-Puffer in der Risikovorsorge von rund 500 Millionen Euro mit ins Jahr 2022 nehmen und nicht auflösen. Grundsätzlich fühlen wir uns aufgrund unserer konservativen Risikopolitik mit unserem Kreditportfolio gut gerüstet für das nächste Jahr. 

Erwarten Sie dann auch steigende Gewinne? Den Großteil der Kosten für den Konzernumbau haben Sie ja bereits 2020 und 2021 verbucht.
Einen detaillierten Ausblick für das Geschäftsjahr 2022 werden wir erst bei der Bilanzpressekonferenz im Februar geben. Aber ich bin grundsätzlich optimistisch, dass sich unser Kerngeschäft auch im nächsten Jahr gut entwickeln wird. Im Privatkundenbereich werden wir das Wertpapiergeschäft und die Baufinanzierung weiter ausbauen. Auch mit dem deutschen Mittelstand rechnen wir mit sehr soliden Geschäften, was die Vergabe von Krediten und die Platzierung von Anleihen angeht. Was dann unter dem Strich herauskommt, werden wir sehen.

Die Bundesbank hat mehrfach vor einer Blase am deutschen Immobilienmarkt gewarnt. Ist es nicht gefährlich, die Baufinanzierung ausgerechnet in diesen Zeiten auszubauen?
Ich kann nur für unser Portfolio sprechen, und das ist sehr solide. Wir haben im vergangenen Jahr keine Probleme und keine Ausfälle gesehen, die unsere Vorsorge nicht abdeckt. Ich gehe davon aus, dass sich daran 2022 nichts ändern wird. Wir wollen wachsen, aber risikobewusst.

Was muss passieren, damit Sie Ihren Aktionären für das Geschäftsjahr 2022 wieder eine Dividende bezahlen?
Die Voraussetzung dafür ist zunächst, dass wir unsere Ziele erreichen und ein Ergebnis erwirtschaften, das eine Ausschüttung überhaupt erst ermöglichen würde. Wenn das gelingt, werden wir uns mit diesem Thema Anfang 2023 detailliert auseinandersetzen.

Bisher bezweifeln die meisten Analysten, dass die Commerzbank bis 2024 wie angepeilt eine Eigenkapitalrendite von sieben Prozent erreichen wird. Wie wollen Sie die Zweifler überzeugen?
Unsere Ziele sind ehrgeizig, aber nicht unrealistisch. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir sie erreichen. Mir ist aber auch klar, dass sich die Commerzbank das Vertrauen des Kapitalmarkts nach den Enttäuschungen der vergangenen Jahre erst wieder verdienen muss. Dafür müssen wir Quartal für Quartal liefern.

Sorgen bereiten vielen Investoren die Risiken bei Ihrer polnischen Tochter mBank, die wegen der Vergabe von Franken-Krediten von mehr als 10.000 Kunden verklagt worden ist. Wie gefährlich ist das für die Bank?
Die mBank und die Commerzbank sind nach wie vor der Meinung, dass die damals in Schweizer Franken vergebenen Kredite legal sind und legal waren. Die endgültige Entscheidung der polnischen Justiz zu dem Thema wird sich aber noch hinziehen. Deshalb hat die mBank einen Pilotversuch gestartet und einigen Kunden ein Vergleichsangebot unterbreitet. Wir müssen jetzt abwarten, wie die Reaktionen darauf ausfallen.

Ihr Vorgänger Martin Zielke wollte die mBank veräußern, hat den Verkauf im Mai 2020 wegen der Coronakrise und des Streits über Franken-Kredite jedoch auf Eis gelegt. Seitdem hat sich der Kurs der mBank mehr als verdoppelt. Werden Sie früher oder später einen neuen Anlauf für einen Verkauf nehmen?
Die mBank ist integraler Bestandteil der Commerzbank-Gruppe und mit ihren Erträgen und Kosten vollständig in der Planung für die nächsten Jahre berücksichtigt. Sie hat ein hervorragendes Geschäftsmodell, trägt positiv zur Gewinn-und-Verlust-Rechnung bei und ist für die gesamte Gruppe ein Vorbild beim Thema Digitalisierung.

Das hört sich so an, als wollten Sie fürs Erste an der mBank festhalten.
Ja, sie ist Teil der Commerzbank.

Wie es mit der Commerzbank weitergeht, wird maßgeblich vom Großaktionär Bund abhängen, der mit 15,6 Prozent größter Anteilseigner ist. Hatten Sie schon Kontakt zum neuen Finanzminister Christian Lindner?
Nein, bisher gab es in seiner neuen Funktion noch keine Gelegenheit dazu. Ich gehe aber davon aus, dass ich schon bald mit ihm und den für die Commerzbank zuständigen Staatssekretären ins Gespräch kommen werde.

Herr Lindner und die FDP haben sich mehrfach für die Privatisierung von Staatsbeteiligungen ausgesprochen. Ist die Commerzbank aus Ihrer Sicht schon stabil genug, um ohne den Ankeraktionär Staat auszukommen?
Da die Commerzbank ein privates Unternehmen ist, halte ich es für richtig, dass sie mittelfristig ohne Staatsbeteiligung agieren sollte. Aber die neue Bundesregierung hat derzeit, glaube ich, brennendere Themen auf ihrer Agenda. Und wir selbst stecken noch mitten im Umbau.

Welchen Zeitraum meinen Sie denn konkret, wenn Sie von einem mittelfristigen Staatsausstieg sprechen? 2024?
Darüber will ich nicht spekulieren. 

Mit dem US-Finanzinvestor Cerberus gibt es einen Kandidaten, der grundsätzlich interessiert wäre, den Anteil des Bundes zu übernehmen. Die Cerberus-Beteiligung an der Commerzbank würde damit auf über 20 Prozent steigen. Wie fänden Sie das?
Auch darüber will ich nicht spekulieren. Grundsätzlich ist Cerberus wie alle Investoren froh darüber, dass wir die Restrukturierung der Commerzbank entschlossen angehen. Am Kapitalmarkt wird unser Umbauprogramm als ambitioniert wahrgenommen.

Cerberus hat sich für grenzüberschreitende Bankfusionen in Europa ausgesprochen. Auch in der neuen Bundesregierung könnten sich manche einen Zusammenschluss der Commerzbank mit einem anderen europäischen Geldhaus vorstellen. Sie auch?
Ich bin hier angetreten, um die Strategie 2024 umzusetzen. Damit will ich die Voraussetzungen für eine eigenständige Zukunft der Commerzbank schaffen. Das ist auch der Wunsch unserer Kunden. Besonders Mittelständler sagen uns immer wieder, dass sie sich in Deutschland auch weiterhin zwei unabhängige große Privatbanken wünschen.

Sind das Durchhalteparolen, oder glauben Sie wirklich daran? Die meisten Experten sind der Ansicht, dass die Commerzbank früher oder später übernommen wird.
Ich möchte mich nicht mit Spekulationen über Dinge beschäftigen, auf die ich ohnehin nur begrenzten Einfluss habe.

Hat bei Ihnen denn schon ein Interessent angeklopft, seit Sie Vorstandschef sind?
Ich habe zu dem Thema nichts hinzuzufügen.

Dann lassen Sie uns abschließend über Ihre persönliche Jahresbilanz sprechen. Sie stehen zum ersten Mal an der Spitze einer großen Bank und somit auch stärker im Fokus der Öffentlichkeit. Macht Ihnen das Spaß?
Ich empfinde es als Ehre und auch als eine große Verantwortung, die Transformation einer der größten Banken dieses Landes leiten zu dürfen. Mir ist bewusst, dass ich als Vorstandschef auch der erste Markenbotschafter der Commerzbank bin und kommunizieren muss. Das mache ich gerne, und es ist auch wichtig, um die Commerzbank wieder ins rechte Licht zu rücken. 

Unter Ihnen hat sich bei der Commerzbank das Duzen etabliert. Ihre Mitarbeiterbriefe unterschreiben Sie mit „Euer Manfred“. Was wollen Sie damit bewirken?
In großen Teilen der Bank wurde vorher auch schon geduzt, aber nicht in allen. Mir war es wichtig, dass wir bei allen die gleichen Maßstäbe anlegen – auch bei mir. Das Duzen bringt den partnerschaftlichen Geist zum Ausdruck, in dem wir hier miteinander arbeiten wollen. Es hat jedoch keinerlei Auswirkungen auf meine Personalentscheidungen und ändert auch nichts an der Konsequenz, mit der ich den Umbau der Bank vorantreiben will.

Herr Knof, vielen Dank für das Gespräch.

Mehr: Commerzbank-Chef: Ausstieg des Staates wäre perspektivisch gut.

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