Kommt Werhahn auch durch die aktuellen Krisen?

Düsseldorf Gleich auf der ersten Seite des Geschäftsberichts findet sich ein für den 180 Jahre alten Familienkonzern Werhahn entscheidender Satz: „In den aktuell herausfordernden Zeiten muss noch mehr als sonst der Fokus darauf liegen, Wert und Bestand der Unternehmensgruppe für die Nachfolgenden zu sichern, möglichst jedoch zu vermehren.“ 

Das ist angesichts von Rezession und Klimakrise eine große Aufgabe für Vorstandssprecher Paolo Dell’Antonio, der das Unternehmen seit 2018 führt. Werhahn ist in drei Geschäftsbereichen aktiv: Bau, Konsumgüter und Finanzdienstleistungen. Diese Diversifizierung zahlte sich bislang noch in jeder Krise aus. 

Doch die großen aktuellen Herausforderungen stellen auch das Erfolgsrezept des Familienunternehmens auf den Prüfstand. Das zeigen auch die Zahlen, die die dreiköpfige Geschäftsführung des Konzerns am Mittwoch präsentiert hat. Der Umsatz betrug 4,3 Milliarden Euro, acht Prozent mehr als im Vorjahr. 

Doch das Unternehmen gibt selbst zu, dass Preis- und Wechselkurseffekte das Ergebnis beeinflusst haben. Der Gewinn vor Steuern allerdings sank um mehr als ein Viertel und erreichte 156 Millionen Euro. 2021 waren es noch 212 Millionen.

Erfolgsrezept Diversifikation von Anfang an

Firmengründer Peter Wilhelm Werhahn handelte bereits 1841 im Rheinland mit Holz, landwirtschaftlichen Produkten und Steinen. Heute gehören drei Geschäftsbereiche zum Konzern. Da ist zum einen die Bausparte mit der Basalt AG als Kern. Die ist vor allem an Infrastrukturprojekten mit ihren zahlreichen Steinbrüchen und Schieferabbau beteiligt. 

Die Konsumgütersparte ist für die Marke Zwilling und Kochgeschirr, Küchengeräte und Grills bekannt, bietet aber auch im Beautybereich Scheren und Nagelpflege an. Im Bereich Finanzdienstleistungen ist Werhahn schwerpunktmäßig bei Kfz-Finanzierungen sowie im Leasing tätig.

Paolo Dell´Antonio

Der Manager führt seit 2018 den 1841 gegründeten Familienkonzern. 

(Foto: LinkedIn)

Die verschiedenen Bereiche ergänzen sich: So profitierte in der Pandemie die Konsumgütersparte davon, dass die Menschen daheimblieben und kochten, während auf dem Bau weniger passierte. Tom Rüsen, Direktor des Wittener Instituts für Familienunternehmen, hält die diversifizierte Aufstellung bei Familienunternehmen wie Werhahn grundsätzlich für „vorteilhaft“, um krisenfest zu sein.

Doch 2023 stellt auch die Resilienz von Werhahn auf die Probe. Bereits in den vergangenen drei Jahren mangelte es nicht an Krisen: Pandemie, Lieferengpässe, Krieg, Inflation, Kaufzurückhaltung. Aktuell kommt noch die Pleitewelle von Immobilienprojektierern hinzu. 

Vorstandssprecher Dell’Antonio sieht drei zentrale Herausforderungen: Die Nachfrage im für Werhahn wichtigen Straßenbau sei gedämpft, obwohl die Mittel da wären. Als einer der wichtigsten Lieferanten von Gleisschotter hofft er nun auf den Ausbau des Bahnnetzes. 

Bei den Finanzdienstleistungen habe man den „steilen Zinsanstieg“ nicht direkt an die Kunden weitergeben können. Im Bereich Konsumgüter zeige sich noch immer Kaufzurückhaltung infolge von Krieg und Inflation. 

In dieser Situation stellt sich die Frage: Reagiert das Familienunternehmen ebenso resilient, wenn noch die Klimakrise und die wachsenden geopolitischen Risiken hinzukommen? 

Risikofaktor 1: Nachhaltigkeitsbemühen werden nicht honoriert

Während Werhahn auf Konzernebene laut Geschäftsbericht noch an einer einheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie arbeitet, verweist Dell’Antonio auf die Bemühungen in den einzelnen Sparten. Sie gestalten sich aber schwierig. 

Beispiel Bau: Stephan Kühne, in der Geschäftsführung zuständig für Natursteine, sagt, dass man durchaus mehr recycelten Asphalt einsetzen könne, „aber die Ausschreibungen lassen es oft nicht zu“. Die Basalt AG sei sowohl bei der Nachhaltigkeit als auch bei der Digitalisierung deutlich weiter als die meist öffentlichen Auftraggeber. 

Bürokratieabbau soll jährlich mehr als zwei Milliarden Euro sparen

Aus unternehmensnahen Kreisen verlautet hingegen, dass vor allem die Konsumgütersparte noch viel zu tun habe. Mit der Übernahme von Fiber Lean Technologies setzt Werhahn etwa auf ein Unternehmen, das mit Cellulose die Kreislaufwirtschaft beflügeln will. Doch die Suche nach Kunden hat gerade erst begonnen. Dell’Antonio will noch abwarten, ob sich das Geschäftsmodell bewährt. 

Familienunternehmensexperte Rüsen sieht auch beim Nachhaltigkeitsthema Vorteile für divers aufgestellte Familienunternehmen. Dann könnten die Eigentümer immer wieder die Frage stellen, „ob einzelne Portfoliounternehmen noch den Wertvorstellungen oder dem Nachhaltigkeitskompass der Familie entsprechen, und sie im Zweifel aussortieren“.

Risikofaktor 2: Engagement in Russland

Steinbruch der Basalt AG

Die Werhahn-Tochter spürt die Zurückhaltung am Bau.

(Foto: imago stock&people)

Nach wie vor ist die Basalt AG in Russland aktiv, auch wenn man den Krieg auf das Schärfste verurteile, sagt Geschäftsführer Kühne. Man halte sich strengstens an die Sanktionen und habe das Russlandgeschäft komplett vom Rest entkoppelt. Aber immerhin steuert das Geschäft rund zwei Prozent zum Umsatz bei. Es aufzugeben sei keine Option: „Dann überlassen wir Assets dem russischen Staat“, sagt Kühne.

Dadurch bleiben für Werhahn aber Risiken: Einerseits drohen jederzeit Maßnahmen durch die Regierung in Moskau. Andererseits könnten Kunden des Unternehmens durch das Engagement abgeschreckt werden.

Auch in der Ukraine ist Werhahn aktiv. Die Mitarbeitenden dort würden weiterbezahlt, auch wenn sie aktuell weniger arbeiten könnten. „Sie bekommen jede Hilfe“, sagt Kühne. 

Risikofaktor 3: China

Für den Geschäftsbereich Konsumgüter ist China seit Langem einer der wichtigsten Märkte. Gerade dort aber ist das Verbrauchervertrauen nach dem Ende der Coronabeschränkungen gering. „Wir hatten die Erwartung, dass die Nachfrage in China zurückkommt“, sagt Dell’Antonio. Das sei aber bisher nicht der Fall.

Seine Strategie: Künftig will das Unternehmen in China vorwiegend für China produzieren. Dadurch lässt sich das Geschäft jederzeit abtrennen.

Risikofaktor 4: Klumpenrisiko Auto bei Finanzdienstleistungen 

Jahrelang hat sich die Finanzdienstleistungssparte des Konzerns auf Autokredite und Leasing konzentriert. Doch nun schwächeln die deutschen Autohersteller, und aufgrund der Klimaziele ist fraglich, wie relevant eigene Pkw für Verbraucher künftig noch sein werden. „Wir sind davon überzeugt, dass die Finanzierung von Autos eine Zukunft hat“, gibt sich der zuständige Vorstand Alexander Boldyreff optimistisch und verweist auf die wachsenden Absatzzahlen von Elektroautos.

Dennoch steuert er den Geschäftsbereich zunehmend um und bietet zum Beispiel für den ADAC oder die Volksbank Berlin sogenannte „White Label“-Kredite unter deren Namen an. Diese breitere Aufstellung mache bereits rund zehn Prozent des Geschäfts aus. Der eigene Leasingspezialist Abcfinance ist schon seit mehr als einem Jahr Exklusivpartner des Marktführers Jobrad in Österreich. 

Risikofaktor 5: Deutschlandzentrierung

Nur 35 Prozent des Geschäfts macht Werhahn im Ausland. Das ist im Vergleich zu vielen mittelständischen Familienunternehmen wenig. Zumal Deutschland gerade weniger in einer Konjunktur- als in einer Strukturkrise stecke, sagt Konzernchef Dell’Antonio. 

„Zu langsame Prozesse, zu viel Regulatorik“, fasst er zusammen. „Aber in Meseberg scheint die Bundesregierung ja erste Ansätze zu geben, wir sind gespannt.“

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