Inhaber der früheren Hakle wagt Neustart nach Insolvenz

Düsseldorf Für Volker Jung waren die vergangenen zehn Monate die turbulentesten seiner Karriere. Mitte September musste der damalige Inhaber für den Toilettenpapierhersteller Hakle Insolvenz anmelden. „Die Energiekosten haben uns in die Zahlungsunfähigkeit getrieben“, sagte er kurz darauf im Interview mit dem Handelsblatt.

Hakle zählte zu den ersten namhaften Firmen in Deutschland, die im Zuge der Energiekrise pleitegingen. Die Produktion von Papier ist energieintensiv, Hakle zahlte vergangenes Jahr sechs Mal so viel für Gas und Strom wie 2019.

Mittlerweile haben Jung und das Unternehmen die Insolvenz überstanden. Mitte Juli wurde Hakle in die Jung Papier GmbH umfirmiert. Denn im März verkaufte Jung die Namensrechte von Hakle an den italienischen Konkurrenten Sofidel. Der nach Essity („Tempo“, „Zewa“) zweitgrößte Toilettenpapierhersteller Europas ist für seine Marken „Regina“ oder „Softis“ bekannt. Familienunternehmer Jung bleiben 160 Fachkräfte und seine Papierfabrik im Düsseldorfer Süden.

Deren Auslastung ist vorläufig gesichert, bis Ende 2024 fertigt Jung im Auftrag von Sofidel Toilettenpapier der Marke Hakle. Danach muss der 55-Jährige das Geschäft neu aufstellen. Jungs Plan ist, in seinem Werk Eigenmarken für Handelsketten in Deutschland herzustellen, unter Namen wie „Gut & Günstig“, „Ja“, „Floralys“ oder „Kokett“.

Das Vorhaben ist schwierig: Das Geschäft mit Handelsmarken ist margenschwach, die Konkurrenz groß. „Das wird kein Selbstläufer“, sagte Jung im Gespräch mit dem Handelsblatt, dem ersten nach der Umfirmierung. Auf den Nachhall der Traditionsmarke kann sich die neue GmbH nicht ewig verlassen. Es muss auch die Frage beantworten, wie viel Innovationskraft in dem geschichtsreichen Unternehmen steckt – beim Thema Materialien etwa.

Handel hilft Hakle im Insolvenzverfahren

Die Vorgängerfirma Hakle wurde 1928 gegründet und zählt zu den traditionsreichsten deutschen Konsumgüterherstellern. Trotz der bekannten Marke ist der Hersteller mit einem Umsatz von gut 70 Millionen Euro klein. Den Gesamtumsatz der Branche in Deutschland schätzen Marktforscher auf einen Milliardenbetrag.

Nach mehreren Eigentümerwechseln übernahm Jung 2019 die Firma, ihm gehörten 50 Prozent der Anteile, der Rest einem Finanzinvestor. Jung war angetreten, um das Unternehmen effizienter aufzustellen. Ihm gelang es auch, Marktanteile zu gewinnen.

Doch die infolge des Ukrainekriegs stark steigenden Kosten für Energie und Zellstoffe konnte Hakle nicht abfedern. Die Firma war angeschlagen, hatte seit 2013 nur zwei Mal schwarze Zahlen erzielt. Zudem gelang es Jung nicht, die Preise im Handel rechtzeitig zu erhöhen.

Hakle-Werk in Düsseldorf

Kein Kaufinteressent wollte die Produktionsstätte erwerben.

(Foto: picture alliance/dpa)

Nach der Insolvenzanmeldung konnte er das korrigieren. „Der Handel hat uns nicht fallen lassen und uns im Winter ausreichende Preiserhöhungen gewährt. Sonst hätten wir das Insolvenzverfahren nicht überlebt.“ Hersteller von Toilettenpapier haben ihre Preise deutlich angezogen. Verbraucher zahlen dafür 43 Prozent mehr als noch 2020, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts.

Die Rettung von Hakle wurde zur Hängepartie. Eigentlich wollte Jung das komplette Unternehmen samt Fabrik verkaufen. Von den anfänglich 60 Interessenten blieb vor Weihnachten ein aussichtsreicher übrig. Doch die Konditionen des Finanzinvestors konnten die Gläubiger nicht akzeptieren, selbst die Zerschlagung von Hakle hätte für sie zu einem besseren Ergebnis geführt.

Jung will Geschäfte im „Haifischbecken“ Handelsmarken machen

Für Jung war das ein Rückschlag. „Die Zeit um den Jahreswechsel war ernüchternd“, sagt auch der zuständige Insolvenzsachwalter Jan-Philipp Hoos von der Wirtschaftskanzlei White & Case. Trotz einer begonnenen Modernisierung war die Düsseldorfer Fabrik nicht so effizient wie die von Konkurrenten. Zudem ist die Firma bis heute nicht Eigentümer, sondern nur Mieter des Geländes. Käufer wollten sich dieses Risiko offenbar nicht ins Portfolio holen.

Hoos sagt: „Der Standort erwies sich für Investoren nicht als interessant, aber die Marke Hakle machte den Großteil des Unternehmenswertes aus – was Volker Jung zu einer unkonventionellen Lösung gebracht hat.“ Der Unternehmer verkaufte die Markenrechte, „es war der 16. Businessplan, den wir aufgestellt hatten“, kommentiert Jung. Käufer Sofidel aus der Toskana erhofft sich so einen Zugang zum deutschen Markt, Jung konnte mit dem Erlös die Insolvenz überwinden.

Toilettenpapier von Hakle

Die Konkurrenz im Handelsmarkengeschäft ist groß.

(Foto: IMAGO/Michael Gstettenbauer)

Dass der Verkauf der Markenrechte nicht seine Wunschlösung war, räumt Jung offen ein. „Emotional hat mich der Verkauf der Marke stark getroffen. Aber es war am Ende die einzige Möglichkeit, um den Standort zu erhalten und den Beschäftigten eine Zukunft zu bieten.“

Auch nach der Überwindung der Insolvenz bleibt die Lage für den Familienunternehmer angespannt. Er hatte die Produktion von Eigenmarken deutlich zurückgefahren. Zuletzt machten sie noch zwei Prozent des Umsatzes aus, bei der Übernahme 2019 war es die Hälfte. Das Kalkül: Markenware wirft deutlich mehr Marge ab als No-Name-Produkte, weil diese im Handel günstig angeboten werden.

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Ausgerechnet zum Neustart setzt Jung auf das Gegenteil: „Es ist unrealistisch, eine neue Marke aufzubauen, die den Wert von Hakle hat.“ Ihm bleibe keine andere Option, obwohl das Geschäft mit Eigenmarken ein „Haifischbecken“ sei.

Tatsächlich ist die Konkurrenz stark, große Anbieter können zudem kostengünstiger produzieren als Jung. Dass selbst Marktführer Essity sein Handelsmarkengeschäft ausgegliedert hat und sogar über einen Verkauf dieser Sparte nachdenkt, zeigt, wie schwierig die Produktion von Handelsmarken ist.

Unternehmer Jung will die Fabrik durch zweistellige Millioneninvestitionen auf die Produktion von Handelsmarken trimmen. Nach der Entschuldung durch die Insolvenz könne er den Banken neue Sicherheiten bieten, hofft er. „Wir wollen am Ende eine Personalproduktivität herstellen, die andere längst erreicht haben.“ Jung sieht den Vorteil, als kleinerer Betrieb schneller auf die Wünsche des Handels eingehen zu können.

Toilettenpapier aus Kaffeesatz und Grasfasern

Jung Papier profitiert von dem guten Ruf, den die Marke Hakle hatte. Zudem ist der Unternehmer bei den Einkäufern des Handels gut vernetzt. Von Mitbewerbern unterscheiden will er sich durch Innovationen. Er plant, Toilettenpapier aus alternativen Fasern herzustellen – etwa aus industriellem Kaffeesatz. Allein hierzulande fielen davon jährlich 80.000 Tonnen an.

Man wolle keine Bäume mehr fällen, um daraus Produkte zu generieren, die man wieder die Toilette herunterspüle, so Jung. 2021 brachte Hakle als einer der ersten Hersteller im Markt Küchenpapier auf den Markt, dem Grasfaser beigemischt waren.

An der Entwicklung maßgeblich beteiligt war das Team um den technischen Leiter Chris Faltin. Den gelernten Papiermacher und Ingenieur hat Jung nun zum angestellten Geschäftsführer berufen, erfuhr das Handelsblatt vorab. Der 38-Jährige kümmert sich um Produktion und Einkauf, während der geschäftsführende Gesellschafter Jung die übrigen kaufmännischen Themen und die Logistik abdeckt. Ab Herbst will Jung Verträge mit dem Handel abschließen.

Chris Faltin (l.), Volker Jung

Faltin ist zum angestellten Geschäftsführer aufgestiegen.

(Foto: Jung Papier GmbH)

Dass die Gas- und Papierpreise nicht mehr so hoch sind wie noch zur Zeit der Insolvenzanmeldung, dürfte dem Unternehmen den Neustart erleichtern. Im Winter noch hatte Hakle die Produktion von Gas auf Öl umgestellt, um die Kosten zu drücken.

Künftig muss Jung mit weniger Beschäftigten auskommen. Von den 220 Mitarbeitern sind 160 geblieben. Auch langjährige Führungskräfte hatten wegen der Unsicherheit gekündigt, einige Mitarbeiter musste Jung entlassen. Klar ist: Auch die kommenden Monate werden für ihn turbulent werden.

Mehr: Hakle-Chef Jung im Interview: „Hätten wir die Staatshilfe schneller bekommen, wären wir jetzt nicht zahlungsunfähig“

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